Der Countdown läuft

Pharmahersteller, Großhändler und Pharmalogistiker, die verschreibungspflichtige pharmazeutische Produkte verpacken oder aggregieren, müssen sich umstellen: Zum 9. Februar 2019 tritt die EU-Fälschungsschutzrichtlinie (2011/62/EU) in Kraft. Diese sogenannte Falsified Medicine Directive vom 8. Juni. 2011, die 2016 noch erweitert wurde, beschreibt einheitliche Vorgaben, um Fälschungen zu verhindern. Ein Kernelement sind individuelle Erkennungsmerkmale (Unique Identifier - UI): randomisierte Seriennummern als 2-D- Barcode. Die Umsetzung dieser Serialisierung treffe, betont Pharmalogistik-Expertin Nicola Spiggelkötter von Knowledge & Support in Bad Harzburg, bislang ausschließlich pharmazeutische Hersteller, pharmazeutische Großhändler und Apotheken. Also die Firmen, die zur Ausübung ihrer Tätigkeiten eine behördliche Genehmigung benötigen wie die Großhandelserlaubnis gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) Artikel 52 oder die Herstellungserlaubnis gemäß Arzneimittelgesetz Artikel 13. Umverpacken sei zum Beispiel ein Herstellungsschritt im pharmazeutischen Sinne, erläutert Spiggelkötter, und dürfe nur von Unternehmen ausgeführt werden, die über eine (Herstellungs-)Erlaubnis verfügen. "Transportbetriebe, die ausschließlich Transporte von Arzneimitteln organisieren und durchführen, sind indes von der neuen EU-Richtlinie vorerst nicht betroffen", versichert die Expertin. Sendungen jederzeit nachverfolgen Im Gegensatz zu Ländern wie den USA, die bei der Serialisierung unter anderem die Sendungsverfolgung für den Arzneimittelfälschungsschutz vorgeben, hat sich die EU für eine reine "Ende-zu-Ende-Überprüfung" entschieden. Für jede einzelne Faltschachtel wird also eine randomisierte, einmalige Seriennummer erstellt, die zentral erfasst und vor der Abgabe an Patienten abgeglichen wird. Die Seriennummer ist Bestandteil eines zweidimensionalen Barcodes, der zudem Informationen wie Produktcode, Chargenbezeichnung und Verfallsdatum enthält. "Die Unternehmen müssen im Zuge der Fälschungs-Richtlinie also jederzeit nachverfolgen können, wo sich ein bereits serialisiertes Produkt befindet - egal, ob die Waren zum Kunden geschickt oder aber diese vom Kunden retourniert werden", erläutert André Reich, Geschäftsführer des Pharmalogistikdienstleisters Unitax (siehe Kasten Seite 28). Erforderlich seien dafür Scans des zweidimensionalen Data Matrix Codes an Übergabestellen (Datenhubs). Zudem müssen laut Reich Logistiker, die etwa Sendungen kommissionieren und neue Versandeinheiten bilden, an ein übergeordnetes Serialisierungssystem angeschlossen sein - StichwortAggregation von Sendungen. Reich weiß, von er spricht. Denn Unitax, das auch über die Großhandels- und Herstellungserlaubnis gemäß Arzneimittelgesetz verfügt, setzt die Neuerungen der Fälschungs-Richtlinie schon um. Insgesamt 650.000 Euro habe das Unternehmen dafür investiert, sagt er, unter anderem für Drucker, die den gesetzlich vorgeschriebenen zweidimensionalen Barcode abbilden können, und für die IT-Lösungen, die für die Übermittlung der einmaligen Seriennummern nötig sind. So wird Unitax als letzten Schritt der Konfektionierung alle verwendeten Seriennummern über eine spezielle IT-Schnittstelle an seine Pharmaindustriekunden senden. Als "Zulassungsinhaber" übermitteln diese die Daten an das "EU-Hub"- das ist die zentrale, sichere Datenbank zur Verifizierung der Seriennummern. Und am anderen Ende der Lieferkette überprüfen dann Apotheker vor der Abgabe eines Medikaments, ob die jeweilige Seriennummer vom System erfasst und damit echt ist. "Obwohl Track & Trace als zusätzliche Kontrolle für Pharmaprodukte offiziell nicht vorgeschrieben ist, wird es schon häufig benötigt", weiß Reich. Um das leisten zu können, habe Unitax in eine Healthcare-Cloudlösung des Track- & Trace-Anbieters TraceLink investiert. "Über dieses validierte System können wir Serialisierungsnummern von verschiedenen Kunden direkt an der Fertigungslinie erhalten, die Daten über die gleiche Plattform austauschen und bei Bedarf sogar