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Verband sucht Kläger

08.07.2015 10:35 Uhr
Verband sucht Kläger
Andreas Mossyrsch, Vorstand von Camion Pro, vertritt die Interessen kleiner und selbstfahrender Transporteure
© Foto: VR/André Giesse

Warum sich der Berufsverband Camion Pro mit einer Aufklärungskampagne an osteuropäische Fahrer wendet und sie ermutigt, den Mindestlohn einzuklagen, erklärt Camion-Pro-Vorstand Andreas Mossyrsch.

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Warum ermutigen Sie osteuropäische Lkw-Fahrer, die zeitweise in Deutschland tätig sind und dabei unter 8,50 Euro pro Stunde verdienen, ihre Mindestlohnansprüche bei den hiesigen Auftraggebern anzumelden?
Andreas Mossyrsch:
Wir wollen dem Sozialdumping der Billigkonkurrenz aus Osteuropa etwas entgegensetzen. Camion Pro weiß aus einer Umfrage unter Lkw-Fahrern, dass kein osteuropäischer Frachtführer seinen Fahrern bisher für den deutschen Streckenanteil die vorgeschriebenen 8,50 Euro zahlt. Die ausländischen Kollegen werden zu den Bedingungen der jeweiligen Entsendeländer entlohnt und haben vom deutschen Mindestlohn nur am Rande gehört. Mit den niedrigen Preisen, die deshalb etwa polnische Wettbewerber für Beförderungen hierzulande aufrufen können, können deutsche Transportunternehmen nicht mithalten.

Wie wollen Sie die ausländischen Fahrer erreichen?
Wir haben eine bundesweite Aufklärungskampagne an Autohöfen, Tank- und Rastanlagen gestartet. In acht überwiegend osteuropäischen Sprachen informiert Camion Pro ausländische Fahrer auf Flyern über ihre Rechte gemäß MiLoG: Wer für eine Tätigkeit auf deutschem Territorium unter 8,50 Euro bekommen hat, kann wählen, ob er Ansprüche auf Differenzvergütung bei seinem Arbeitgeber geltend macht oder sich an dessen Auftraggeber wendet. Für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Staaten ist das aber kompliziert. Wir bieten den betroffenen Fahrern deshalb Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Forderungen an – im Zweifel vor Gericht und bis zu drei Jahren rückwirkend. Ausgenommen sind Transit-Fahrten, weil der Mindestlohn hierfür derzeit ausgesetzt ist.

Wer unterstützt Camion Pro beziehungsweise die Fahrer, sollten Klagen nötig sein?
Neben Dolmetschern steht der Rechtsanwalt David-Christoph Sosna aus Essen den betroffenen Fahrern im Zweifel zur Seite. Er klärt zum Beispiel, welches Arbeitsgericht in dem jeweiligen Fall zuständig ist und beantragt Prozesskostenhilfe für die Kläger.

Wie viele Lkw-Fahrer hat Camion Pro schon über ihre Rechte gemäß MiLoG aufgeklärt?
Wir haben im Rahmen der eingangs erwähnten Umfrage bisher mit 70 Fahrern gesprochen. Diese Umfrage ist der eine Teil der Kampagne und noch nicht abgeschlossen. Der andere Teil ist die Flyer-Aktion, bei der uns viele deutsche Lkw-Fahrer helfen.

Wer den Nettoentgeltersatz leisten muss, kann ja wiederum den Subunternehmer, der seinem Mitarbeiter unter 8,50 Euro bezahlt hat, in Regress nehmen. Rechnen Sie damit, dass eine Klagewelle die Wettbewerbsverzerrung durch Sozialdumping im Transportmarkt stoppt?
Ich erwarte nicht nur, dass diese Kampagne zu einer höheren Rechtssicherheit der ausländischen Lkw-Fahrer beiträgt. Vielmehr dürfte davon eine Signalwirkung an die deutschen Großspediteure und die verladende Wirtschaft ausgehen. Diese zwei verantwortlichen Gruppen versuchen sich durch Freistellungsvereinbarungen mit ihren ausländischen Subunternehmern abzusichern. Danach sollen diese versprechen, dass sie ihren Fahrern für die Zeit der Entsendung nach Deutschland den deutschen Mindestlohn zahlen. In der Praxis tun sie dies bisher aber meistens nicht. Damit versuchen die Verantwortlichen nicht, für einen fairen Wettbewerb oder faire Arbeitsbedingungen zu sorgen, sondern schieben die Verantwortung in Staaten ab, in denen Arbeitnehmer ihre Rechte kaum wahrnehmen können. Das ist aus meiner Sicht der klare Versuch, das Gesetz zu unterlaufen.

Wie viele unterbezahlte Lkw-Fahrer aus Osteuropa, schätzen Sie, machen Mindestlohnansprüche in Deutschland wirklich geltend?
Das lässt sich noch nicht absehen. Vermutlich wird nur ein kleiner Teil klagen.

Das Interview führte VR-Redakteuer Andre Giesse.

Hintergrund:
Der Verband Camion Pro will osteuropäischen Lkw-Fahrern helfen, ihren Anspruch auf 8,50 Euro pro Stunde bei Kabotage-Fahrten hierzulande und grenzüberschreitenden Verkehren bei deutschen Auftraggebern durchzusetzen. Verbandsvorstand Andreas Mossyrsch stellte vergangene Woche eine entsprechende Aufklärungskampagne vor. Der deutsche Mindestlohn werde bei ausländischen Lkw-Fahrern flächendeckend unterlaufen, sagte er. (ag)

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