Hamburg. Steht jemand im eingeschränkten Halteverbot in einem Kreuzungsbereich und kommt es dort zwischen einem Wartepflichtigen und einem Vorfahrtsberechtigten zu einem Unfall, haftet derjenige, der im Halteverbot steht, nicht mit für den Schaden. Das entschied das Landgericht Hamburg. In dem zugrunde liegenden Fall konnte ein Autofahrer, der nach links abbiegen wollte und laut Verkehrszeichen wartepflichtig war, den Anscheinsbeweis, dass er einen Vorfahrtsverstoß begangen hat, nicht erschüttern. Komme es im Zusammenhang mit einem Abbiegemanöver in eine vorfahrtsberechtigte Straße zu einem Unfall im unmittelbaren Kreuzungsbereich, sei dies typischerweise auf Unachtsamkeit des Wartepflichtigen zurückzuführen, hieß es zur Begründung.
Die Einwände einer Sichteinschränkung oder einer überhöhten Geschwindigkeit des Unfallgegners ließ das Gericht nicht gelten. Der wartepflichtige Autofahrer hätte mit Verkehrsverstößen anderer Verkehrsteilnehmer rechnen müssen, erklärte es. Ein eingeschränktes Haltverbot erlaube zudem grundloses Halten für bis zu drei Minuten und ein darüber hinausgehendes Halten zu Zwecken des Be- und Entladens. Deshalb müssten Autofahrer in bestimmten Situationen grundsätzlich eine Sichteinschränkung in Kauf nehmen. In dem verhandelten Fall hätte der Mann schlichtweg umsichtiger fahren müssen, urteilten die Richter – und wiesen dessen Klage ab.
Dass der Kläger das sich nähernde Fahrzeug im Kreuzungsbereich nicht rechtzeitig sah, lag in diesem Fall mit Blick auf Beweisfotos überdies nicht an einer Sichteinschränkung durch ein Fahrzeug im eingeschränkten Halteverbot. Es lag daran, dass er vor der Einfahrt auf die Kreuzung nicht nach links, sondern nach rechts blickte, um den dortigen Verkehr abzuklären. (ag)
Urteil vom 24.09.2015
Aktenzeichen: 302 O 104/15