Brüssel. Nach wochenlanger Zwangspause in der Corona-Krise wollen die Europäische Union und Großbritannien endlich die Klärung ihrer künftigen Handelsbeziehungen vorantreiben. Beide Seiten starteten am Montag die erste von drei einwöchigen Verhandlungsrunden per Videokonferenz. Die Zeit drängt, denn zum Jahresende endet die Brexit-Übergangsfrist. Gelingt bis dahin kein Abkommen, droht ein harter Bruch mit heftigen Turbulenzen für die Wirtschaft.
Nach einer ersten Verhandlungsrunde Anfang März hatten beide Seiten festgestellt, dass ihre Vorstellungen weit auseinanderliegen. Am 19. März gab EU-Unterhändler Michel Barnier eine Infektion mit dem Coronavirus bekannt, und auch sein britischer Kollege David Frost begab sich in Quarantäne. Zuletzt liefen nur Expertengespräche über mögliche Vertragstexte. Nun müssten bis Juni greifbare Fortschritte erzielt werden, bekräftigte Barnier am Montag auf Twitter. Er werde am Freitag über Ergebnisse informieren.
Corona-Folgen ohne Folgeabkommen noch erheblicher
Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte, der Brexit treffe die Unternehmen zusätzlich zur Corona-Krise. „Noch fataler wären die Auswirkungen bei einem Ende der Übergangsphase ohne Folgeabkommen“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang der Deutschen Presse-Agentur. „Die Zeit ist mehr als knapp.“ Die Unterhändler müssten sämtliche Optionen des Austrittsvertrags genau prüfen, „um einen harten Bruch unbekannten Ausmaßes zu verhindern“.
Zur neuen Verhandlungsrunde sagte eine britische Regierungssprecherin am Montag nur: „Wir erwarten weiterhin konstruktive Gespräche mit dem Ziel, noch vor Juni Fortschritte zu machen.“ Es solle auf den bisherigen Gesprächen aufgebaut werden. Dabei habe man festgestellt, bei welchen Themen es Einigkeit und wo es noch Differenzen gebe.
Der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, David McAllister, bedauerte, dass wegen der Pandemie Zeit verloren worden sei. Auch seien digitale Verhandlungen erfahrungsgemäß schwieriger als direkte Gespräche. Dennoch sei zu hoffen, dass beide Seiten zu vertretbaren Ergebnissen kämen, erklärte der CDU-Politiker. (dpa/sn)