BLG Logistics Group

BLG Logistics Group „Wir wollen den Umsatz verdoppeln“ Der Strukturwandel in der Automobilbranche hat die BLG Logistics Group kalt erwischt. Wie Vorstandschef Detthold Aden das Ruder herumreißen will, verrät er im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. Sie haben mal gesagt: „Wenn ich von dem Parkhaus-Dach unseres Bremerhavener Autoterminals blicke, könnte ich sofort sagen, in welchem Zustand sich die Automobilbranche und damit die Logistik gerade befindet.“ Und welchen Eindruck haben Sie gestern gewonnen? Ist die Krise in der Logistik vorbei? Detthold Aden: Ja und nein. Das Exportgeschäft läuft in allen deutschen Seeterminals hervorragend, weil die deutsche Automobil-industrie Luxuskarossen insbesondere nach China und in die USA exportiert. Was allen Seehäfen fehlt, auch Bremerhaven, ist das Importvolumen. Zum einen, weil der deutsche Markt durch die Abwrackprämie 2009 für kleinere Fahrzeuge asiatischer Automobilhersteller wie Toyota, Hyundai und Kia gesättigt ist. Zum andern, weil diese inzwischen alle in Osteuropa gebaut haben und dort produzieren, um noch näher in ihren künftigen Wachstumsregionen Russland und Osteuropa zu sein. Auch dieses Volumen fehlt uns in Bremerhaven im Import. Wie wirkt sich diese Importschwäche auf die Ertragssituation der BLG aus? Höhere Erträge lassen sich natürlich mit dem Importgeschäft erzielen. Da lagern die Fahrzeuge länger, da verdienen wir Lagergeld. Zudem müssen die Autos in großen Werkstätten technisch bearbeitet werden. Die BLG war, um nur ein Beispiel zu nennen, vor der Wirtschaftskrise mit 500 KFZ-Mechanikern die größte Autowerkstatt Europas. Im Spitzenjahr 2008 hatten wir 450.000 PKW, und dieses Jahr rechnen wir etwas mehr als einem Drittel dieser Zahl. Natürlich wirkt sich das auf unsere Ertragssituation aus. 2008 lag unser Ergebnis vor Steuern (EBT) bei 84 Millionen Euro, im Krisenjahr 2009 sackte dieses um fast 80 Prozent ab und im letzten Jahr dürften wir gut 30 Millionen Euro EBT geschafft haben. Was tun Sie, um diese massiven Einbrüche aufzufangen? Ohne Blessuren geht das nicht. Am stärks-ten traf es unsere Leiharbeiter. Das Stammpersonal konnten wir halten.Allerdings mussten wir fallweise die Mitarbeiter anderweitig im Unternehmen beschäftigen. Unser vorrangiges Ziel war es ja nicht, Kos-ten zu sparen. Uns war und ist es viel wichtiger, qualifizierte Mitarbeiter nicht abbauen zu müssen. Wir brauchen diese Menschen, wenn die Nachfrage wieder anspringt. Das ehrt Sie: Den Gewinn bekommen Sie so aber nicht nach oben! Dieses Beispiel war ja auch nur eine von vielen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, um dem Strukturwandel zu parieren. Wenn sich die Warenströme, wie nun geschehen, so dramatisch ändern, muss ein Unternehmen viele Hebel ansetzen. Zum Beispiel Preise anheben? Auch das. Die Importschwäche wirkt sich ja auch auf das Transportgeschäft aus. Unsere Automobiltransporte fahren voll ausgelastet in die Häfen und halb leer zurück. Die LKW-Maut auf deutschen Autobahnen müssen wir aber in beide Richtungen zahlen. Das ist die Krux. Deshalb muss die BLG zwangsläufig in diesem Jahr die Preise für Automobiltransporte anheben. Nicht mit einem pauschalen Prozentsatz, sondern individuell und kundenspezifisch. Welche Rolle spielt angesichts solcher Entwicklungen überhaupt noch die Automobillogistik künftig in Ihrem Unternehmen? Die BLG ist Europas größter Automobillogistiker und das wird auch so bleiben. Wir befördern mit über 500 LKW Autos auf den Straßen, fahren zunehmend mit eigenen Zügen. BLG-Autorail wird bis 2013 zum Beispiel 1400 eigene Automobilwaggons haben, wobei ein Zug 19 Waggons hat. Das sind 75 Ganzzüge. Wir fahren also in ganz Europa bis an die weißrussische Grenze. Zudem verfügen wir über sechs eigene Autoterminals, unter anderem in Bremerhaven, Hamburg, St. Petersburg und Gioia Tauro. In Deutschland und Osteuropa haben wir zudem etliche Binnenterminals und setzen fünf Binnenschiffe auf dem Rhein ein sowie zwei auf der Donau. Alles das will aber ausgelastet sein. Durch den Strukturwandel in der Autobranche dürfte das nicht einfach sein. Wo sehen Sie noch Wachstumspotenzial und von wie viel