Berlin. Mit den Betreiberverträgen für die geplatzte Pkw-Maut ist Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) laut einem Gutachten für die FDP erhebliche Risiken eingegangen. Die bei einem gerichtlichen Stopp verankerten Kündigungsfolgen im Vertrag für die Maut-Erhebung seien als „unüblich nachteilig für Deutschland als Auftraggeber anzusehen“, heißt es in der Studie der Kanzlei Chatham Partners im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion. Sie liegt der „Deutschen Presse-Agentur“ vor.
Gerade wegen des ungewissen Verfahrensausgangs und zahlreicher warnender Stimmen hätte aber „ein besonderes Bedürfnis an einer den Auftraggeber und damit Steuerzahler schützenden Regelung bestanden“, heißt es im Gutachten weiter, das am Freitag vorgestellt werden soll.
Scheuer steht unter Druck, weil er die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen hatte, bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die Maut Mitte Juni für rechtswidrig, direkt nach dem Urteil kündigte der Bund die Verträge. Daraus könnten nun finanzielle Forderungen der Firmen resultieren, auch der Bund prüft eigene Ansprüche.
FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte, Scheuer habe das Risiko des EuGH-Urteils mit geradezu sträflicher Sorglosigkeit unterschätzt. Mit den vereinbarten Klauseln sei eine Verschwendung von Steuergeld regelrecht heraufbeschworen worden. Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte, die Verträge hätten so nie unterzeichnet werden dürfen. „Diese schweren und teuren Fehlentwicklungen müssen von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden.“
In dem FDP-Gutachten heißt es, die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos, dass der EuGH die Maut stoppt, sei „nicht lediglich gering“ gewesen. Die für diesen Fall vorgesehene weitreichende Entschädigung des Auftragnehmers der Maut-Erhebung sei „als unüblich einzustufen“. Dies beziehe sich darauf, dass dem Betreiber bei einer Kündigung aus „ordnungspolitischen Gründen“ – das umfasst ein negatives EuGH-Urteil – entgangener Gewinn über die ganze Rest-Vertragslaufzeit zu erstatten sei. Üblich sei eine solche Folge aber „allenfalls bei Kündigungen, die der Auftraggeber zu vertreten hat, weil er den Kündigungsgrund zumindest mutwillig oder grob fahrlässig herbeigeführt hat“.
Das Ministerium hatte als Gründe für die Kündigung indes nicht allein das EuGH-Urteil genannt – sondern auch Mängel in der Leistung der Auftragnehmer und deren Verhalten nach der Kündigung. Scheuer hatte zudem den Vertragsschluss noch vor einem Urteil verteidigt. Nach dem Bundestagsbeschluss zur Maut habe er den Auftrag gehabt, das Projekt voranzubringen. Die EU-Kommission habe grünes Licht gegeben. Warten hätte bedeutet, dass dem Bund Einnahmen hätten entgehen können. (dpa)