Aufbruch zu neuen Ufern

Wer ist der Sauberste im Land? Diese Frage wird gerne und mittels vieler Studien diskutiert. Die Binnenschifffahrt schneidet dabei meist gut ab. "Im Vergleich mit anderen Landverkehrsträgern werden die geringsten CO2-Emissionen verursacht", sagt Fabian Spieß vom Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Er verweist auf einen Vergleich des Instituts Planco. Laut aktuellen Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) dagegen belegt das Binnenschiff nur Platz zwei, mit 31 Gramm CO2 pro Tonnenkilometer knapp hinter der Güterbahn mit 24 Gramm. Doch beide Werte sind immer noch weitaus besser als die des Lkw - 101 Gramm Treibhausgas pro Tonnenkilometer. Außerdem kann die Binnenschifffahrt mit geringer Lärmbelästigung und niedrigem Flächenverbrauch punkten. Doch die Öko-Bilanz hat einen Makel: Binnenschiffe stoßen deutlich mehr Feinstaub und Stickoxide (NOx) aus als andere Verkehrsträger. Bei den Partikeln etwa ist man um den Faktor zehn schlechter als der Güterzug, zeigen die UBA-Zahlen. Der BDB bestreitet dieses Defizit nicht. Spieß weist aber darauf hin, dass man schon Verbesserungen erzielt habe. "Die Partikelemissionen der Binnenschifffahrt sind seit 1970 um 80 Prozent gesunken, die NOx-Emissionen reduzierten sich um 40 Prozent." Der Grund für den hohen Schadstoffausstoß ist einfach: Binnenschiffe sind teuer und daher lange im Einsatz. Das durchschnittliche Alter der Flotte und damit der Motoren liegt bei über 40 Jahren (allerdings werden die Aggregate etwa alle zehn Jahre runderneuert). Viele Innovationen in der Motorentechnik sind beim Binnenschiff schlichtweg noch nicht angekommen. Die EU will jetzt für mehr Tempo sorgen: In einer neuen Verordnung (NRMM) schreibt Brüssel vor, dass alle großen Schiffsaggregate, die ab 2020 in Betrieb genommen werden, strenge Abgasnormen erfüllen müssen. Der BDB kritisiert das Vorgehen und hätte sich lieber gewünscht, dass nordamerikanische Abgaslimits übernommen worden wären. "Diese erfüllen annähernd die Euro-6-Grenzwerte; sie bieten außerdem die Möglichkeit, auf einen deutlich größeren Kreis an Motorenherstellern, etwa aus dem Marinesektor, zuzugreifen", so Spieß. Dass die neuen EU-Vorgaben schnell zu saubererer Luft an Rhein, Main und Donau führen, glaubt jedoch niemand. "Die Partikuliere werden mit alten Motoren weiterfahren, weil es wirtschaftlich anders nicht geht", erwartet Heinrich Kerstgens, Geschäftsführer beim Logistiknetzwerk Contargo, Duisburg, das unter anderem Binnenhafen-Terminals betreibt. Partikulieren fehlt Geld für Investitionen Dabei experimentiert die Branche schon viel, um grüner zu werden. Getestet wird der Einbau von Abgasfiltern oder die Ummantelung der Antriebsschrauben zur Erhöhung des Wirkungsgrads. Vielversprechend ist auch der Einsatz der Kraftstoff-Wasser-Emulsionstechnik, bei der zusätzlich zum Diesel Wasser in den Motor gespritzt wird, was sowohl Verbrauch als auch Rußausstoß senkt. Das Problem bei vielen Ansätzen: Sie sind teuer. "In der Binnenschifffahrt sind zu 85 Prozent Kleinunternehmen unterwegs - und denen fehlt oft die Finanzkraft für Investitionen in neue Technik", sagt Roberto Spranzi, Vorstand der DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt, Duisburg. Als Hoffnungsträger galt lange Zeit Flüssig-Erdgas (Liquified Natural Gas, LNG). Es wird auf minus 160 Grad abkühlt, was das Volumen um den Faktor 600 verringert. Mit