Wachstum gehen Sie 2011 aus? Wir rechnen 2011 mit einem EBT von 40 Millionen Euro. 2010 waren es wohl gut 30 Millionen Euro. Zum einen kommt dieses Wachstum von dem hoffentlich boomenden Export. Zum andern stellen wir eine leichte Erholung des Imports fest, vor allem in Osteuropa und Russland. Um daran zu partizipieren, sicherten wir uns in Polen, Russland, der Ukraine und St. Petersburg die Lizenz für Automobilumschlag. Zudem werden wir wohl Mitte 2011 ein Joint Venture mit der russischen Reederei- und Eisenbahngruppe Fesco schließen. Dann können wir vom russischen Hafen Wladiwostok aus japanische und vielleicht auch chinesische Fahrzeuge via Transsibirischer Eisenbahn nach Osteuropa befördern. Das verkürzt die Laufzeiten um zwei bis drei Wochen. Aber damit brechen Ihnen hierzulande, in Bremerhaven, doch noch mehr PKW weg? Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit wieder unseren 2008-Spitzenwert von zwei Millionen Autos in Bremerhaven erreichen werden. Wenn man das aber weiß, kann man sich darauf einstellen und neue Geschäftsfelder angehen ... ... Zzum Beispiel die Offshore-Windenergie. Das ist in der Tat ein interessantes Geschäftsfeld mit dauerhaftem Charakter, wird aber vom Volumen her sicher kein Kerngeschäftsfeld für die BLG sein. Das klingt verhalten. Noch vor einem halben Jahr sah BLG darin ein ganz wesentliches Zukunftsfeld und kündigte nicht nur eine eigene Tochter in diesem Bereich an, sondern auch massive Investitionen. Das ist alles auch richtig. Unser Joint Venture Eurogate schloss im Mai 2010 einen Vertrag mit dem Energieversorger RWE. Ab Sommer 2011 wird RWE das Eurogate-Containerterminal 1 in Bremerhaven als Basishafen für die Errichtung ihres Offshore-Windparks Nordsee Ost 1 nutzen. Und es gibt noch viele andere Energie- und Generalbetriebe, die im Offshore-Wind-energie-Bereich nun Komponenten in Korea und China kaufen, in Bremerhaven ausladen und zwischenlagern lassen wollen. Dafür ist BLG der passende Partner. Dafür müssen wir nicht einmal viel investieren. Wir müssen nur die Flächen etwas „ertüchtigen“, um die Gewichte tragen zu können, und die Containerkräne etwas anpassen. Wie viel Prozent davon soll der Bereich Offshore-Windenergie zum Gesamtumsatz der BLG beisteuern und wie viel davon ihre übrigen Geschäftsfelder? Das lässt sich im Augenblick schwer abschätzen. Der eigentliche Bauboom von Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee hat ja noch nicht einmal begonnen. 2010 werden wir voraussichtlich insgesamt 910 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet haben. Davon dürfte unsere Automobillogistik-Sparte rund ein Drittel beigetragen haben, rund ein Drittel unsere Container-Sparte und rund ein Drittel unsere Kontraktlogis-tik-Sparte, zu der auch die Handelslogistik gehört. In diesem Jahr könnten wir vielleicht eine Milliarde Umsatz erwirtschaften. Der Anteil der einzelnen Geschäftsbereiche wird sich nicht wesentlich verändern. Apropos Handelslogistik. Seit einigen Monaten wirbt BLG mit ganzseitigen Anzeigen in diversen Medien und stellt seine Handelslogistik-Kompetenz dar. Was ist der Grund für diese Marketingoffensive? In der Wirtschaftskrise hatten wir in der Automobillogistik starke Einbrüche, während der Handel dank des Konsums weitgehend stabil blieb. Die Handelslogistik soll uns also helfen, krisenunabhängiger zu werden. Wir sind seit Jahren in diesem Segment erfolgreich. Viele wissen das nur nicht, wir arbeiten zum Beispiel für Tchibo und Ikea. Für Tchibo unterhalten wir in Bremen, um nur ein Beispiel zu nennen, das größte Hochregallager Europas und haben über 100 Millionen Euro für Tchibo investiert. Die BLG ist das Zentrallager von Tchibo, von dem aus viele Filialen und zwei Regionalläger versorgt werden, bevor die Ware in die 55.000 Verkaufsstellen distribuiert wird. Für diese übernehmen wir täglich die Nachversorgung und Retourenabwicklung. Im Autosegment ist die BLG Nr. 1. Welchen Platz streben Sie in der Handelslogistik an? Keine Ahnung, wo wir da im Augenblick stehen. Dafür ist der Markt in der Handelslogistik nicht transparent genug. Ich weiß nur, dass die BLG ein bedeutender Player in diesem Segment ist und noch wichtiger