Berlin. Ein Fahrzeug fährt eine Straße entlang, es muss einem Hindernis ausweichen, links eine Frau mit Kinderwagen, rechts ein Rentner. Wie würden Sie entscheiden? Genau mit dieser Frage beschäftigt sich eine von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzte Ethik-Kommission für computergesteuerte Fahrzeuge, die am Freitag, 30. September ihre Arbeit aufnimmt. Das Expertengremium unter Vorsitz des früheren Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio soll Leitlinien für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme entwickeln. Dabei soll nach Worten Dobrindts unter anderem gelten, dass ein Sachschaden einem Personenschaden immer vorzuziehen ist.
Die Bundesregierung feilt gerade an einem Rechtsrahmen für autonomes Fahren. Nach dem Plan von Verkehrsminister Dobrindt sollen sich Fahrer abwenden können, um beispielsweise Zeitung zu lesen, E-Mails zu schreiben oder Filme anzusehen. Der Fahrer soll aber „wahrnehmungsbereit“ sein und hat die Pflicht für ein „Mindestmaß an Aufmerksamkeit“. Auch Haftungsfragen beim autonomen Fahren müssen geklärt werden.
Welche Entscheidungen das Fahrzeug treffen darf, ist dagegen noch weitgehend ungeklärt. Während ein Fahrer in Gefahrensituationen spontan reagiert, müssen die Grundlagen für solche Entscheidungen in einem autonomen Fahrzeug durch Programmierer gelegt werden. „Das Dilemma wird kommen“, sagte Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber am Rande des Pariser Autosalons. „Deshalb ist es gut, sich möglichst früh mit diesen Fragen zu beschäftigen.“
Leben nicht gegen Leben aufwiegen
Rechtsexperten gehen davon aus, dass nach der bisherigen Auffassung Leben nicht gegen Leben aufgewogen werden kann. Sie verweisen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Es traf diese Entscheidung Anfang des Jahres, als es um den Abschuss von Flugzeugen ging, die von Terroristen für einen Anschlag gekapert werden. Ein Roboterfahrzeug dürfte demnach nicht so programmiert werden, dass es beispielsweise eine Frau mit einem Kinderwagen schont und stattdessen beim Ausweichen einen älteren Menschen trifft. Eine andere Frage dürfte sein, ob der Computer unmoralisch oder gar rechtswidrig handeln darf, um beispielsweise Hindernissen auszuweichen.
Die Hersteller selbst sind bei der Frage, wer über Leben und Tod entscheiden darf, noch gemischter Meinung. Einig ist man sich nur in der Frage, dass autonome Systeme Unfälle vermeiden können. Der Hersteller Daimler hat im vergangenen Jahr versucht, in einem Weißbuch Antworten auf diese Fragen zu finden – eindeutige Aussagen blieben aber aus. „Ich bin aber sicher, dass wir Lösungen finden können“, sagte Entwicklungsvorstand Weber. (dpa)