Da ist das Ding

Es ist leider nichts über den Moment bekannt, in dem Alexander Dobrindt erfahren hat, dass Deutschland 2016 wieder Logistikweltmeister geworden ist. Wir wissen also nicht, ob der Bundesverkehrsminister stumm einen Haken an die Liste seiner Ziele gemacht hat. Oder hat er die Tür seines Büro aufgerissen, ist durch sein Sekretariat gestürmt und hat auf dem langen Flur Anlauf genommen, um dann auf den Knien rutschend in bester Oliver-Kahn-Manier jede Silbe betonend auszurufen: "Da ist das Ding"? Dobrindts Reaktion auf den Titel Zugegeben, die letzte Variante ist wenig wahrscheinlich. Mit Anzughose macht sich ein solcher Knierutscher nicht so gut. Nebenbei bemerkt, vorstellbar wäre eine solche Jubelarie schon eher von dem bekennenden Thomas-Müller-Fan Dorothee Bär. Die Logistikbeauftragte der Bundesregierung gilt als emotionaler als Dobrindt. Dobrindts offizielle Reaktion auf den Sieg im Ranking war dann doch eher sachlich nüchtern: "Deutschland verteidigt den Weltmeistertitel und bleibt auch 2016 Logistikweltmeister!" Mit diesen Worten wird er in einer Presseerklärung seines Hauses zitiert. Das Ausrufezeichen am Ende des Satzes muss man wohl als den Knierutscher des CSU-Politikers ansehen. Deutschland hat es also wieder geschafft - zum dritten Mal nach 2014 und 2010 (2012: Vierter; 2007: Dritter). Und mit 4,23 Punkten bei der diesjährigen Logistik-WM konnte sich Deutschland sogar gegenüber dem letzten Ranking um 0,11 Punkte verbessern. Also alles in bester Ordnung? Ja und nein. Ganz oben zu stehen ist eine Leistung. Aber: Die anderen können auch Logistik und haben aufgeholt. Deutschlands Vorsprung auf Vize-Weltmeister Luxemburg beträgt 0,01 Punkte - knapper geht es nicht. Selbst der Atem des Viertplatzierten - die Niederlande - ist angesichts eines Minimalabstandes von 0,04 Punkten hautnah zu spüren. Von den Top-Ten haben bis auf Belgien, Großbritannien und die USA alle Staaten punktemäßig stärker zugelegt als Deutschland (siehe linke Tabelle Seite 14). Hielte dieser Trend an, wäre Deutschland beim Ranking 2018 aus den Top 3 verschwunden. Doch warum hat Deutschland wieder die Krone aufgesetzt bekommen? Dazu muss man wissen, dass der LPI sich aus sechs Kategorien zusammensetzt und daraus das Gesamtranking gebildet wird (siehe Kasten Seite 15). Eine Kategorie ist die Infrastruktur. Und womöglich ist das Ergebnis in dieser Sparte mit schwarz-rot-goldener Brille besehen die größte Überraschung: Denn hier belegt Deutschland Platz eins (siehe linke Tabelle Seite 15), wo doch hierzulande viel über marode Brücken, alte Schleusen, fehlende Trassen und kilometerlange Staus gestöhnt wird. Klagen auf hohem Niveau Zum einen zeigt das Resultat: Hier wird auf hohem Niveau geklagt. Im Vergleich zu den allermeisten Staaten der Erde ist der Zustand der Infrastruktur in der Bundesrepublik exzellent. Aber: Die Vielzahl der Verkehrswege erweist sich immer mehr als eine Last. Das weitverzweigte Netz zu erhalten, erfordert einen enormen Aufwand. Das weiß auch Dobrindt. "Wir erhöhen die Investitionen in die Infrastruktur dauerhaft um rund 40 Prozent auf circa 14 Milliarden Euro im Jahr. Davon werden auch in Zukunft unsere Logistiker profitieren", sagte der Verkehrsminister angesichts der Auszeichnung zum Logistikweltmeister. Zudem ist zu beachten, dass nach der Qualität der Handels- und Transportinfrastruktur gefragt wurde. Es dürfte also um mehr als nur um Verkehrswege gehen, so zum Beispiel auch um Logistikzentren. Den Weltmeistertitel (wie auch dessen möglichen Verlust 2018) kann sich jedoch nicht nur die Politik ans Revers heften. Denn bei den abgefragten Kategorien ist für einige der jeweilige Staat verantwortlich (neben der Infrastruktur zum Beispiel die Verzollung und Grenzabfertigung), für andere wiederum sind es die Wirtschaft und die Logistikunternehmen selbst wie bei der Termintreue, der Logistikqualität und -kompetenz sowie dem Preis-Leistungs-Verhältnis internationaler Sendungen. Gerade in der letzten Rubrik gibt es aus deutscher Sicht offenbar Nachholbedarf. Es ist die einzige Disziplin, in der Deutschland nicht unter den ersten Drei landet. Und auch der Abstand zum Ersten Niederlande ist mit 0,38 Punkten durchaus spürbar (siehe linke Tabelle Seite 16). Und wie steht es um die Konkurrenten von Deutschland? Bei den Top Ten im LPI fällt auf, dass sich darunter viele alte Bekannte tummeln (siehe linke Tabelle Seite 14). Neu dabei sind Österreich mit dem größten Sprung nach vorne unter den zehn besten Logistikstaaten sowie Hong Kong. Dafür sind Norwegen (abgerutscht auf Platz 22) und Japan (Zwölfter) nicht mehr ganz vorne zu finden. "Bei den Spitzenreitern sind die Werte für die Logistikperformance so hoch wie nie, doch die Unterschiede zu den Letztplatzierten wachsen", sagt Christina Busch von der Weltbank, Mitautorin der Studie. Lag der Durchschnittswert für die untersten zehn Länder in der ersten LPI-Erhebung 2007 noch bei 1,84 und der Wert für die obersten zehn Länder bei 4,06, lauten die Werte in diesem Jahr: 1,91 zu 4,31. "Die Schere zwischen den best- und letztplatzierten Ländern ist 2016 erstmals wieder ein Stück aufgegangen", bedauert Busch. Dass man sich als Land mit schwierigen Rahmenbedingungen auch immer weiter verbessern kann, beweist Indien. Das Land kletterte von Platz 54 auf Rang 35 und konnte auch seine Punktezahl 2016 deutlich erhöhen (siehe mittlere Tabelle Seite 14). China kommt 2016 nicht wirklich von der Stelle, während Russland weiter nach hinten rutscht. Im Vergleich zu diesen Ländern schneidet der deutsche Logistikstandort auch von der Punktzahl her deutlich besser ab. Da kann man sich doch schon mal selbst feiern und die Sektkorken knallen lassen - auch wenn der zuständige Minister sich eher nüchtern gibt. Mehr zum Thema im Dossier "Logistikregionen" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Methodik des LPI So wird der Index ermittelt - Der LPI ist das Ergebnis einer Befragung von 1051 Logistikexperten aus Unternehmen, die aus 132 Staaten stammen.- Abgefragt wurden sechs Kategorien: Verkehrs- und Handelsinfrastruktur, Grenzabfertigung/Zollabwicklung, Dienstleistungsqualität, Tracking & Tracing, Termintreue und Preis-Leistungs-Verhältnis internationaler Warensendungen.- Die Teilnehmer konnten bei den Fragen Bewertungen vornehmen zwischen 1 (sehr niedrig) und 5 (sehr hoch). 5 ist also der maximal mögliche Wert.cd

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