Baywa AG

Baywa AG Baustofflogistik im Umbau Die Baywa AG optimiert die logistischen Prozesse ihrer Baustoff-Sparte. Ein wichtiges Projekt bildet die Baustellenanlieferung, für die nicht nur die Disposition zentralisiert, sondern auch eine Telematik-lösung eingeführt wurde. Ziegelsteine, Dämmstoffe, Kanalschächte, Gipsplatten, Fliesen, Fenster, Türen und noch viel, viel mehr: Etwa 160.000 Artikel umfasst das Baustoffsortiment der Baywa AG, das in den 200 Niederlassungen vertrieben wird. Hoher Termindruck Doch nicht allein die immens breite und tiefe Produktpalette bildet eine logistische Herausforderung. „Wir bieten unseren Kunden auch eine hohe Qualität in der Zustellung dieser sensiblen Produkte“, sagt Carsten Prenzler, Leiter Corporate Logistics bei der Baywa. Und dabei geht es nicht allein um die zuverlässige, sondern auch um eine möglichst kurzfristige Belieferung. „Der Termindruck ist hoch“, so Prenzler weiter. „20 bis 25 Prozent unserer Lieferungen müssen sogar binnen vier Stunden nach Bestellung an der Baustelle eintreffen – und zwar genau dort, wo sie verarbeitet werden. Das heißt, dass wir Baustoffe durchaus auch per Kran in höhere Etagen liefern.“ Für den Handels- und Dienstleistungskonzern (siehe Kasten rechts) zählt die Logistik zu den Kernkompetenzen. „Quer durch die Sparten tragen eine hohe Lieferzuverlässigkeit, Schnelligkeit und neue Serviceleistungen maßgeblich zur Kundenbindung bei“, betont Prenzler. Bei den Baustoffen kommt hinzu, dass die Frachtkosten im Verhältnis zum Warenwert überproportional hoch ausfallen. Rund die Hälfte des Umsatzes dieser Sparte, der im vergangenen Jahr bei 1,3 Milliarden Euro lag, wird über Streckenbelieferungen erwirtschaftet. Die Baustoffe werden also von den Lieferanten im Auftrag der Baywa direkt auf die Baustellen der Kunden gebracht. Von der anderen Umsatzhälfte entfallen rund zwei Drittel auf die Selbstabholung und ein Drittel auf Zustellungen von den Baywa-Niederlassungen zu den Baustellen. Das sind immerhin noch 240 Millionen Euro. Grund genug für die Baustoffsparte des Baywa-Konzerns, bei der Optimierung der Logistikstrukturen auch hier den Hebel anzusetzen. Im Jahr 2011 wurde die Organisation des Fuhrparks verändert: Sowohl die eigenen Zustellfahrzeuge als auch die 100 Einheiten von Speditionen, die nahezu ausschließlich für Baywa Baustoffe fahren, sind seither nicht mehr an die jeweiligen Niederlassungen angebunden, sondern an die zentrale Abteilung Logistik. Die Disposition der Flotte, die ausschließlich aus Kranfahrzeugen besteht, wurde auf neun regionale Dispostellen konzentriert. Auslieferflotte stark reduziert „Vorher disponierte jede Niederlassung für sich“, erinnert sich Herbert Wolf, Leiter Transport- und Lagerlogistik der Baywa-Sparte Baustoffe. „Durch die standortübergreifende Disposition ist es uns gelungen, die Touren zu optimieren und die Auslastung der Fahrzeuge erheblich zu steigern.“ Umfasste die Auslieferflotte für Baywa Baustoffe vorher 160 eigene Fahrzeuge, genügen nun 117 Einheiten, um den gleichen Zustellumsatz zu erwirtschaften – bei verbessertem Servicelevel. Die Zahl der Fahrzeuge der Speditionspartner wurde beibehalten. Unterstützt wurde dies durch eine maßgeschneiderte Transportdispositions- und -managementlösung, die 2012 flächendeckend in Betrieb genommen wurde. Sie setzt auf dem SAP-System auf und ist komplett in das Warenwirtschaftssystem der Baywa integriert (siehe Kasten