Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin Verkehrspolitischer Nachwuchs Der ostdeutsche Jungpolitiker Stephan Kühn ist neuer verkehrspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Verkehrspolitik hat den Dresdner seit Beginn seiner politischen Karriere begleitet. Stephan Kühn, der neue verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dürfte als Bundesverkehrsminister vieles anders machen. Bei Ressortchef Peter Ramsauer bleibe die entscheidende Frage unbeantwortet, wie er die von der Regierung selbst formulierten Klimaschutzziele verwirklichen wolle, lautet ein wesentlicher Einwand Kühns. Das überrascht nicht, unterscheidet sich doch der verkehrspolitische Ansatz der Grünen und der CSU grundsätzlich. Und doch gibt es eine quasi regierungsamtliche Feststellung, die Kühn vorbehaltlos unterstützt. Im Zusammenhang mit der geplanten Kategorisierung der Wasserstraßen sprach Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle kürzlich eine Selbstverständlichkeit aus. Man dürfe den Verkehr nicht herbeibauen, bemerkte er wohl mit Blick auch auf andere Verkehrsträger und die bekannten Finanzierungsprobleme. Doch würde von Koalitionsseite der Einsicht nicht die erforderlichen Taten folgen, bemängelt Kühn im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. „Stattdessen werden viele wohlfeile Reden zu Protokoll gegeben“, hat der seit der Wahl 2009 im Bundestag sitzende Parlamentarier beobachtet. Weiterhin werde mehr Geld in die Straße als in die Schiene investiert, ein unsinniger Feldversuch mit Lang-LKW vorbereitet und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) nicht ausreichend gefördert. Beim Thema ÖPNV wirkt der eher zurückhaltend auftretende Abgeordnete aus Dresden etwas engagierter, geht es doch um seine Arbeit als Verkehrspolitiker vor 2009. Begeistert berichtet er von seiner Arbeit im Stadtrat der sächsischen Hauptstadt und als Referent der Landtagsfraktion. „Sachsen fährt Bahn“, hieß es vor rund zehn Jahren, als Kühn an der Konzeption eines Taktfahrplans mitwirkte, um mehr Menschen für die Nutzung des ÖPNV zu gewinnen. Der 31-jährige Diplom-Soziologe ist über den Umweltverband „Grüne Liga“ zu den Bündnis-Grünen gekommen; die Verkehrspolitik zieht sich wie ein grüner Faden durch seinen politischen Lebenslauf. Gleichwohl gehörte er nach der Bundestagswahl nur zu den Stellvertretern im Verkehrsausschuss. Als „Haushälter“ habe er knapp zwei Jahre Ramsauers Einzelplan 24 genau unter die Lupe genommen, was sich jetzt in seiner Sprecherfunktion als Vorteil erweisen werde, skizziert Kühn die künftigen Schwerpunkte seiner Arbeit als Sprecher. Bund muss neue Prioritäten setzen Die Begrenztheit der Finanzen führe allmählich auch bei den Koalitionskollegen zum Umdenken, hat Kühn beobachtet. Mit Blick auf Prognosen, die eine Zunahme des Güterverkehrs um bis zu 70 Prozent erwarten lassen, gehe es um „eine neue Prioritätensetzung“. Güterverkehrstaugliche Trassen müssten ausgebaut werden, bei der Straße stehe der Erhalt im Vordergrund, nicht mehr der Neubau. Prestigeprojekte wie etwa „Stuttgart 21“ würden 75 Prozent des Haushalts ausmachen. Gerade erst habe der Bahnverband „Allianz pro Schiene“ durch eine Studie nachgewiesen, dass Deutschland europaweit Schlusslicht bei den Investitionen in die Schiene sei. Auf die Frage, ob er den Verkehrshaushalt für unterfinanziert halte, zögert Kühn mit der Antwort. „Ja, aber die Prioritäten müssten anders gesetzt werden. Viel Geld fließt in völlig falsche Projekte“, sagt er schließlich. Bei dessen Wahl als verkehrspolitischer Sprecher hatte für Erstaunen gesorgt, dass er sich die Funktion mit seiner Fraktionskollegin Valerie Wilms teilt, die für die Bahn zuständig ist. „Wir haben gemerkt, dass das Arbeitsfeld so groß ist, dass wir es auf drei Schultern verteilt haben“, rechtfertigt Kühn die Aufgabenverteilung. Gemeint ist damit auch Anton Hofreiter, der neue Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestages. Da seine Kollegin Wilms Interesse an der Bahn gezeigt habe, habe man dem gerecht werden wollen. Kühn stellt aber sogleich klar, dass er sich als Fachsprecher auch zur Schienenpolitik äußern wird. Und die Wasserstraße? Wilms wird weiter in der Parlamentarischen Gruppe Binnenschifffahrt (PGBi) für die Grünen vertreten sein. ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Der 31-jährige Stephan Kühn vertritt in einem Dreierteam die Verkehrspolitik der Grünen Vita Stephan Kühn wurde 1979 in Dresden geboren, studierte dort Soziologie und engagierte sich Mitte der neunziger Jahre gegen den Bau der A 17 Dresden-Prag. Seit 2004 ist Kühn Mitglied des Dresdner Stadtrats, seit 2009 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. jök

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