Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat seinen internationalen Mindestlohnbericht veröffentlicht. Demnach steht Deutschland Stand 1. Januar 2023 mit einem Mindestlohn von 12 Euro unter den EU-Ländern an Position zwei.
Ein deutlich höherer Mindestlohn gilt derzeit nur in Luxemburg mit 13,80 Euro. Mit geringem Abstand auf Deutschland folgen die Nachbarländer Belgien mit 11,85 Euro und die Niederlande mit 11,75 Euro.
Kein gesetzlicher Mindestlohn existiert in Österreich, den nordischen Ländern und Italien. In diesen Staaten besteht aber eine sehr hohe Tarifbindung, wie die Stiftung weiter mitteilt.
Zweiter Platz nur Momentaufnahme
Im Vorjahr wie durchgängig seit Einführung des deutschen Mindestlohns stand die Bundesrepublik noch an sechster Stelle. Allerdings handele es sich bei dem aktuellen zweiten Platz nur um eine Momentaufnahme, so die Studienautoren.
Ein Teil des Zuwachses werde durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt. Denn die nächste Mindestlohnanpassung ist erst zum Januar 2024 vorgesehen.
Dagegen werden etwa in Frankreich, den Niederlanden oder Belgien die Mindestlöhne 2023 auch unterjährig erhöht. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass Deutschland bei der absoluten Höhe des Mindestlohns in den nächsten Monaten von mehreren dieser Länder überholt wird, so die Forscher.
Litauen und Polen besser als Griechenland und Portugal
Litauen und Polen haben laut der Studie mit Lohnuntergrenzen von 5,14 Euro und umgerechnet 4,87 Euro mittlerweile mehrere südeuropäische Mitgliedsstaaten überholt Die Mindestlöhne in südeuropäischen EU-Staaten reichen von 4,12 Euro in Griechenland und 4,50 Euro in Portugal bis zu 6,55 Euro in Spanien. Etwas darüber liegt mit 6,96 Euro Slowenien.
Die EU-weit niedrigsten Mindestlöhne gibt es in Rumänien mit umgerechnet 3,64 Euro, Ungarn mit 3,41 Euro und Bulgarien mit 2,41 Euro.
Auch Lebenshaltungskosten sind zu berücksichtigen
Die Hans-Böckler-Stiftung weist darauf hin, dass die Niveauunterschiede zum Teil unterschiedliche Lebenshaltungskosten widerspiegeln. Um dies auszugleichen, nutzte die Studie zur Analyse auch die sogenannten Kaufkraftstandards (KKS).
Lege man diese zugrunde, würde sich der Abstand zwischen den EU-Ländern mit niedriger und relativ hoher Untergrenze spürbar verringern. Demnach würden Polen (in KKS knapp 8 Euro), Slowenien, aber auch Rumänien in diesem Fall etwa vor (fast) allen südeuropäischen Mitgliedsstaaten liegen, so die Stiftung.
18 EU-Staaten haben laut der Studie ihre Mindestlöhne zum Jahreswechsel 2023 erhöht, mehrere auch während des Jahres 2022. Der mittlere Zuwachs (Medianwert) in der Europäischen Union betrug gegenüber dem 1. Januar 2022 nominal zwar 12 Prozent. Die inflationsbereinigte Steigerung lag im EU-Mittel aber nur bei 0,6 Prozent.
Mindestlohnniveau außerhalb der EU
Die Studie untersuchte exemplarisch auch weitere Länder außerhalb der EU, in denen es Mindestlöhne gibt. Ein hohes Mindestlohnniveau mit 10 Euro und mehr findet sich zum Beispiel in Australien, Neuseeland und Großbritannien. Niedrige Mindestlöhne von unter zwei Euro gibt es unter anderem in Albanien, Russland, Moldawien und der Ukraine.