Alpentransit Schweiz

Alpentransit Schweiz Umstrittene Verlagerung Die ganze Schweiz ist ein Bahnland. Die ganze Schweiz? Nein, denn der LKW spielt im Alpentransit durch die Schweiz eine wichtige Rolle und nimmt an Bedeutung weiter zu. Die Verlagerungspolitik der Schweiz beruhte bisher vor allem auf Restriktionen gegen den Straßentransport, hat Milliarden gekostet und bisher kaum Erfolge gebracht“, lautet die klare Meinung von André Kirchhofer, Leiter Politik und Kommunikation beim Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG. Trotz aller bisher eingeschlagenen Wege konnten die Lastwagenfahrten durch die Schweizer Alpen von 2000 bis 2009 nur von 1,4 auf 1,2 Millionen reduziert werden, womit die Zielgröße von 650.000 Fahrten deutlich verpasst wurde. In diesem Zeitraum hat sich der Modalsplit von 30 auf 39 Prozent weiter zugunsten der Straße verschoben. Verlagerungspolitik gescheitert? Trotzdem sieht man beim Bund „gewichtige Erfolge“, die jedoch nicht weiter erläutert werden. Für die ASTAG dagegen „ist die Verlagerungspolitik gescheitert, da selbst die einseitigen Zwangsmaßnahmen zulasten des Straßentransports keine Auswirkun-gen auf die Verkehrsentwicklung haben“, wie Kirchhofer betont. Laut einer TransCare-Studie sind lediglich vier Prozent des gesamten Güteraufkommens verlagerbar, was vor allem damit zu tun hat, dass in der Schweiz viele Destina-tionen, vor allem in den Alpentälern, nicht am Schienennetz angeschlossen sind oder ganz einfach die Terminals fehlen. Zudem sind für den Güterverkehr kaum noch freie Trassen zur richtigen Zeit erhältlich. Für Thomas Schwarzenbach, Geschäftsleiter beim – verkehrsträgerneutralen – Branchenfachverband Spedlogswiss, „hat eine Verlagerung der Binnenverkehre deshalb Grenzen“. Und falls der restliche Transitverkehr von der Straße auf die Schiene sollte, „müssten zuvor diverse Probleme wie Prioritätsregelung Güter-/Personenverkehr, Zulaufstrecken zur NEAT haben keine vier Meter Eckhöhe oder auch der Bau der Zulaufstrecken im Norden und im Süden schnell in die Hand genommen und gelöst werden“. Schwarzenbach betont, dass „die Verlagerung im Güterverkehr nicht zwischen Basel und Chiasso, sondern zwischen Hamburg und der Lombardei umgesetzt werden muss“. Daher ist für ihn ganz klar, dass „je nach Gütern, Distanz und geforderter Qualität dem Verlader der geeignete Verkehrsträger zur Verfügung stehen muss“. Er verweist darauf, dass „der in der Schweiz erreichte Modalsplit zugunsten der Schiene – insbesondere im Transit – im europäischen Vergleich ein Spitzenwert ist“. Nicht viel kann er dagegen der Rollenden Landstraße (Rola) abgewinnen – deren Finanzierung durch den Bund übrigens kürzlich bis 2018 verlängert worden ist –, denn diese sei, gemäß Schwarzenbach, „eine Förderung des Systems Straße und wegen der hohen transportierten Gewichte ineffizient und nicht zukunftsgerichtet“. Dagegen werde der unbegleitete Kombinierte Verkehr (UKV) weiter zunehmen – „doch dazu braucht es mehr als nur einen Verkehrsträger“. „Grüne Logistik“ ist die Zukunft Ähnlich sieht es die Hupac AG, die kürzlich in einer Pressemitteilung diverse sofortige Maßnahmen forderte, damit bei der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 2017 die erhoffte Wirkung für die Verlagerung des Güterverkehrs auch Tatsache wird. Notwendig seien Infrastrukturanpassungen wie ein durchgehender 4-Meter-Korridor, Terminals im Süden und der punktuelle Ausbau der Zulaufstrecken. Vor allem die vier Meter Eckhöhe seien ein absolutes Muss, um das Segment der gängigen Sattelauflieger nicht von der Verlagerung auszuschließen. So betont Hans-Jörg Bertschi, Inhaber eines international tätigen Speditions- und Transportunternehmens (1650 Mitarbeiter, mehr als 1150 ziehende Einheiten und 15 eigene Containerterminals) und gleichzeitig Verwaltungsratspräsident der Hupac AG, dass „immer mehr Unternehmen umdenken und nach Wegen suchen, die dem Anspruch der Umweltverträglichkeit gerecht werden“. Und genau dazu setze das Konzept der „Grünen Logistik“ einen wichtigen Rahmen. Die zentralen Maßnahmen wie Verkehrsverlagerung, Auslas-tungsoptimierung, Tourenoptimierung und Bündelung seien seit jeher entscheidende Komponenten des Kombinierten Verkehrs. „Hupac fährt möglichst hohe Volumen auf möglichst ausgelasteten Zügen zwischen möglichst zentral gelegenen Terminals umweltfreundlich auf der Schiene.