CO2-Ausweisung in der Praxis

Die neue Regel gilt seit dem 1. Oktober 2013: Jeder Spediteur, der eine Ladung von oder nach Frankreich transportiert, muss seinem Kunden mitteilen, wie viel schädliches Treibhausgas dabei entstanden ist. So schreibt es ein Dekret vor, das vom französischen Verkehrsministerium erlassen wurde. Davon gehört hat sicher der eine oder andere, aber was bedeutet es eigentlich, die Regel mit dem sperrigen Kürzel 2011-1336 in der Praxis umzusetzen? Zwei mittelständische Transportdienstleister wollten es wissen: Die Speditionen Häberle aus Schwäbisch Gmünd und Kleyling aus Breisach am Rhein haben unlängst eine CO2-Berichterstattung nach französischem Rezept eingeführt. Unterstützung bekamen sie dabei vom Steinbeis-Beratungszentrum Spedition und Logistik (SBZ-SL) in Heilbronn. Das Ergebnis des Versuchs: Selbst eine Spedition ohne Vorerfahrung kann eine CO2-Berechnung binnen weniger Monate aufbauen - wenn sie fachkundige Hilfe hat. Kleyling und Häberle weisen CO2 aus Warum überhaupt der Aufwand? "Unser Hauptgeschäft sind Frankreich-Verkehre", erklärt Jörg Wendlandt von Kleyling, "wir wollten bei diesem Thema vorangehen." Der andere Projektpartner, Häberle, hat zwar überwiegend deutsche Kunden, hält das Thema grüne Logistik jedoch insgesamt für wichtig. "Wir gehen davon aus, dass eine Regelung wie das Dekret künftig in ganz Europa gilt", erklärt Gerald Luther, Qualitätsmanager beim schwäbischen Transportunternehmen. Deshalb haben die beiden Betriebe das Projekt mit einem klaren Ziel gestartet: Sie wollen in Zukunft dem Kunden eine CO2-Bilanz vorlegen können, entweder bezogen auf den einzelnen Transport oder als monatliche Auswertung. Die Koordination übernahm das SBZ-SL. Es verschickte in einem ersten Schritt an die Speditionen einen elektronischen Fragebogen auf Excel-Basis. Darin mussten alle eingesetzten Fahrzeuge mit Schadstoffklasse und aktuellen Verbrauchswerten verzeichnet werden. Dann verfolgten die Speditionen zwei Monate lang ihre Touren und legten Details nach. Welches Fahrzeug wurde eingesetzt? Wie hoch war das Gewicht? Welche Entfernung wurde zurückgelegt und wie viele Zwischenstopps gab es? Diese Daten wurden gesondert für Stückgutverkehre, Teil- und Komplettladungen erfasst - schließlich ist unter Umweltaspekten kein gefahrener Kilometer wie der andere: Ein LKW, der mit einer kompletten Ladung eine große Distanz zurücklegt, stößt vergleichsweise wenig CO2 aus, weil er keine Zwischenstopps einlegt. Ganz anders ist die Lage, wenn die Ladung über kurze Distanz von einem Stückgutnetzwerk befördert wird. Hier kommt es zu etlichen Zwischenstopps, die den Verbrauch hochtreiben. Solche Unterschiede müssen in der Klimabilanz berücksichtigt werden. Echte Verbrauchsdaten ermitteln Grundsätzlich fordert das französische Dekret, tatsächliche Daten zu verwenden - vorausgesetzt, der Betrieb nutzt seinen eigenen Fuhrpark. Nur wenn Subunternehmer zum Einsatz kommen, darf bei der Berechnung auf Vorgabewerte des französischen Verkehrsministeriums zurückgegriffen werden. In diesem Punkt unterscheidet sich das Dekret deutlich von der DIN EN 16258, dem Standard, der bei der CO2-Berechnung in der Logistik normalerweise zum Einsatz kommt. Er räumt dem Spediteur größere Freiheiten ein. So kann er bei der Berechnung des CO2-Ausstoßes fremde Vorgabewerte verwenden, wenn er die Wahl gut begründet. Er könnte zum Beispiel auf Zahlen des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) oder der VerkehrsRundschau