LNG betriebene Schiffe emittieren fast keinen Feinstaub, deutlich weniger Giftstoffe und 20 Prozent weniger CO2. Der Mineralölkonzern Shell setzt bereits 15 Binnenschiffe ein, die Flüssigerdgas verbrennen. Doch der Vormarsch der Technik ist ins Stocken geraten: Tankstellen fehlen, die Umrüstung der Schiffe ist zu teuer, außerdem hat sich gezeigt, dass der LNG-Antrieb vor allem bei gleichmäßiger Fahrt Vorteile bringt. "Das passt nicht gut zum Binnenschiff, weil es hier ständige Belastungswechsel gibt", erklärt Spranzi. Eine Alternative könnte GTL (Gas-to-Liquid) sein. Die Abkürzung beschreibt ein Verfahren, bei dem aus Erdgas ein synthetischer Kraftstoff hergestellt wird. Er kann ohne Umrüstung in einem normalen Dieselmotor verwendet werden - entweder pur oder mit herkömmlichem Kraftstoff gemischt - und verbrennt nahezu geruchslos. Dabei entsteht ein Drittel weniger Ruß als bei reinem Dieselbetrieb. Allerdings wird beim GTL-Verfahren viel Energie verbraucht, sodass die Klimabilanz - vom Bohrloch bis zur Schiffsschraube - ein wenig schlechter als bei Diesel ausfällt. Abschied vom Verbrennungsmotor Diese Ansätze, die am Schluss doch wieder auf fossilen Brennstoffen beruhen, stoßen jedoch auf Kritik: "Die Binnenschifffahrt muss zwei oder drei Schritte auf einmal machen, weil hier die Innovationszyklen so lang sind", meint Contargo-Chef Kerstgens. Sprich: Mit der nächste Generation Binnenschiff sollte der endgültige Abschied vom Verbrennungsmotor kommen. Und was dann? "Der reine Elektroantrieb vielleicht", mutmaßt Kerstgens. Eine andere Möglichkeit, um die Klimabilanz zu verbessern, ist Slow Steaming, also die Fahrt mit gedrosseltem Tempo. Hier können schon kleine Maßnahmen eine große Wirkung entfalten: Bei 18 Prozent langsamerer Fahrt etwa halbieren sich Energieverbrauch und CO2-Emissionen. Contargo lässt seine Schiffe bereits länger gemächlich fahren und arbeitet daran, noch mehr Slow Steaming zu ermöglichen. So wird ein Online-Informationssystem aufgebaut, das die Schiffe über die Lage am angesteuerten Terminal informiert. So sieht der Kapitän, wenn am Kai noch andere Schiffe abgefertigt werden, und kann das Tempo zurücknehmen. "Damit lassen sich noch einige Prozent in der Energiebilanz gewinnen", erwartet Kerstgens. Allerdings hat die Branche den Öko-Trumpf Slow Steaming schon fast ausgereizt - das Tempo lässt sich kaum noch weiter drosseln. Verlust der Kohletransporte droht Strich drunter: Transporte aufs Binnenschiff zu verlagern, schützt das Klima heute schon - und in Zukunft wohl noch stärker. Deshalb rechnen Terminalbetreiber wie Contargo in den Binnenhäfen für die kommenden Jahre auch mit einem höheren Umschlag. Doch es gibt auch eine Unbekannte in der Rechnung: Steht auf lange Sicht überhaupt genug Ladung zur Verfügung, um die Binnenschifffahrt profitabel zu betreiben? Derzeit nämlich machen Kohle und Mineralölprodukte einen großen Teil der beförderten Tonnage aus. Was ist, wenn die Dekarbonisierung der Wirtschaft wirklich kommt und diese Ladungen wegfallen? Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Grüne Logistik" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Umweltfreundliche Verkehrsträger Wir nehmen die Umweltbilanz der verschiedenen Verkehrsträger sowie deren Stärken und Schwächen unter die Lupe:- Lkw (VR 23)- Schiene (VR 24)- Binnenschifffahrt (VR 25)

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