"An erster Stelle steht Qualität"

Wie hat Rhenus Home Delivery die Corona-Krise bislang erlebt? Die Leute hatten ja Zeit, sich zu Hause neu einzurichten ... Wir haben tatsächlich eine erhöhte Nachfrage erlebt, gleichzeitig mussten natürlich auch wir mit den Herausforderungen der Pandemie klarkommen. Obwohl wir unseren Service zum Schutz der Mitarbeiter und Kunden einschränken mussten - wir haben nur bis zur Türschwelle geliefert -, haben wir die operativen Prozesse sehr gut abwickeln können. Basis dafür ist natürlich eine funktionierende Kommunikation mit den Kunden, die frühzeitig alle Informationen, etwa zum angepassten Lieferprozedere, erhalten. Sie haben das digitale Kundenmanagement komplett neu aufgesetzt. Was wurde verbessert? Unser Customer-Journey-Management unterteilt sich in zwei Bereiche. Einmal den webbasierten Bereich, in dem der Kunde seine Liefertermine organisiert und zweitens die Benachrichtigungsebene. Das bisherige Kundenportal bot nur eingeschränkte Funktionen zur Terminvereinbarung, wir haben es komplett neu aufgestellt und es voll auf Interaktion ausgelegt. Neu ist eine Kartenansicht, die in nahezu Echtzeit anzeigt, wo die Lieferung ist und wie viele Stopps der Fahrer vom Kunden entfernt ist. In Zukunft kann der Kunde zudem noch engere Lieferzeitfenster bestimmen und bekommt die Möglichkeit, Zusatzleistungen wie etwa Verpackungsentsorgung oder Möbelmontage online zu buchen, alternative Lieferorte anzugeben oder auch die Zahlungsabwicklung zu administrieren. Simple Textnachrichten wurden durch ein modernes Benachrichtigungssystem abgelöst. Bei allem, was wir hier tun, verfolgen wir einen Mobile-First-Ansatz. Ganz wichtig ist uns zudem die Zufriedenheit des Endkunden. Er kann direkt aus der Lieferbestätigungsmail heraus eine Bewertung vornehmen. Diese Feedback-Daten werten wir aus und erarbeiten Maßnahmen, um die Kundenzufriedenheit weiter zu erhöhen. Auf welche Weise hat der Kunde eigentlich bislang erfahren, wann der Fahrer bei ihm klingeln wird? Auch wenn wir nun einen webbasierten ETA-Service bieten, behalten wir erst einmal das bei, was wir bereits seit 30 Jahren machen: 30 bis 60 Minuten vor Ankunft ruft der Fahrer beim Kunden an. Wir überlegen gerade, ob wir das über Geofences automatisieren, die mit der voraussichtlichen Ankunftszeit korrespondieren. Dann würde eine halbe Stunde vor Ankunft automatisch eine Mail an den Kunden rausgehen. Auf welcher Datenbasis ermitteln Sie die Estimated Time of Arrival (ETA)? Die Hauptkriterien sind die Ortungsdaten aus der Telematik, von Kartendiensten ermittelte Fahrzeiten mit Echtzeit-Verkehrsprognosen und vor allem die Standzeiten. Die kennt niemand besser,als wir selbst. Welche Rolle spielt dabei Machine Learning? Wir sammeln und analysieren eine Vielzahl an Daten. Die Standzeiten sind ein gutes Beispiel. Während die Echtzeitprognose der Fahrzeiten Google oder Here sicher besser beherrschen als wir, liegt unsere Kompetenz in der Auswertung der Standzeiten. Dazu arbeiten wir eng mit einem universitätsnahen Unternehmen aus Osnabrück zusammen. Wir wissen nicht nur genau, wie lange unsere Fahrer beim Kunden sind. Es gibt so viele weitere Faktoren, angefangen vom Gewicht der auszuliefernden Ware und dem Stockwerk bis hin zur Postleitzahl des Kunden. In Berlin Mitte dauert die Parkplatzsuche länger als in der Kleinstadt. All diese Daten werden in ein lernendes System eingespielt, das eines Tages Prognosen zu den Standzeiten erstellen soll. Wenn wir das hinbekommen, erreichen wir noch kleinere Zeitfenster, was wiederum der Kundenzufriedenheit dient. Womit arbeiten die Fahrer? Wir haben schon seit einigen Jahren Industrie-Smartphones im Einsatz, auf der eine für uns modifizierte Kaufsoftware für die mobile Auftragsabwicklung installiert ist. Von der Scannung der Ware über die Anzeige der Stopps und der Navigation bis hin zur Kundenunterschrift wird alles über die Handhelds abgewickelt. Die Fahrer können aus dem System heraus auch die Kunden anrufen. Oder bei Unregelmäßigkeiten Fotos von der Lieferung machen, die dem Auftrag angehängt werden. In welchem Verhältnis entwickeln Sie inhouse oder kaufen Software zu? Wir verfolgen in unserer IT-Landschaft generell den Modularisierungsansatz. Wenn einzelne Module als Kaufsoftware unsere Prozesse genau abbilden, betten wir externe Tools ein. Wenn nicht, gehen wir in die Eigenentwicklung. Das neue Webinterface und auch das Backend zum Customer-Journey-Management und auch den neuen Fleet Manager haben wir selber entwickelt. Was hat es mit dem Fleet Manager auf sich? Was wir den Endkunden bieten, nämlich reibungslose Kommunikation und Transparenz, übertragen wir auf unsere Mitarbeiter und Geschäftspartner. Es geht nicht nur um die Customer Journey und die Driver Journey, sondern auch um die Partner Journey. Die