Außenseiter können punkten

Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin." Diesen Schlachtruf stimmen Fans von Fußballclubs an, wenn sie mal wieder im Pokalwettbewerb eine gute Rolle spielen und unbedingt das Endspiel im Berliner Olympiastadion erreichen wollen. Berlin erobert Platz zwei Für Transportdienstleister hingegen gilt eher der umgekehrte Spruch: "Berlin, Berlin, bloß nicht nach Berlin fahren." Denn mangels Rückfracht gilt die Hauptstadt nicht als sehr attraktiv in der Branche. Bislang zumindest ... Denn in einer neuen Studie von Bulwiengesa, einem Analyseunternehmen in der Immobilienbranche, ist ausgerechnet Berlin zur zweitattraktivsten Logistikregion in Deutschland gekürt worden hinter dem Branchenprimus aus Hamburg. Nun schränken die Autoren der Studie ein, dass die Berechnung des Rankings aus einer immobilienökonomischen Sichtweise und nicht aus einer logistischen Perspektive erfolgte. Im Mittelpunkt standen also zum Beispiel Miethöhen oder die Renditen von Immobilienprojekten und nicht die Verkehrsanbindung (siehe Kasten Seite 27). Andererseits: Eine Logistikregion, die nur unter größten Mühen erreichbar ist, dürfte auch als Immobilienanlage nicht sehr lukrativ und damit attraktiv sein. Womöglich ist diese Studie gerade deswegen ganz besonders interessant für die Logistikbranche. Dennoch, dass Berlin oder auch Halle/ Leipzig sich vor etablierten Regionen wie Rhein-Main/Frankfurt, München oder Rhein/Ruhr platzieren kann, überrascht schon: "Selbst die Herausgeber als langjährige Marktanalysten hätten nicht erwartet, dass die Regionen Berlin und Halle/Leipzig den zweiten und dritten Platz belegen", heißt es in der Studie. Doch es spricht einiges für diese Regionen: So existiert in Berlin eine sehr große Markt- und damit Konsumentenmasse, heißt es in der Studie. Mit 4,351 Millionen Einwohner leben in der Logistikregion Berlin so viele Menschen wie in sonst keiner anderen Logistikregion Deutschlands. Mit deutlichem Abstand folgen das Rhein-Main-Gebiet mit 3,585 Millionen und die Rhein-Ruhr-Region mit 3,393 Millionen Menschen. Aber auch bei der Bruttowertschöpfung im Segment Handel und Verkehr steht Berlin weit vorne: Hier wird die Region nur von Hamburg, München und Rhein-Main/Frankfurt überholt. Große Nachfrage in Halle/Leipzig Halle/Leipzig wiederum kann laut Studie mit "seiner ungeheuren Dynamik im Investmentmarkt sowie der generellen Flächennachfrage punkten". So liegt beispielsweise der Anteil des Vermietungsumsatzes am gesamten Flächenumsatz in der Logistikregion zwischen 2010 und 2014 bei 83 Prozent, was ein Indiz für eine sehr große Nachfrage ist. Nur die Region Bad Hersfeld schneidet hier mit 88 Prozent noch besser ab. Und Hamburg als Spitzenreiter? Die Region hat bundesweit die Nase vorne, wenn es um den investmentfähigen Bestand geht. Außerdem ist Hamburg die Region, in der nach Rhein-Main/Frankfurt zwischen 2010 und 2014 das meiste Geld in Logistikflächen investiert wurde (767 Millionen Euro). Aber auch in vielen weiteren Kategorien ist Hamburg führend. Regionen wie Stuttgart und München stehen in anderen Logistikregionenrankings häufig weiter vorne als in dieser Studie. Bei einigen Kriterien gilt das nach wie vor. Aber bei anderen Parametern wie bei der Grundstücksverfügbarkeit und den Grundstückspreisen schneiden diese Regionen nicht so gut ab. So sind Grundstückspreise in keiner Region so teuer wie in diesen beiden: Für Stuttgart wird ein Durchschnittsgrundstückspreis im Jahr 2014 in Höhe von 430 Euro pro Quadratmeter angegeben, in München sind es sogar 530 Euro. In Summe fällt die Beurteilung der Studie für den Standort Deutschland gut aus. Ein Pluspunkt: Mit einem Umsatz von 235 Milliarden Euro im Jahr 2014 erwirtschaftet die deutsche Logistikbranche knapp ein Viertel des gesamten Umsatzes der europäischen Logistikwirtschaft. Ein weiterer: "Seit 1995 wächst die heimische Logistikbranche jährlich um durchschnittlich 3,3 Prozent", heißt es in der Studie. Die Autoren gehen davon aus, dass dieser Trend anhält und nennen "die zentrale Lage in Europa sowie die sehr gute Verkehrsinfrastruktur Deutschlands" als Gründe. Der Aufschwung in der Logistik macht sich auch in der Entwicklung der Logistikflächen bemerkbar: Zwischen 2010 und 2014 wurden in Deutschland 15,3 Millionen Quadratmeter Logistikfläche neu errichtet. 2015 rechnen die Autoren der Studie mit fast 3,6 Millionen Quadratmeter Logistikfläche. Damit würde das Niveau der Vorjahre wieder erreicht. Führend in Deutschland zwischen 2010 und 2014 war die Region Rhein-Main/Frankfurt, in der 1,25 Millionen Quadratmeter Logistikfläche neu erschlossen wurden (siehe Grafik unten). Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Logistikregion www.verkehrsrundschau.de/dossiers Wie das Ranking erstellt wurde Acht Kriterien zur Ermittlung der Attraktivität einer Region Bei der Erstellung des Rankings von Bulwiengesa haben die Autoren acht Faktoren einfließen lassen. Ein besonders starkes Gewicht hatten dabei die Investmenttätigkeit (absolute Nachfrage von Grundstücken in Quadratmeter beziehungsweise Euro) sowie die Nachfrage nach Flächenumsatz und der Anteil der Vermietung (jeweils mit 20 Prozent bewertet).Die restlichen sechs Faktoren gingen mit jeweils 10 Prozent in die Bewertung ein. Dazu zählen das Angebot an Flächen sowie die Neubautätigkeit in der jeweiligen Region. Ein weiteres Kriterium sind die Mieten (Höhe, Veränderung und Prognose der Spitzenmieten sowie der Durchschnittsmieten). Die mit den Flächen erzielten Renditen (ebenfalls für die Bestlagen wie auch im Durchschnitt) sind ein weiteres Kriterium. Ferner gehen in das Ranking ein die Höhe und Veränderung der Preise für gewerbliches Bauland in Bestlagen sowie die Durchschnittspreise für gewerbliche Preise in der Region. Und schließlich beeinflussen auch zwei volkswirtschaftliche Faktoren das Ranking: zum einen zusammengefasst die Daten zur Bevölkerung in der Region, zur Bruttowertschöpfung insgesamt und im Handel und Verkehr. Zum anderen als zweiter Faktor die Zahl der Erwerbstätigen insgesamt und im Sektor Handel und Verkehr sowie die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, ebenfalls insgesamt und im Handel und im Verkehr.Für alle dieser Einflussgrößen wurden Noten zwischen 1 und 5 vergeben: Je niedriger also der Wert, den eine Region erzielt, desto besser hat sie abgeschnitten. cd

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