eigenständig Nummern anfordern." Gleichzeitig lasse sich über die Cloud jederzeit der aktuelle Produktstatus abfragen. Bevor serialisierte Produkte das Unitax-Pharmalager verlassen, scannen Datenbrillen die Barcodes und übermitteln die Sendungsinformationen automatisch in die Cloud. Um zu verhindern, dass eine serialisierte Verpackung unbemerkt geöffnet und das Produkt ausgetauscht wird, versieht Unitax entsprechend der EU-Verordnung jede Packung mit einem manipulationssicheren Erstöffnungsschutz - dem sogenannten Tamper Proof of evidence. Reich zufolge stellen das Anbringen manipulationssicherer Tamper-Evident-Etiketten oder Ähnlichem und der Aufdruck der zweidimensionalen Barcodes Pharmahersteller und -logistiker vor immense Herausforderungen. "Die Oberflächen der Packungen sind sehr unterschiedlich, einige werden zum Beispiel glänzend lackiert. Die Verschlussetiketten müssen wir also so auswählen", erklärt er, "dass sie auch von diesen extrem glatten Oberflächen nicht unbemerkt entfernt und wieder aufgebracht werden können." Auch das Aufdrucken des zweidimensionalen Barcodes ist diffizil: Das Packungslayout muss eine genügend große, freie Fläche aufweisen und der Untergrund so hell sein, dass der Kontrast ausreicht. Ansonsten können die Lesegeräte den Code nicht erfassen. Die größten Herausforderungen waren für Unitax, die geeigneten Maschinen rechtzeitig zu erhalten, die erforderlichen validierten Schnittstellen einzurichten sowie die entsprechenden Scanner anzubinden, um alle Daten lesen zu können. Wenig Schonfrist für Transportbetriebe Transporteure, die Arzneimittel ausschließlich befördern, sind bislang also von der EU-Fälschungsschutzrichtlinie nicht betroffen. Vermutlich aber im Jahr 2020 oder spätestens 2022, schätzt Reich, könnten die Neuerungen auch auf Transportbetriebe zukommen. Spätestens dann müssen sie, sofern es um aggregierte Arzneimittel geht, jeden ihrer Prozessschritte per Scan erfassen und dokumentieren. So soll ein Full Track & Trace gewährleistet werden. Wer die Daten dann wohin übermittelt - an die Pharmaunternehmen oder direkt an eine zentrale Datenbank -, ist zurzeit noch Spekulation. "Erst kommt aber 2019 die Serialisierung", betont Reich, "dann die Aggregation und im dritten Schritt Full Track & Trace." Mehr zum Thema im Dossier Pharmalogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Neue Serialisierungspflicht Um den Vertrieb und Handel von illegalen oder gefälschten Medikamenten zu unterbinden, hat die EU die Richtlinie 2011/62/EU verabschiedet, die zum 9. Februar 2019 in Kraft tritt. Grundvoraussetzung für die Fälschungssicherheit eines Medikaments ist demnach die einmalige Vergabe einer Seriennummer in Verbindung mit individuellen Produktionsdaten (Produktidentifikation GTIN/NTIN/PPN, Verfallsdatum sowie Chargennummer) in Form eines Data Matrix Codes. In Verbindung mit Siegeletiketten an den Faltschachtelenden will man so die Unversehrtheit von Medikamenten sicherstellen. eh VR-Tipp So setzen Sie die Serialisierung Schritt für Schritt um - Der Zulassungsinhaber/pharmazeutische Unternehmer (PU) beantragt die Registrierung beim zentralen europäischen Datenspeicher- und Abrufsystem (EMVS - European Medicines Verification System) und schließt einen Vertrag.- Der PU beantragt die Registrierung beim nationalen Datenspeicher- und Abrufsystem (NMVS - National Medicines Verification System) und schließt einen Vertrag.- Der PU informiert die zuständige (regionale) Behörde darüber, dass er die Sicherheitsmerkmale aufbringen wird.- Der PU und/oder seine Dienstleister bestellen und kaufen die Hardware (Drucker für die Erstellung des zweidimensionalen Barcodes oder Serialisierungsstation).- Der PU und/oder seine Dienstleister wählen eine IT-Lösung zur Übermittlung, Verarbeitung und Speicherung der Serialisierungsdaten.- Installation von Hard- und Software, IT-Anbindung des PU und/oder seiner beauftragten Dienstleister.- Gegebenenfalls Validierung der IT-Systeme- Pilotphase/Testbetrieb. mn

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