"CO2-Reduktion von 95 Prozent"

Welches sind für Sie die wichtigsten Ergebnisse des jüngsten Klimaabkommens von Paris? Der größte Erfolg ist, dass erstmals in einem völkerrechtlichen Vertrag vereinbart wurde, die von Menschen verursachte Erwärmung der Erdatmosphäre unter zwei Grad Celsius zu halten. Außerdem wurde festgeschrieben, dass der Ausstoß von Treibhausgasen deutlich reduziert und in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz erreicht werden muss. Was bedeutet dies konkret? Das heißt, es dürfen nur so viele Treibhausgase - kurz THG - in die Atmosphäre gelangen, wie ihr gleichzeitig auch wieder entzogen werden - beispielsweise durch Wälder. Für ein Industrieland wie Deutschland heißt dies, dass wir unsere THG-Emissionen ab 2050 nahezu gegen Null laufen lassen müssen - also so gut wie kein CO2 oder andere Treibhausgase in die Umwelt gelangen dürfen. Dies bedeutet eine Reduktion der Emissionen um rund 95 Prozent gegenüber 1990. Momentan hat Deutschland die THG-Emissionen seit dem Referenzjahr um rund 27 Prozent verringert. Es bleibt also noch viel zu tun. Welche Auswirkungen hat das Abkommen für den Bereich Verkehr und Logistik? Da sich die Bereiche Landwirtschaft und Industrie nicht komplett dekarbonisieren lassen, werden Sektoren wie Energieerzeugung oder auch gerade der Verkehr auf jeden Fall nahezu komplett treibhausgasneutral werden müssen. Und wie soll das Ziel erreicht werden? Dies geht nur durch einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Damit führt kein Weg an der Elektromobilität vorbei, da diese am effizientesten arbeitet. Je früher wir diesen Weg einschlagen, desto reibungsloser lässt er sich gestalten. Aber im Güterverkehr lassen sich doch nicht alle Verkehrsmittel auf elektrische Antriebe umstellen. Das stimmt. In der Schifffahrt und der Luftfahrt werden deshalb flüssige oder gasförmige Kraftstoffe genutzt, die aber durch erneuerbar erzeugten Strom hergestellt werden. Die Stichworte lauten hier Powerto-Liquid und Powerto-Gas. Soll auch der Lkw-Güterfernverkehr elektrifiziert werden? Auch hier lässt sich Powerto-Liquid und Powerto-Gas einsetzen. In diesem Bereich ist es aber deutlich effizienter, elektrischen Strom direkt für den Antrieb zu nutzen. Denn bei der Umwandlung von Strom in Kraftstoff gibt es immer einen Energieverlust - auch wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Aber Batterien im Lkw-Fernverkehr sind aufgrund der hohen Gewichte wenig sinnvoll. Richtig. Deshalb favorisieren wir auch den Oberleitungs-Lkw. Dieser Hybrid-Lkw zieht auf Autobahnen seinen Strom aus einer Oberleitung und fährt hier elektrisch. Abseits der Fernstraßen wird auf einen Dieselantrieb umgeschaltet, der zukünftig idealerweise Powerto-Liquid nutzt. Im kommenden Jahr soll übrigens die Entscheidung für eine Teststrecke auf einer Autobahn in Deutschland für diese Technologie fallen. Ist eine solche Oberleitungs-Infrastruktur nicht viel zu teuer und aufwendig? Nein, die Investitionen sind vertretbar, es muss aber in Europa der politische Wille bestehen, ein solches Netz aufzubauen. Die Kosten verringern sich übrigens für alle, wenn wir weniger Energie verbrauchen - das heißt für den Güterverkehr, den energieeffizientesten Verkehrsträger einzusetzen. Nicht selten ist dies die Bahn. Welche Rolle spielen künftig Gas-Antriebe mit CNG oder LNG? Das sind für uns wichtige Übergangstechnologien, die vor allem in der Schifffahrt dafür sorgen können, kurzfristig die Emissionen von Luftschadstoffen deutlich zu senken. Außerdem können diese Kraftstoffe zukünftig durch Powerto-Gas ersetzt werden. Langfristig sind aber weder CNG noch LNG eine Lösung, da sie nicht treibhausgasneutral sind. Und Biokraftstoffe? Lebensmittel in Kraftstoffe zu verwandeln, ist aus unserer Sicht nicht nachhaltig. Zwar lassen sich Biokraftstoffe auch aus pflanzlichem Rest- und Abfallstoffen herstellen, die vorhandenen Mengen sind aber viel zu gering, um den Bedarf des Verkehrs weltweit zu decken. Deshalb ist dies kein nachhaltiger Weg. Klimaneutralität lässt sich langfristig also nur durch nachhaltige Stromerzeugung erreichen? Ja, das ist richtig. Je nach Region gehört Wind, Sonne, Wasserkraft und Geothermie die Zukunft. Mit welchen Maßnahmen müssen Logistiker schon in den kommenden Jahren rechnen? Wir werden den verstärkten Einsatz elektrischer Antriebe im Straßengüterverkehr als erstes bei der Innenstadtbelieferung sehen. Für den Fernverkehr müssen erst einmal Politik und Wirtschaft eine Infrastrukturentscheidung treffen. Entweder den Oberleitungshybrid-Lkw vorantreiben oder als zweitbeste Lösung den LNG-und dann im zweiten Schritt den Powerto-Gas-Antrieb forcieren. Zwischenschritte werden Hybrid-Antriebe sein. Wird es gesetzliche Maßnahmen geben? Es wäre wünschenswert, dass beispielsweise die Lkw-Maut künftig eine CO2-Komponente enthalten wird, wodurch alternative Antriebe gefördert werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Grüne Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Zur Person Martin Schmied (Jahrgang 1969, geboren im schwäbischen Ellwangen an der Jagst) leitet seit September 2015 die Abteilung "Verkehr, Lärm und räumliche Entwicklung" im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau. Von 2012 bis 2015 war Schmied Bereichsleiter Verkehr und Umwelt des Schweizer Beratungs- und Forschungsinstituts Infras in Bern. Von 1999 bis 2012 arbeitete der Diplom-Umwelttechniker (TU Berlin) als stellvertretender Leiter der Abteilung Infrastruktur und Unternehmen beim Berliner Öko-Institut. ak Behörde Umweltbundesamt Das Umweltbundesamt (UBA) untersteht als zentrale deutsche Umweltbehörde dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Zu den Aufgaben des Amtes zählt neben der zur Verfügungstellung von Umweltinformationen auch die wissenschaftliche Unterstützung der Bundesregierung und verschiedener Ministerien, darunter auch das Verkehrsministerium. Außerdem vollzieht die Bundesbehörde Umweltgesetze wie den Emissionsrechtehandel oder die Zulassung von Chemikalien. Insgesamt beschäftigt das Umweltbundesamt mit Hauptsitz in Dessau (Sachsen-Anhalt) rund 1500 Mitarbeiter an 13 Standorten, dazu gehören auch die sieben Messstellen des eigenen Luftmessnetzes. ak

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