Auftragsabwicklung haben wir bereits komplett durchdigitalisiert. Jetzt steht die Digitalisierung der administrativen Prozesse zwischen uns und unseren Partnern an. Welche Prozesse werden vereinfacht? In unseren Niederlassungen stehen Wände voller Ordner mit Unterlagen unserer Partner. Wir haben mit dem Fleet Manager eine digitale Kommunikations- und Qualitätssicherungsplattform aufgesetzt, wo sich Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten möchten, nicht nur in Minutenschnelle registrieren können, sondern auch gleich alle relevanten Dokumente, von der EU-Lizenz bis zum Entsorgungszertifikat, als Scan oder Foto hochladen können. Mit dem gleichen Tool wollen wir übrigens automatische Reminder an die registrierten Unternehmen verschicken, wenn Dokumente erneuert werden müssen. Perspektivisch möchten wir die komplette Kommunikation mit unseren Unternehmern über diese Plattform abwickeln, bis hin zur Versendung von Gutschriften. Wie stellen Sie sicher, dass es sich bei rein onlinebasierten Erst-Registrierungen um seriöse Unternehmen handelt? Auch wenn Registrierung und Dokumenteneinreichung jetzt digital erfolgen können, fährt kein Unternehmen für uns, mit dem wir nicht vorher gesprochen haben. Wir verlangen von den Unternehmen alle relevanten behördlichen Dokumente von der Gewerbeanmeldung über Umsatzsteuer-ID bis hin zu Zertifikaten und prüfen diese. Für die Fahrer werden Trainings angeboten, damit sie unseren Ansprüchen einer guten Customer Journey entsprechen. Man darf nicht vergessen: Wir sind in den vier Wänden unserer Endkunden. Deshalb arbeiten wir mit vielen teils langjährigen Partnern zusammen. Was wir jetzt mit dem Fleet Manager verfolgen, ist für den Unternehmer die Barriere zum Eintritt und für uns den administrativen Part kleinzuhalten. Wer war an der Entwicklung beteiligt? Wir holen im Sinne des agilen Arbeitens grundsätzlich diejenigen frühzeitig mit ins Boot, die am Ende mit der Lösung arbeiten sollen. Teil der Entwicklungsphasen, der sogenannten Sprints, sind nicht nur Product Owner und das Entwicklerteam, sondern als Benutzervertreter Niederlassungsleiter, Regionalleiter, Fahrer und Partnerunternehmen. Wie bekommt man so einen großen Nutzerkreis an einen Tisch? Wir schreiben bei allen Projekten aus. So finden wir Leute, die wirklich Lust haben, an der Entwicklung mitzuwirken. Letztendlich haben wir auch zig Unternehmen gefunden, die den Fleet Manager gerne ausprobieren wollten. Das hat nicht nur den Vorteil, dass am Ende eine funktionierende Plattform herauskommt, sondern dass man auch Promotoren für das Digitalprojekt gewinnt. Gerade kleinen Unternehmen wird nachgesagt, dass sie nicht besonders digitalaffin seien ... Dieses Vorurteil kann ich überhaupt nicht bestätigen - ich habe das Gefühl, dass sich da etwas gewaltig gewandelt hat. Viele sind auch schon an die Drivers-App gewöhnt und haben gemerkt, wie sehr die Digitalisierung die tägliche Arbeit vereinfacht. Wichtig ist am Ende, dass man eine einfach zu bedienende und barrierefreie Software hat, wie sie der Nutzer auch aus dem Privatleben kennt. Was steht als Nächstes auf der Agenda? Wir sind in einem Markt unterwegs, in dem einerseits die Kundennachfrage steigt, andererseits aber Fahrer schwer zu bekommen sind. Neben der Digitalisierung von standardisierten Prozessen müssen wir uns auch mit Themen wie der intelligenten Terminverplanung und optimalen Ausnutzung der Fahrzeugkapazitäten befassen. Nach der Philosophie des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses werden wir mit der Digitalisierung nie fertig sein. Dazu haben wir uns IT-Ressourcen aufgebaut, die ausschließlich für die Entwicklung unserer eigenen strategischen Themen vorgesehen sind und nicht für Kundenprojekte abgezogen werden. Der sich immer wiederholende Zyklus lautet bauen, messen, lernen. Wir möchten für das gesamte Segment Heavy Bulky Logistics Marktstandards setzen. An erster Stelle steht Qualität. Mehr zum Thema finden Sie unter #Möbellogistik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Rhenus Home Delivery hat im Rahmen eines großen Digitalisierungsprojekts neue digitale Kundenservices aufgeschaltet. Darüber hinaus können künftig auch Partnerunternehmen viele administrative Prozesse online erledigen. Die Hintergründe erklärt Boris Jeggle, Geschäftsführer Rhenus SN digital, im Interview. Vita Boris Jeggle ist seit 2008 in verschiedenen Funktionen bei Rhenus tätig und hat an verschiedensten IT-Projekten im Unternehmen mitgewirkt, vom Verwaltungssystem für Binnenhäfen bis hin zu einem Tarifermittlungstool für die Straßenfracht. 2011 wechselte Jeggle zum Geschäftsbereich Rhenus Home Delivery und ist seit fünf Jahren Geschäftsführer der Digitalisierungseinheit Rhenus SN digital. mh

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