Brüssel/London. Frust, Vorwürfe, Warnungen: Die dritte Runde der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ist am Freitag ohne echte Fortschritte zu Ende gegangen. Dies teilten der britische Unterhändler David Frost und EU-Verhandlungsführer Michel Barnier am Freitag mit. Beide äußerten sich enttäuscht und warfen der jeweils anderen Seite unrealistische Zielsetzungen vor.
Verhandelt wird über Handels- und Partnerschaftsabkommen. Großbritannien hatte die EU Ende Januar verlassen. Bis Ende 2020 gilt eine Übergangsfrist, so dass sich im Alltag noch nichts verändert hat. Gelingt in dieser Frist keine Einigung, droht ein harter wirtschaftlicher Bruch.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen im Fokus
Knackpunkte der Gespräche sind weiterhin die Themen „Level Playing Field“ - also gleiche Wettbewerbsbedingungen - und Fischereirechte. Auf Grundlage von Barniers Mandat könne nicht verhandelt werden, hieß es dazu aus britischen Verhandlungskreisen am Freitag. Die Gespräche seien zwar professionell gewesen, doch die Stimmung war demnach gereizt. Daher hoffe man auf einen Durchbruch auf politischer Ebene.
Der Vorwurf aus Brüssel lautete, Großbritannien wolle weiterhin an den Vorteilen einer EU-Mitgliedschaft festhalten, nur ohne die lästigen Pflichten. Sollten nicht bald Fortschritte gemacht werden, seien die Gespräche in einer Sackgasse, warnte Barnier. Dafür müsse London aber realistischer werden und seine Strategie ändern.
GB findet EU-Forderungen inakzeptabel
Frost warf seinen Gegenübern in Brüssel einen „ideologischen Ansatz“ vor. Ein Standard-Freihandelsabkommen sei ohne weiteres möglich und im beiderseitigen Interesse. Doch die EU bestehe mit ihren Forderungen zu einem „Level Playing Field“ auf Bedingungen, die Großbritannien an EU-Standards binde, und das sei nicht akzeptabel. Die EU verlangt von London die Einhaltung gleicher Sozial- und Umweltstandards, damit sich britische Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile verschaffen können.
Barnier hingegen warf Großbritannien eine „Blockade“ bei der Frage der Wettbewerbsbedingungen vor. Die EU werde niemals einen Kompromiss schließen, der dem Binnenmarkt schade. Großbritannien könne als Drittland nicht die Bedingungen für den Zugang zum europäischen Binnenmarkt bestimmen. „Das wird von der EU zu unseren Bedingungen festgelegt werden“, sagte Barnier.
Barnier skeptisch bei Frist bis Dezember
Auf die Frage, ob die Gefahr eines harten Bruchs ohne Abkommen zum Jahresende steige, sagte der EU-Unterhändler: „Ich bin nicht optimistisch.“ Er werde aber weiter entschlossen für einen Kompromiss arbeiten. Auch von britischer Seite hieß es, ein Abkommen sei weiterhin gewünscht, notfalls werde man aber auf die Regeln der Welthandelsorganisation zurückgreifen müssen - das würde die Einführung von Zöllen und Mengenbeschränkungen bedeuten.
Beide Seiten hatten sich vorgenommen, bis Juni greifbare Fortschritte zu erzielen. Dann steht die Entscheidung an, ob die Übergangsfrist eventuell verlängert wird. Großbritannien lehnt dies allerdings bisher strikt ab. Der europapolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Michael Georg Link, forderte, die EU solle von sich aus eine Fristverlängerung beantragen. Doch aus Verhandlungskreisen in London hieß es, einen solchen Antrag würde man nicht annehmen.
Für die Woche ab dem 1. Juni ist eine weitere Verhandlungsrunde per Videokonferenzen vorgesehen. Darauf seien nun alle Augen gerichtet, sagte der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, David McAllister, der Deutschen Presse-Agentur. (dpa/sn)