Den richtigen Köder am Haken

Logistikunternehmen suchen derzeit vor allem Landverkehrsspezialisten, gefolgt von Seefracht- und Kundendienstexperten. Eher selten gefragt sind Kenntnisse in den Bereichen KEP, Handel und Industrie. Das geht aus dem zweiten Gehaltsreport von BirdieMatch hervor, der der VerkehrsRundschau-Redaktion exklusiv vorliegt. Interessantes Detail: Sowohl Bewerber als auch Unternehmer schätzen die im Markt üblichen Gehälter nicht realistisch ein. Bei mehr als 70 Prozent der untersuchten Berufsgruppen und Funktionen liegen die von den Kandidaten angegebenen Ist-Gehälter über denen, die die Firmen anbieten. Dass in der Grafik auf Seite 31 auch die Wunschgehälter teils unter den Ist-Gehältern liegen, liegt daran, dass nicht jeder, der sein aktuelles Gehalt angegeben hat, auch einen Gehaltswunsch genannt hat und umgekehrt. Möglich ist auch, dass Kandidaten ihre Gehälter aus strategischen Gründen höher angeben als sie real sind, vermuten die Studienmacher. Sowohl Bewerber als auch Firmen sollten dennoch ihre Gehaltshöhen überprüfen und auch regionale Aspekte beachten, raten die Experten von BirdieMatch. Logistiker in Ostdeutschland etwa werden schlechter bezahlt als in anderen Regionen Deutschlands, geht aus der Studie hervor. Ein Gehaltsgefälle von Süd nach Nord bestätigte sie hingegen nicht. "Die Gehälter im Süden der Republik, etwa in München, fallen in der Logistikbranche am höchsten aus, es folgen der Westen mit dem Ruhrgebiet, der Norden mit Hamburg und der Osten. Nördlich von Berlin sind die Gehaltsstrukturen am geringsten", berichtet dagegen Marko Weiselowski, Geschäftsführer von Sachsenland Transport & Logistik in Dresden. Flexible Arbeitszeiten sehr gefragt Neben der reinen Gehaltshöhe sollten Unternehmer auch prüfen, ob sie mit Benefits neue Mitarbeiter für sich gewinnen können. Besonders gefragt sind bei den Kandidaten auf BirdieMatch flexible Arbeitszeiten, gefolgt von Fort-und Weiterbildungsmöglichkeiten, Firmenwagen, Home-Office und betrieblicher Altersvorsorge. Zusatzleistungen, die von Firmen häufig, aber von den Bewerbern relativ selten angegeben wurden, sind Parkplätze und Mitarbeiter-Events. "Beliebt bei Bewerbern sind Unternehmen, die auf eine breite Ausbildungspalette und auf eine kontinuierliche Weiterentwicklung setzen", berichtet Prisca Brosi von der Kühne Logistics University (KLU), die die BirdieMatch-Studie wissenschaftlich begleitet hat (siehe Interview auf Seite 30). Doch gerade in kleineren Logistikbetrieben sieht die Realität vielfach anders aus: "Da wir flache Hierarchien im Unternehmen haben, sind die Aufstiegschancen bei uns eher gering", erklärt Weiselowski von Sachsenland. Er sucht derzeit vor allem Speditionskaufleute und Fahrer, weniger Lagermitarbeiter. "Wir bieten unseren Arbeitnehmern Zuschüsse zur privaten Rentenvorsorge sowie gegebenenfalls ein Fahrzeug. Viele Bewerber erwarten auch flexible Arbeitszeiten und Prämien", berichtet der Unternehmer. Dass solche "soften" Faktoren an Relevanz gewinnen, bestätigt Anne Putz, Leiterin Kommunikation und Marketing beim Paketdienst GLS, der zwar keine eigenen Fahrer, dafür aber zu 70 Prozent gewerbliche Mitarbeiter in seinen Hallen und Depots beschäftigt. "Gehalt ist nur eine Komponente, die potenziellen Mitarbeitern wichtig ist. Ein familiäres Klima am Arbeitsplatz und die Work-Life-Balance sind mittlerweile ebenfalls entscheidend. Unsere gewerblichen Kollegen legen beispielsweise darauf Wert, dass kostenfrei Kaffee und Getränke bereitgestellt werden", berichtet Putz. Jüngere Kandidaten fragen tendenziell weniger Benefits nach als ältere, zeigt die BirdieMatch-Auswertung. Berufseinsteiger wünschen sich demnach vor allem Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie flexible Arbeitszeiten. Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Geschlechtern: Der Firmenwagen ist bei Männern deutlich beliebter als bei Frauen. Letztere wünschen sich flexible Arbeitszeiten, Fortund Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Home-Office stärker als Männer. Frauen fordern weniger als Männer Nach wie vor verdienen Frauen in der Logistik aber deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen - auch wenn die Birdie-Match-Zahlen nur den unbereinigten "Gender Pay Gap" widerspiegeln. Bereinigt liegt die Lohnlücke bei Logistikberufen in der Gehaltsklasse um 60.000 Euro derzeit bei 9,9 Prozent, zeigt der "Entgeltmonitor 2018" von Compensation Partner. Zum Vergleich: Deutschlandweit verdienen Frauen über alle Branchen und Gehaltsklassen hinweg "nur" 4,5 Prozent weniger als Männer, damit ist die Lücke seit dem Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte geschrumpft. Die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau in der Logistik zeigen sich laut der BirdieMatch-Analyse schon bei den angegebenen Wunschgehältern der Kandidaten - sogar noch deutlicher als bei den Ist-Gehältern. Frauen setzen also schon bei Gehaltsverhandlungen um einiges niedriger an als ihre männlichen Kollegen. Bereits beim ersten Gehaltswunsch nach dem Studium liegen sie um 3000 Euro hinter den Männern zurück. Nach einer Ausbildung in der Logistik geben sich Frauen sogar mit rund 5000 Euro weniger zufrieden. Die Studienmacher von BirdieMatch schlussfolgern, dass Unternehmen mit einer gleichberechtigten Bezahlung sowohl weibliche Fachkräfte halten als auch weitere anlocken können. Den Kandidatinnen raten sie, ihre Wunschgehälter nach oben anzupassen. "Die Logistik ist eine Männerdomäne. Frauen sollten hier selbstbewusster agieren. Häufig verhandeln sie anders als ihre männlichen Kollegen. Sie sind deutlich selbstkritischer und verkaufen sich teils unter Wert", bestätigt Putz von GLS. "Zwar wird die Gehaltsschere zwischen Mann und Frau kleiner, aber ganz schließen wird sie sich auf diese Weise nicht", glaubt sie. "Bei uns macht es keinen Unterschied, ob ein Bewerber männlich oder weiblich ist. Gehaltsunterschiede machen sich eher in Bezug auf Ausbildung und Erfahrung bemerkbar", sagt Marko Weiselowski von Sachsenland. Er wünscht sich aber eine bessere Entlastung der Arbeitgeber bei Ausfällen wegen Schwangerschaft und Eltern- beziehungsweise Erziehungszeiten. "Beides sind nach wie vor Risiken, die klein- und mittelständische Unternehmen belasten", betont der Unternehmer. Bei BirdieMatch sind 78 Prozent der Kandidaten männlich und 22 Prozent weiblich. Der niedrigere Frauenanteil entspricht den Zahlen, die die Bundesvereinigung Logistik (BVL) nennt. Die Interessenvertretung führt an, dass in den meisten Unternehmen der Frauenanteil weit unter der 40-Prozent-Marke liegt, in Führungskreisen sogar bei weniger als zehn Prozent. Immerhin sind von den 259 Hochschulabsolventen, die sich über BirdieMatch bewerben, 34 Prozent Frauen. Und von den 59 frisch ausgelernten Kandidaten auf der Plattform sind zumindest 24 Prozent weiblich. Neue Jobs durch die Digitalisierung Ein weiteres Detail der