Auf den letzten Metern wird es grün

KEP- und Logistikunternehmen preschen in Sachen "emissionsfreie Zustellung" gerade mächtig vor. Nahezu im Wochentakt werden neue Lieferlösungen für die City präsentiert (siehe Seite 26): Ob E-Bikes, E-Trikes, E-Trolley, E-Flitzer und vermehrt auch Elektrofahrzeuge. Interessant ist dabei, wie das Thema E-Mobilität für neue Partnerschaften und Kooperationen sorgt, die vor Jahren nicht vorstellbar gewesen wären. Zum Beispiel das neue Service-Konzept "BaseCamp" in Bochum, das von Mercedes-Benz Vans in Partnerschaft mit dem Daimler-Vertriebspartner Fahrzeug-Werke LUEG AG, der Mercedes-Benz-Forschungstochter Lab1886, dem Energiekonzern Innogy und Amazon Logistik Deutschland gemeinsam entwickelt wurde und Anfang Juni präsentiert wurde. Das Komplettpaket BaseCamp BaseCamp ist weit mehr als die "bloße" Zurverfügungstellung von E-Fahrzeugen. Das integrierte Konzept umfasst die Parkplatzvermietung, Wartung und Pflege und Gestellung von Ersatzfahrzeugen, die durch eine automatische Überprüfung des Fahrzeugzustands mittels eines digitalen Scanners und der Ladeinfrastruktur erfolgen soll. Und um Kunden den Umstieg von Diesel- auf E-Antrieb zu erleichtern, sichert der Hersteller über die Laufzeit eine Kostenneutralität zu den konventionellen Diesel-Modellen zu. Stichwort: "Total Cost of Ownership" - die Betrachtung der Gesamtkosten, unter anderem durch niedrigere Schadens- und Wartungskosten und Kfz-Steuer-Befreiung in den ersten zehn Jahren. Amazon Logistik werden im Zuge von BaseCamp bis Ende 2018 100 E-Vito von Mercedes-Benz zur Verfügung gestellt. 30 E-Fahrzeuge werden zunächst in Bochum, wo Amazon ein Verteilzentrum betreibt, von KEP-Zustellpartnern des Onlinehändlers genutzt. Die E-Fahrzeuge sollen unter anderem in Düsseldorf zum Einsatz kommen, kündigte Bernd Gschaider, Chef Amazon Logistik, in Bochum an. Nachts werden sie auf dem LUEG-Parkplatz aufgeladen, im Bestfall dauert der Ladevorgang sechs Stunden. Der Strom stammt von Innogy - zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Nur so sei Elektromobilität sinnvoll, sagt Elke Temme, Leiterin Elektromobilität bei Innogy. Finanziert werden die Fahrzeuge von den sieben mittelständischen KEP-Zustellpartnern im Ruhrgebiet, die für Amazon Logistik im Einsatz sind. Täglich sind das rund 360 Fahrzeuge. Amazon arbeitet hier mit Essener Blitz-Kurier, DRS Logistik, D&M Logistik, DWK Kurierdienst, AZ-Logistik, EC Express Courier Dienst und EX-Logistik zusammen. Dem Vernehmen nach soll Amazon diesen "gewisse Anreize" geben, E-Fahrzeuge zu nutzen. BaseCamp in Bochum ist, wenn es nach den Initiatoren geht, erst der Anfang. Das Projekt soll idealerweise aber auch an anderen Standorten in Deutschland ausgerollt werden. Für Amazon-Logistik-Chef Gschaider steht fest: "Das Projekt ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu massentauglicher nachhaltiger City-Logistik für die letzte Meile." Kooperation der fünf größten Player Auf große Resonanz stieß vor wenigen Wochen auch das "KoMoDo"-Projekt ("Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lasträdern in Berlin"), das Ende Mai in Berlin vorgestellt wurde und vom Bundesumweltministerium gefördert wird (siehe Kasten Seite oben). Erstmalig testen hier die fünf größten Paketdienstleister Deutschlands die kooperative Nutzung einer Logistikfläche bestehend aus mehreren Mikro-Depots. "Für den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch für ein gutes Leben in den Städten brauchen wir eine echte Verkehrswende", betonte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) anlässlich des Starts von KoMoDo. Und der Lieferverkehr sei dafür, so Schulze, "ein wichtiger Ansatzpunkt". Wichtige E-Mobilitäts-Treiber waren im Übrigen Achim Kampker und Günther Schuh. Sie hatten vor acht Jahren die Idee, einen batteriebetriebenen Kleinlaster zu entwickeln, und gründeten dafür die Street Scooter GmbH, eine privatwirtschaftliche Forschungsinitiative an der RWTH Aachen. Ergebnis war ein E-Fahrzeug für den Kurzstreckenverkehr, das zunächst von vielen nur müde belächelt wurde. Nur Deutsche Post DHL sah Potenzial und übernahm Ende 2014 Street-Scooter. Ein Riesen-Coup sei der Deal gewesen, räumen Branchenkenner ein. Und schon in wenigen Jahren will die Post jährlich 100.000 StreetScooter produzieren - das zweite Produktionswerk in Düren wurde soeben eröffnet. Der Börsengang der E-Transporter-Tochter sei geplant, heißt es. Im Übrigen engagiert sich auch Hermes Germany für die E-Mobilität. So orderte der Paketdienst vor über einem Jahr 1500 Mercedes-Benz E-Transporter der Baureihen Vito und Sprinter. Bis einschließlich 2020 will Hermes diese in allen deutschen Großstädten einsetzen - zunächst in Hamburg und Stuttgart. Mehr zum Thema im Dossier Grüne Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Das Pilotprojekt KoMoDo für weniger Lieferverkehr In Berlin startete Ende Mai ein bundesweit bislang einmaliges Pilotprojekt, das die Zustellung auf der letzten Meile emissionsärmer machen soll. Der Name des "KoMoDo"-Projekts ("Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lasträdern in Berlin") ist zwar sperrig, aber die Lösung bestechend: Zum ersten Mal kooperieren für dieses Projekt die fünf größten Paketdienste DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS. Sie nutzen dafür in Prenzlauer Berg einen gemeinsamen innerstädtischen Umschlagplatz mit Mikro-Depots, der von dem neutralen Anbieter Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft (Behala) betrieben wird. Lkw bringen die Sendungen dorthin, Lastenräder befördern sie weiter zum Empfänger. Koordiniert wurde das Projekt von Logistic Network Consultants (LNC)."Statt brummender Diesel-Transporter hören die Menschen künftig häufiger das Klingeln von Lastenrädern", freute sich Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) anlässlich des offziellen Starts von KoMoDo. "Sauber, sicher, leise und klimafreundlich - das ist die neue Mobilität in Berlin." Ob das Projekt nun Schule macht und auch in anderen Großstädten und Ballungsräumen möglicherweise realisiert wird, ist indes noch offen. eh