Brüssel. Die EU-Kommission will sich nicht mit dem deutschen Mindestlohn in seiner gegenwärtigen Form abfinden. Sie hat am Dienstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Kritisch sieht man in Brüssel vor allem, dass ausländische Unternehmen auch für Transitfahrten den Mindestlohn zahlen sollen. Die damit verbundenen Dokumentationspflichten sollen ausländische Transportunternehmen systematisch benachteiligen
Unmittelbar nachdem der deutsche Mindestlohn Anfang des Jahres eingeführt wurde, hatten sich Transportfirmen aus Osteuropa aber auch aus Holland und Frankreich über die neuen Vorschriften beschwert. Verdruss herrscht vor allem darüber, dass die deutschen Behörden umfangreiche Dokumentationen verlangen. Wer gegen die Mindestlohnvorschriften verstößt, dem droht der deutsche Gesetzgeber ruinöse Bußgelder an.
Kommission sieht einen Verstoß gegen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr
Nach monatelangen Verhandlungen mit der Bundesregierung hat die Kommission Berlin jetzt mitgeteilt, was ihr am deutschen Mindestlohngesetz nicht gefällt. Dass man für alle Transporte auf deutschen Straßen und Schienen unterschiedslos den Mindestlohn zahlen müsse, verstoße gegen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr. Es sei unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt, dass Deutschland die Zahlung des Mindestlohns auch für den internationalen Verkehr verlange. Dadurch würden Transporte im Europäischen Binnenmarkt unverhältnismäßig behindert. Um Sozialdumping auf den deutschen Straßen zu verhindern, gebe es andere Maßnahmen, die sozialpolitisch die gleiche Wirkung erzielten, den freien Warenverkehr aber weniger behindern.
Der Generaldelegierte der IRU, Michael Nielsen, verlangte ein sofortiges „Moratorium“ des Mindestlohns für internationale Transporte in Deutschland, bis das Vertragsverletzungsverfahren abgeschlossen sei. „Ich hoffe, dass andere Mitgliedsstaaten auf vergleichbare Maßnahmen verzichten.“ Der verkehrspolitische Sprecher der Union im Europäischen Parlament, Markus Ferber, begrüßte die Entscheidung der Kommission. Die Bundesregierung sollte dies zum Anlass nehmen, das Mindestlohngesetz zu überarbeiten. Die EU falle sonst „zurück in nationale Fragmentierung, Schlagbaummentalität und protektionistisches Gehabe“, ergänzte die FDP-Abgeordnete Gesine Meißner.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Michael Cramer (Grüne), hätte sich gewünscht, dass die Kommission „ebenso konsequent gegen Sozialdumping vorgeht“. Sein Fraktionskollege Tierry Reintke kritisierte: „Statt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, sollte die EU-Kommission bei der Unterwanderung von Mindestlöhnen härter durchgreifen.“ Die Bundesregierung hat zwei Monate Zeit, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Danach kann die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. (tw)
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