zurückgreifen, die schon 2011 Durchschnittswerte zum Dieselverbrauch pro Tonnenkilometer veröffentlicht haben. Das Dekret dagegen verlangt im Betrieb ermittelte Verbrauchswerte. Trotz der detaillierten Fragebögen halten die Speditionen den Erhebungsaufwand in der Praxis für überschaubar. "Die Daten hatten wir schon in unserer internen Software, das war nur ein Knopfdruck", sagt Jörg Wendlandt von Kleyling. Er schätzt, dass insgesamt rund 20 Mannstunden für die Datenerhebung im Haus nötig waren. Die Kosten beziffert er auf rund 3000 Euro, wobei die Hälfte der Summe über einen sogenannten Innovationsgutschein des Landes Baden-Württemberg gegenfinanziert wurde. CO2-Bilanz auf Knopfdruck Nachdem die Auswertungsperiode von zwei Monaten vorbei war, gingen die Excel-Listen zurück an das SBZ-SL. Dort generierte ein Team um Professor Dirk Lohre das eigentliche Berechnungswerkzeug, das wiederum auf Excel-Basis funktioniert. Mit seiner Hilfe kann ein Speditionsmitarbeiter jetzt, nachdem ein Auftrag abgeschlossen wurde, eine CO2-Bilanz erstellen. Die Eingabe von einigen Eckdaten reicht. Damit die Kalkulation aktuell bleibt, planen die Speditionen, alle zwei Jahre ihre Verbrauchswerte neu zu erheben. So könnten die Kunden auf ihrer Rechnung erkennen, wenn der Betrieb etwas in Sachen Umweltschutz getan hat. Die Anschaffung neuer, emissionsarmer LKW oder Fahrerschulungen würden sich in den Zahlen sofort niederschlagen. Sowohl Kleyling als auch Häberle treiben solche Aktivitäten voran. Natürlich: Die französische Methode ist aufwendig. Es wäre sicher einfacher, Vorgabewerte bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks (Carbon Footprint) zu verwenden. Aber das Pilotprojekt hat gezeigt, dass Realdaten einfach genauer sind, weil der CO2-Ausstoß von Spediteur zu Spediteur schwankt. "Es gab leicht unterschiedliche Produktivitäten", sagt Ruben Gotthardt, Projektleiter aufseiten des SBZ-SL. Die Gründe für unterschiedliche Emissionen sind oft ganz einfach: Liegt ein Transportbetrieb in einer bergigen Gegend, treibt allein das die Emissionen in die Höhe. Bislang ist die Umweltbilanzierung noch mit viel manuellem Aufwand verbunden. Mitarbeiter der Speditionen mussten die Daten der Touren von Hand einzeln in die Excel-Tabelle übertragen. Diese Arbeit könnte jedoch bald der Vergangenheit angehören. "Die Tendenz geht mittel- und langfristig sicher zur Automatisierung", meint SBZ-SL-Berater Gotthardt. Sprich: Die interne Speditionssoftware gibt die Klimabilanz von selbst aus. Gotthardt räumt aber auch ein, dass die dafür nötigen Investitionen erst getätigt würden, wenn das Interesse der Verlader an grüner Logistik zunehme. Und das ist aktuell nicht der Fall. Seit 2013 ist der Klimaschutz vielerorts auf der Agenda eher nach unten gerutscht. Das hat zum Beispiel eine aktuelle Umfrage der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) unter Entscheidern aus der Handelslogistik ergeben: Hier landete das Thema Nachhaltigkeit auf dem letzten Platz von fünf Trendthemen. Kunden fragen Daten kaum nach Diese Zurückhaltung spüren auch die Beteiligten am Gemeinschaftsprojekt. "Bislang fragt kein Kunde danach", heißt es von Häberle. Man vermutet, dass beim einen oder anderen die Angst vor zusätzlichen Kosten für den CO2-Ausweis mitspielt. Sie ist unbegründet, da die Auswertung kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Bei der Spedition Kleyling verlangt zumindest ein Kunde den CO2-Ausweis auf der Rechnung. Aufseiten der französischen