Berlin. Aus der Wirtschaft kommt viel grundsätzliches Lob für den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP - und manche Kritik. Vieles weise in die richtige Richtung, sagte etwa Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger am Mittwoch. Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel verlangten allerdings Antworten und einen „großen Wurf“, so Dulger. Dieser sei leider nicht durchgängig im Koalitionsvertrag erkennbar. Unter anderem lobte der BDA-Präsident den Verzicht der Ampel auf Steuererhöhungen und das Festhalten an der Schuldenbremse.
Positiv äußerte sich auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Die völlig neue Regierungskoalition habe die Chance, einen Ruck durch das Land gehen zu lassen, sagte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf.
Zu viele vage Absichtserklärungen und unklare Finanzierung
Verhaltene Kritik kam aus der deutschen Industrie. Insgesamt enthalte der Vertrag zu viele vage Absichtserklärungen, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Hier bleibt der Löwenanteil der Arbeit noch zu tun.“ Positiv bewertete Russwurm unter anderem das Ziel eines modernen Staates. Wichtig sei aber, die Umsetzung „mit großem Ehrgeiz“ voranzutreiben: „Das angekündigte Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen muss Realität werden.“
Der Koalitionsvertrag sei zwar „von konstruktivem Zukunftsgeist geprägt“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Für die unternehmerische Praxis gebe es jedoch noch Unsicherheiten. Kritisch sei vor allem „die unklare Finanzierungsfrage vieler Vorhaben“.
Deutlicher äußerte sich der Bundesverband mittelständische Wirtschaft: Die Ampel-Parteien hätten sich auf den „teuersten gemeinsamen Nenner geeinigt“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger. „Die Zeche dafür werden die Betriebe und Bürger zahlen.“ Die verschiedenen Vorhaben, etwa der Ausbau erneuerbarer Energien, seien ohne Steuererhöhungen nur durch Neuverschuldung zu finanzieren.
Handel sieht höheren Mindestlohn kritisch
Der Handelsverband HDE sieht viele positive Ansätze, etwa beim Thema Digitalisierung und der Entwicklung der Innenstädte, kritisierte aber die geplante Anhebung des Mindestlohns: Die sprunghafte Steigerung sei ein Eingriff in die Tarifverträge zahlreicher Branchen.
Auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) kritisiert die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro: "Durch diesen Eingriff wird die Arbeit der Mindestlohnkommission ebenso entwertet wie die gemeinsame Lohnfindung von Arbeitgebern und Gewerkschaften per Tarifvertrag", so BGA-Präsident Dirk Jandura. Die starke Betonung von Modernisierung, digitalem Aufbruch und Investitionen sei aber richtig. "Bisher hat es an der Umsetzung gehapert, und wir hoffen, dass das nun anders wird", so Jandura. (dpa/mh)