werden will. Bis 2013 wollen wir unseren Umsatz in der Handelslogistik verdoppeln, also von derzeit 90 auf 180 Millionen Euro. Dafür haben wir auch unsere Vertriebsmannschaft deutlich aufgestockt. Das ist ehrgeizig. Immerhin tummeln sich in diesem Segment Player wie DHL, Kühne + Nagel und DB Schenker, die im Gegensatz zur BLG weltweite Transportnetze haben. Alle diese Unternehmen sind Spediteure, die viel Geld in weltweite Transportnetze investieren müssen. Mit dem Transport erzielt man vielleicht zwei Prozent Umsatzrendite. Wir sind Logistikprovider und verdienen unser Geld mit Lagerung, Kommissionierung und den gesamten technischen Systemen dahinter. Da hat man Umsatzrenditen von acht bis zehn Prozent. Andererseits fordern Kunden, wie stets gesagt wird, alle Transport- und Logistikservices aus einer Hand – Stichwort One-Stop- Shopping. Da hat BLG einen echten Nachteil, da die Firma kein eigenes Netz hat? One-Stop-Shopping war ein großer Irrglaube. Diesem Irrtum sind wir alle in der Logistikbranche aufgesessen. Auch ich selbst. Diese Annahme war ja ursprünglich der Treiber, warum in den letzten Jahren so große Netze in der Logistikbranche entstanden sind. Heute weiß ich, dass Kunden nach wie vor für unterschiedliche Aufgaben unterschiedliche Dienstleister einsetzen. Für mittelständische Betriebe in der Logistikbranche bringt das große Hoffnung. Ist ein Logistiker qualitativ hochwertig und gut vernetzt, kann er durchaus Vorteile gegenüber Konzernen haben. Wie wird sich diese Erkenntnis mittelfris-tig auf die Logistikbranche auswirken? Es ist fraglich, ob die heutigen großen Unternehmens-Konglomerate, die in den letzten Jahren entstanden sind, zusammenbleiben oder sich aufgrund des Börsendrucks neu sortieren. Zusätzlich wird sich die Logistikbranche in den nächsten Jahren verändern, weil die Asiaten, insbesondere die Chinesen, verstärkt nach Europa drängen und sich auch kapitalmäßig an Unternehmen beteiligen werden. Im Mai 2013 endet Ihre Zeit als BLG-Vorstandsvorsitzender. Was wollen Sie bis dahin noch verändern? Wir werden jetzt die BLG nicht auf den Kopf stellen. Wichtig, dass wir die eingeschlagene Richtung konsequent weitergehen. 2008 hatten wir einen Ertrag von 84 Millionen Euro vor Steuern. Noch sind wir krisenbedingt davon weit entfernt. Aber ich habe den Ehrgeiz, bis 2013 dieses Ergebnis wieder zu erreichen und zwar bei wachsenden Mitarbeiterzahlen. ❙❚■ Eva Hassa Detthold Aden (BLG-Logistics-Group-Vorstand) im Gespräch mit VR-Redakteurin Eva Hassa BLG Logistics Group Detthold Aden: Trieb maßgeblich den Umbau der Bremer Lagerhausgesellschaft zum Logistikprovider BLG voran Daten + Fakten Vita BLG Logistics Group 1877 gründeten 65 Kaufleute die „Bremer Lagerhaus-Gesellschaft-Aktiengesellschaft von 1877“, die heute als BLG Logistics Group firmiert. In den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts zeigte sich, dass Hafenumschlag und Lagerung wirtschaftlich nicht mehr ausreichten, zudem brachen in den 90er-Jahren die Ostmärkte zusammen. Beides traf das Kerngeschäft der BLG dramatisch.Nicht zuletzt – unter der Ägide des heutigen Vorstandsvorsitzenden Detthold Aden – wandelte sich die BLG seit Mitte der 90er-Jahre zu einem internationalen Logistikprovider, der 2010 mit rund 14.000 Mitarbeitern rund 910 Millionen Euro und einen EBT von rund gut 30 Millionen Euro erwirtschaftet hat. Geschäftsfelder sind insbesondere die Automobillogistik, Kontraktlogistik, Containerverkehre. Zudem strebt die BLG in die Offshore-Windenergie. eh Detthold Aden wurde 1948 geboren und lernte als ausgebildeter Speditionskaufmann das Speditionsgeschäft von der Pike auf. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Vorstandes der BLG Logistics Group in Bremen und Bremerhaven. Aden zählt zu renommiertesten Vertretern der Logistikbranche und war unter anderem Gründungsgeschäftsführer von UPS Deutschland, Alleingeschäftsführer der späteren Bertelsmann Distribution sowie Vorsitzender der Geschäftsführung der Thyssen Haniel Logistic und Mitglied des Vorstandes der Thyssen Handelsunion. eh Europas größter Automobillogistiker: die BLG BLG Logistics Group

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