BirdieMatch-Studie: 65 Prozent der Kandidaten gehört zu den Generationen Y und Z - also geboren frühestens im Jahr 1980 - und damit zu den "Digital Natives". Für diese Altersgruppe ist die Nutzung digitaler Werkzeuge wie des Job-Matching-Portals Birdie-Match selbstverständlich. Dass gerade durch die Digitalisierung künftig neue, höherwertige Jobs entstehen, davon ist Anne Putz von GLS überzeugt. Auch deshalb werden aus ihrer Sicht momentan Softfaktoren wie das Thema Weiterbildung immer wichtiger. "Mittlerweile haben wir auch bei den gewerblichen Mitarbeitern einen Arbeitnehmermarkt", ergänzt sie. Die Expertin geht davon aus, dass die Gehälter in der Logistik in den kommenden fünf Jahren weiter steigen werden, alleine schon aufgrund des Fachkräftemangels und wegen weiterer Erhöhungen beim Mindestlohn. "Wenn der Trend zum Onlineshopping weiter so anhält und auch die Digitalisierung die Qualifikationsschwelle absenkt, befürchte ich, dass die Gehaltsstruktur der Logistikberufe sinken könnte", glaubt dagegen Sachsenland-Chef Weiselowski. Dass die Transport- und Logistikbranche schon heute nicht die zahlungskräftigste bei den Gehältern ist, zeigt der aktuelle "Branchenindex 2019" von Compensation Partner. Demnach liegt das Einkommen hier derzeit 13 Prozent unter dem branchenübergreifenden Durchschnitt. "In anderen Branchen würden viele Kollegen besser verdienen, aber sie bleiben der Logistik treu, weil sie spannend und zukunftsfähig ist. Deshalb verzichten sie vielleicht sogar auf den einen oder anderen Euro", glaubt Putz von GLS. Was alle eine, sei der Wunsch nach einem sicheren Arbeitsplatz. Bei kaufmännischen Berufen sei auch das Thema Internationalität entscheidend, also die Möglichkeit, mit Kollegen aus anderen Ländern zu arbeiten, oder als dualer Student eine Zeitlang im Ausland zu leben. Putz betont: "Auch internationale Teams machen einen als Arbeitgeber attraktiv." Weiselowski von Sachsenland rät Unternehmern, die Mitarbeiter am Erfolg des Betriebs zu beteiligen und möglichst transparente Bausteine wie Prämien einzusetzen, um Zufriedenheit zu schaffen. "Geld ist nicht alles. Es sollte auch geprüft werden, welchen konkreten Bedarf der einzelne Mitarbeiter haben könnte", empfiehlt der Firmenchef. Wichtig sei dabei, rechtzeitig zu reagieren. "Wir beobachten den Trend, dass der Mitarbeiter nicht nach einer Lohnerhöhung fragt, sondern sich anderweitig bewirbt und so Tatsachen schafft", warnt Weiselowski. Daten und Fakten 2. BirdieMatch-GehaltsreportIm vierten Quartal 2018 analysierte Birdie-Match, das Hamburger Job-Matching-Portal für Logistiker, für seinen zweiten Gehaltsreport 7852 anonymisierte Kandidatenprofile und 1086 der auf der Plattform veröffentlichten Vakanzen. Die nicht repräsentative Untersuchung des digitalen Headhunters berücksichtigte bei der Auswertung 500 logistikspezifische Kriterien. Der Report ist die einzige Studie, die sich ausschließlich auf Jobs in der Logistik bezieht. akw Online Details auf Verkehrs-RundschauPlusWeitere aussagekräftige Grafiken zu den Ist- und Wunschgehältern nach Berufsgruppen in der Logistik sowie zu den geforderten und angebotenen Top- und"Heart"-Skills - bei Letzteren handelt es sich um die Benefits in Logistikunternehmen - aus dem 2. Birdiematch-Gehaltsreport finden VerkehrsRundschau-Abonnenten auf VRplus, dem digitalen Angebot des Wochenmagazins, unter: www.verkehrsrundschau.de/plus/gehalt

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