Konkret ging es in dem Fall vor dem Landessozialgericht (LSG) NRW im Oktober 2023 um eine Medizinische Fachangestellte, die in einer Hausarztpraxis neben zwei Hauptbeschäftigungen zusätzlich zur ersten auch eine zweite Nebenbeschäftigung aufnahm. Der Arbeitgeber zahlte an die betreffende Deutsche Rentenversicherung in Nordrhein-Westfalen aber für beide Nebenbeschäftigungen nur Pauschalbeiträge.
Nach einer Betriebsprüfung wollte die Versicherung gut 900 Euro an Beitrags-Nachzahlung für den zweiten Minijob. Das Unternehmen klagte dagegen, Recht bekam der Rentenversicherer.
Falsche Annahmen schützen nicht vor Zahlung
Die Richter stellten klar: Hat ein Angestellter neben seiner Hauptbeschäftigung mehrere Nebenbeschäftigungen, ist nur eine der geringfügigen Beschäftigungen vom sogenannten „Zusammenrechnungsgebot“ ausgenommen. Sie bezogen sich dabei auf Paragraf 8, Absatz 2, Satz 1 des vierten Sozialgesetzbuchs (SGV IV).
Da der Arbeitgeber die Fachangestellte selbst in der zweiten Nebenbeschäftigung angestellt hatte, war ihm diese Nebenbeschäftigung bekannt. Eine rechtliche fehlerhafte Beurteilung schütze ihn nicht. Anders hätte der Fall gelegen, wenn der Arbeitgeber unverschuldet keine Kenntnis über eine bereits ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers habe.
Das Gericht stellt zudem klar: Jedes Unternehmen ist grundsätzlich dafür verantwortlich, seine Arbeitnehmer richtig sozialversicherungsrechtlich anzumelden. Beurteilt es die Sachlage falsch oder nimmt irrtümlich an, es müsse nicht den vollen Sozialversicherungsbeitrag für den Angestellten entrichten, hat dies keinen Einfluss auf die Beitragspflicht – heißt, der Arbeitgeber muss diese zahlen.
Im Fall der Fälle: Einzugsstelle kontaktieren
Ist sich ein Unternehmer nicht sicher, ob er die rechtlich zutreffende Meldung abgibt, habe er sich bei der entsprechenden Stelle oder einer sachkundigen Person zu informieren, so die Richter. Nahe liege insbesondere, eine förmliche Entscheidung der Einzugsstelle zu beantragen.
Das Unternehmen Wista Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft hat das Urteil zum Anlass genommen, auf seiner Webseite die Hintergründe noch einmal zu erklären und ein paar Handlungsempfehlungen zusammengestellt.
So sei es normalerweise so, dass die Minijob-Zentrale die Daten abgleicht, um zu prüfen, ob der Angestellte richtig eingestuft ist. Nun kann entweder die Zentrale durch den Datenabgleich oder der Rentenversicherer im Nachhinein bei einer Betriebsprüfung zu dem Ergebnis kommen, dass der Angestellte voll zu versichern ist. Ist dies der Fall, trete die Versicherungspflicht mit Bekanntgabe der Feststellung dann für die Zukunft ein.
Vorsätzlich oder fahrlässig: Rückwirkend können Beiträge erhoben werden
Jetzt kommt das große Aber, auf dass die Berater hinweisen: Wenn der Arbeitgeber es vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt aufzuklären, könne eine rückwirkende Korrektur erfolgen. Das führe zu einer entsprechenden Haftung des Arbeitgebers.
„Grobe Fahrlässigkeit und die damit verbundene rückwirkende Versicherungspflicht liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer nicht abgefragt hat, ob weitere Beschäftigungen vorliegen oder ihm bekannt war, dass die 538-€-Grenze durch weitere Beschäftigungen überschritten wird“, heißt es weiter.
Handlungsempfehlung
Die Berater empfehlen, verschiedene Dokumente immer zu den Lohnunterlagen hinzuzunehmen. Darunter fällt die Erklärung des geringfügig entlohnten Beschäftigten über das Vorliegen weiterer Beschäftigungen. Ebenso zählt dazu eine Bestätigung des Angestellten, dass dem Arbeitgeber die Aufnahme weiterer Beschäftigungen angezeigt wird.
(Urteil LSG NRW, Aktenzeichen L 8 BA 194/21)