“ Alpentransitbörse ein taugliches Mittel? Während das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) die Alpentransitbörse als „geeignetes Instrument zur Erreichung der Vorgaben“ bezeichnet, ist dies für die ASTAG eine planwirtschaftliche Kontingentierung, die zudem im Widerspruch zur freien Verkehrsmittelwahl und zur mengenmäßigen Begrenzung der Transitfahrten (Art. 33 respektive Art 8 Abs. 6 des Landverkehrsabkommens Schweiz/EU) stehen. Vielmehr gelte es, das neue Leitprinzip der Co-Modalität intensiv zu fördern. In dieselbe Richtung gehen auch die Vorstellungen von Spedlogswiss-Geschäftsführer Schwarzenbach: „Die Bedeutung des UKV wird zunehmen, und dazu braucht es mehr als nur einen Verkehrsträger.“ Deshalb fordert er: „Die Bekenntnis zur in der Praxis längst gelebten Co-Modalität muss auch vom Staat getragen werden. Entscheidend ist das Angebot und nicht der Wunsch. Die Ware sucht und findet ihren Weg.“ Konkret zur Alpentransitbörse meinte er: „Grundsätzlich ist das ein Instrument, das man anwenden kann – aber: der Binnenverkehr muss davon explizit ausgenommen werden, und ob die EU das bewilligen würde, wage ich zu bezweifeln.“ ❙❚■ Hansruedi Keller, freier Journalist Die Schweiz setzt auf den KV – allerdings bereitet die geringe Eckhöhe von 4 Metern bei Tunneln Probleme Alpentransit Über folgende Themen berichten wir in der Serie: VR 3: Die Verkehrsströme heute und morgen VR 4: Wie Österreich dem Wachstum begegnet VR 5: Die Schweiz favorisiert die Schiene VR 6: Wichtigster Zubringer der italienischen Wirtschaft VR 7: Erfüllt Deutschland seine Verpflichtungen? VR 8: Immer wieder Stein des Anstoßes: die Rola Alpentransit Schweiz Bahn Besonders stark von Krise betroffen Alpenquerender Transit durch die Schweiz, gemessen in Millionen Tonnen Auch wenn die Schweizer Verkehrspolitik auf die Bahn setzt, ist das Transit-aufkommen prozentual stärker auf der Straße gestiegen. Selbst wenn man das Krisenjahr ausklammert, haben die Bahnen zwischen 2000 und 2008 mit 4,5 Millionen Tonnen nur wenig mehr zulegen können als der LKW mit 3,6 Milllonen Tonnen. cd 2000 2004 2008 2009 25 20 15 10 5 0 4,7 7,5 8,3 8,2 17,1 19,7 21,6 16,7 Schweizer überlassen das Feld zunehmend den Ausländern Hans-Peter Dreier, CEO der Dreier AG, Transporte Logistik in Suhr, eines der bedeutendsten Schweizer Transportunternehmen, ist Präsident der Fachgruppe International bei der ASTAG. Sein Unternehmen ist unter anderem auf Transporte Schweiz-Italien spezialisiert, die größtenteils auf der Schiene durchgeführt werden. „Die Schweizer Unternehmen, die Transit-Transporte auf der Nord-Süd-Achse durchführten, haben diese meisten aufgegeben“, sagt er. Mit den zum Teil unterhalb der Produktionskosten liegenden Preisen konnten und wollten sie nicht mehr mithalten. Zudem sind die Preise wegen des schwachen Euro momentan alles andere als interessant. Sein Unternehmen forciert den UKV und fährt damit sehr gut. Große Probleme sieht er allerdings bei einer Alpentransitabgabe, denn „der Binnenverkehr Nord-Süd wäre davon stark betroffen – und das darf nicht sein, denn das Tessin gehört zur Schweiz und muss deshalb genau wie die Landesteile nördlich des Gotthards ver- und entsorgt werden können“. hrk Hans-Peter Dreier, CEO der Dreier AG in Suhr/Schweiz Gegner einer Alpentransitabgabe