Behörden gibt es derweil keine Kontrollen. Insofern besteht für das Transportgewerbe sicher kein akuter Handlungsbedarf. Doch das sollte kein Grund sein, sich zurückzulehnen, finden die beteiligten Speditionen. Ein neuer Impuls in Sachen Nachhaltigkeit könnte übrigens noch in diesem Jahr von der Politik kommen: Im Dezember findet in Paris eine Kyoto-Nachfolgekonferenz statt, auf der neue Gesetzesvorhaben losgetreten werden könnten. Mit guter IT den Schritt wagen Strich drunter: Was raten die Pioniere anderen Speditionen, die sich ebenfalls für die Umweltbilanz nach französischem Rezept interessieren? "Die Frage ist: Wollen Sie das Thema zu einem Markenzeichen machen?", gibt Jörg Wendlandt von Kleyling zu bedenken. Wenn ja, sei eine dekretkonforme Berechnung ein guter Einstieg. Die Projektpartner sind sich einig: Vor allem Speditionen, die über eine gute IT verfügen und die geforderten Daten leicht erheben können, sollten diesen Schritt wagen. Fachkonferenz CO2-Emissionen in der Logistik Wie Verlader und Logistikdienstleister Treibhausgas-Emissionen erfassen und Vorgaben wie das französische Dekret 2011-1336 in der Praxis umsetzen, erörtern namhafte Experten wieder auf der 6. VerkehrsRundschau-Fachkonferenz"CO2-Emissionen in der Logistik" Erläutert werden am 26. März in Düsseldorf-Neuss auch Bestrebungen, einen international gültigen Berechnungsstandard zu entwickeln, der aber teilweise wieder von der europäischen Norm DIN EN 16258 abweichen soll. Außerdem auf dem Programm steht die Bilanzierung von grünem Strom. Gerade in diesem Bereich fehlen immer noch einheitliche Standards, sodass viele Unternehmen vor der schwierigen Aufgabe stehen, nachhaltig produzierte elektrische Energie methodisch korrekt in den Umweltberichten auszuweisen. Ergänzt wird die Fachkonferenz außerdem durch ein Praxisseminar am 25. März, bei dem in diesem Jahr "die häufigsten Fehler bei der CO2-Berechnung in Transport und Lager" analysiert werden. Abonnenten der VerkehrsRundschau und Frühbucher (bis zum 4. Februar) können die beiden Veranstaltungen zum Vorteilspreis buchen. Weitere Infos und das komplette Programm unter verkehrsrundschau.de/events. ak Hintergrund Das Dekret 2011-1336 auf einen Blick Was wird vom Spediteur verlangt?Er muss dem Kunden mitteilen, welche CO2-Menge aufgrund des Transports entstanden ist - Vor- und Nachläufe eingerechnet. Die Daten sind spätestens zwei Monate nach Erbringung der Leistung bereitzustellen.Welche Daten muss ein Betrieb dafür erheben?Speditionen mit mehr als 50 Mitarbeitern müssen ab 2016, sofern sie Transporte selbst ausführen, tatsächliche Werte bei der Emissionsberechnung verwenden. Dafür müssen während einer Erhebungsphase folgende Größen für jede Tour gemessen werden: Dieselverbrauch, Auslastung, Leerfahrtenanteil, Entfernung und Sendungen pro Empfänger. Außerdem müssen genaue Angaben zum Fuhrpark gemacht werden (Kennzeichen, Typ, Verbrauch, Schadstoffklasse).Welche Daten muss ein Betrieb dafür erheben?Die Berechnungsmethode ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Stückgutverkehre, Teiloder Komplettladungen handelt. Für Komplettladungen lautet die Formel zum Beispiel:CO2-Emissionen = durchschnittlicher Dieselverbrauch * Gewicht * Entfernung * EmissionsfaktorDer Emissionsfaktor wird vom französischen Verkehrsministerium festgelegt. Er gibt an, wie viel Emissionen eine bestimmte Energiequelle, etwa Diesel, beim Verbrennen erzeugt. cg

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