Seite 26). Interaktive Karten und Planungskalender erleichtern die Arbeit der Disponenten. Nutzerfreundliche Telematik-Geräte, mit denen sowohl die eigenen Fahrzeuge als auch die der Speditionspartner ausgestattet wurden, vereinfachen die Kommunikation zwischen Disponenten und Fahrern. Sie bieten nicht nur ein klassisches Navigationssystem, sondern auch eine Geometrie-Funktion, mit der Fahrer selbst dann ans Ziel finden, wenn sich eine Baustelle in einem Gebiet befindet, in dem es noch keine Straßen und daher auch keine Straßennamen gibt. „Mit dem Telematikgerät kann jedes Fahrzeug und damit auch die Pünktlichkeit der Belieferung volumen- und zeitbedingt nachverfolgt werden“, erläutert Wolf. „Und bei Eilaufträgen kann eine Tour kurzfristig anders gestaltet und das Fahrzeug umgeleitet werden.“ Die Statusmeldung des Fahrers nach dem Abladen bildet wiederum einen wichtigen Baustein für die Sendungsverfolgung. Das führt auch für die Kunden zu mehr Transparenz und zu einer Verbesserung des Lieferservices. Ansonsten hat sich für sie nichts verändert: Sie bestellen nach wie vor bei dem für sie zuständigen Vertriebsmitarbeiter vor Ort. Der legt den elektronischen Auftrag an, der umgehend an die zuständige Dispositionsstelle übermittelt wird, die im Schnitt Zugriff auf 10 bis 15 Fahrzeuge hat. Der Disponent plant die Zustellung in eine Tour ein, gibt vor, aus welchem Lager die Ware entnommen wird und generiert per Mausklick Kommissionier- und Lieferscheine, die dann in der jeweiligen Niederlassung ausgedruckt werden. Den Fahrern wird der Tourenauftrag über ihre Telematikgeräte übermittelt. „Für die meisten Fahrer war die Umstellung auf das Telematiksystem und damit die Abkehr von der Zettelwirtschaft kein Problem“, erklärt Herbert Wolf. „Wir haben alle Fahrer vorher geschult und bei Bedarf noch eine Nachschulung durchgeführt, sodass jetzt alles wirklich gut läuft.“ Umstellung auf Leasing Die Transportkosten für die Baustellenbelieferung werden in der Zentralabteilung Transport-Lagerlogistik erfasst und gemäß Aufkommen an die Niederlassungen verrechnet. Nicht zuletzt zur besseren Kalkulation der Kosten der eigenen Fahrzeuge ersetzte das Unternehmen im Jahr 2012 81 Auslieferfahrzeuge durch neue Modelle von MAN im Full-Service-Leasing. „Wir sind überzeugt, dass diese Variante nicht nur kaufmännisch besser steuerbar, sondern auch kostengünstiger ist“, sagt Herbert Wolf. „Wobei wir ein endgültiges Resümee natürlich erst nach Ablauf der sechsjährigen Laufzeit der Leasingverträge ziehen können.“ Die Telematikdaten reduzieren den Aufwand rund um die Erfassung und Verteilung der Zustellkosten ebenfalls. „Noch in diesem Jahr werden wir die Fahrzeugkosten pro Zustellauftrag elektronisch ermitteln“, erklärt Herbert Wolf. „Daraus ergeben sich dann ganz neue Möglichkeiten zur aufwandsgerechten Preisdifferenzierung bei den Zustellkosten.“ Kurzfristige Lieferungen, knappe Anlieferungszeitfenster und Engpässe bei begehrten Lieferterminen, zum Beispiel den ersten Touren frühmorgens, verursachen höhere Transportkosten, was im Logistikpricing berücksichtigt werden soll. Aufbau regionaler Verteilzentren Ein weiteres Projekt zur Optimierung der Baustofflogistik der Baywa wurde bereits im vergangenen Jahr in Angriff genommen. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) wurde untersucht, inwieweit es sinnvoll ist, einzelne Standorte als regionale Verteilzentren auszubauen, von denen aus die Baustellenbelieferung erfolgt. Die anderen Niederlassungen werden ausschließlich als Verkaufsstellen für Selbstabholer geführt. Ein Pilotprojekt am Standort Bamberg zeigte, dass sich durch die Optimierung der Warenbestände sowie der Prozesse rund um Anlieferung und Versandabwicklung beachtliche Effizienzreserven heben lassen. „Aktuell setzen wir die Erkenntnisse, die wir aus dem Pilotprojekt gewonnen haben, um, bevor wir das Konzept noch in diesem Jahr in der Fläche multiplizieren“, so Prenzler. Parallel dazu beschäftigen sich die Logistiker der Baywa damit, den Baustoffhandel ab 2015 auf Beschaffungslogistik umzustellen. Auch hier gilt es, branchenspezifische Herausforderungen zu bewältigen: Baustoffe sind keine Standard-Palettenware, sie werden in den verschiedensten Gebinden und Einheiten transportiert. Zudem gibt es etliche sensible Warengruppen, wie etwa leicht zerbrechliche Fliesen. Derzeit entwickeln die Logistiker ein Konzept, wie dies zusammen mit den Just-in-time-Anforderungen, den saisonal stark schwankenden Transportmengen, dem hohen Anteil an lokalen Lieferanten und Streckenbelieferungen in ein vorteilhaftes Abholkonzept integriert werden kann. „Die Baustofflogistik hat durchaus ihre Tücken“, sagt Prenzler abschließend. „Aber sie bietet auch interessante Optimierungspotenziale, die wir nach und nach realisieren werden.“ ❙❚■ Eva Elisabeth Ernst, freie Journalistin Baywa: Nummer zwei im deutschen Baustoffhandel Baustoffsparte mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz Die börsennotierte Baywa AG mit Sitz in München ist ein international führendes Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Ge-schäftsaktivitäten in den drei Kernsegmenten Agrar, Bau und Energie. Der Konzern beschäftigt knapp 17.000 Mitarbeiter an über 3000 Standorten in 17 Ländern. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Baustoffsparte, die sowohl gewerbliche als auch private Kunden mit einer umfassenden Produktpalette für Neubau, Renovierung und Modernisierung versorgt, einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. Das entspricht zehn Prozent des Konzernumsatzes. In Deutschland ist die Baywa der zweitgrößte Baustoffhändler und unterhält ein Netz von 200 Niederlassungen, die sich schwerpunktmäßig in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen befinden. eee Ganzheitliche EDV-Lösung Eigenentwicklung mit Partnerlösungen Die Transportdispositions- und -managementlösung der Baywa AG wurde für den gesamten Konzern entwickelt und anschließend speziell auf die Anforderungen der Sparte Baustoffe zugeschnitten. Sie basiert auf einer SAP-ERP-ECC-Plattform unter Einbindung grafischer Dispositionshilfen in Form interaktiver Karten und eines Planungskalenders, die wiederum auf den Lösungen Adobe Flex und Parcon Framework im Zusammenspiel mit der Lösung X-Server von PTV aufsetzen. Die Telematik- und Navigationskomponente baut auf der Partnerlösung PC-Systeme von PTV und den mobilen Endgeräten von Psion Teklogix auf. In die Entwicklung dieser maßgeschneiderten Lösung sowie die Spezifizierung für die Sparte Baustoffe investierte die Baywa rund eine Million Euro. eee 160.000 Artikel umfasst das Baustoffsortiment der Baywa „20 bis 25 Prozent der Lieferungen müssen binnen vier Stunden nach Bestellung eintreffen“ Carsten Prenzler, Leiter Corporate Logistics, Baywa AG Schwerpunkt Baulogistik

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