Interview: "Brauchen einen langen Atem"

Das E-CMR -Zusatzprotokoll existiert seit 2008, Deutschland hat es immer noch nicht ratifiziert. Liegt dies an der Politik oder den Unternehmen? Man behauptet gerne, das deutsche Transportgewerbe sei nicht sehr technikaffin. Die verladende Wirtschaft fordert aber zunehmend die Digitalisierung ein. Je weiter wir diesen Gedanken in unsere Branche transportieren, bekommen wir gespiegelt, dass auch die Transportunternehmen an einer papierlosen Abwicklung interessiert sind - sie haben ja auch viele Vorteile dadurch. Die Bundesregierung jedenfalls plant, das Zusatzprotokoll noch in dieser Legislaturperiode zu ratifizieren, sodass der Weg für die elektronische Abwicklung des innereuropäischen Transports frei wird. Wie geht es nach Abschluss des Projekts im Spätsommer weiter? Bedauerlicherweise können im aktuellen Projekt aus technischen Gründen keine intermodalen Transporte abgebildet werden. Wir hören aber immer wieder, dass insbesondere im Kombinierten Verkehr das Interesse an der digitalisierten Transportkette sehr groß ist. Die Umsetzung der intermodalen Transporte muss also auf der Agenda höchste Priorität haben. Als künftige Erweiterung könnte ich mir vorstellen, dass neben der schon jetzt möglichen Schadensdokumentation später einmal das Thema Palettentausch über die App abgewickelt werden könnte. Kann der elektronische Frachtbrief mit der Echtzeit-Abbuchung der Transaktion, etwa mittels der Blockchain-Technologie, kombiniert werden? Das wurde und wird intensiv diskutiert. Gerade die IRU sieht eine schnelle Fakturierung als ein wichtiges Projektziel. Echtzeit-Bezahlung mittels Blockchain hat also durchaus seinen Reiz. Ich fürchte aber, dass wir davon noch ein gutes Stück entfernt sind. Jetzt gilt es erst mal, den ganz profanen Transport über alle Verkehrsträger hinweg digital abzubilden. Dazu muss man die Unternehmen aber erst einmal dazu bringen, ihre Fahrzeuge mit Smartphones oder anderer entsprechender Technik auszustatten. Scheitert es wirklich schon daran? Bei gut der Hälfte der von uns für den Feldversuch angefragten Firmen hatten die Fahrer zwar ein Smartphone - aber nur ihr privates. Die Digitalisierung von sensiblen Dokumenten und der Bring-Your-Own-Device-Ansatz vertragen sich allerdings nicht. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die Anwendung auf allen üblichen Betriebssystemen, also sowohl Android als auch IoS, funktioniert. Wird sich der digitale Frachtbrief am Ende durchsetzen? Dafür braucht es einen langen Atem. Wir haben aus den bisherigen Tests gelernt, dass es viele Unternehmer aus der jüngeren Generation gibt, für die der digitale Frachtbrief ein logischer Schritt in die Zukunft ist. Auch für die großen Dienstleister mit ihren gut ausgestatteten IT-Abteilungen stellt die Digitalisierung kein Problem dar. Dazwischen liegt leider wenig. Jetzt liegt es an uns, die noch analog operierenden Unternehmen zu überzeugen. Der Handlungsdruck seitens der verladenden Wirtschaft wird sicher nicht kleiner. In wenigen Jahren kann es heißen: Entweder ihr fahrt für uns digital - oder eben gar nicht. Unternehmen tun also gut daran, sich jetzt schon mit diesem Szenario auseinanderzusetzen.