München. Erst ab dem Jahr 2030 werden auf den Straßen vollautomatisch fahrende Lkw zu sehen sein, so die Prognose von Volkswagen-Nutzfahrzeuge-Chef Andreas Renschler am Dienstag auf dem 23. Münchner Management Kolloquium an der Technischen Universität München. In geschlossenen Bereichen wie Minen-Areale würden schon früher autonome Lkw zu Einsatz kommen, in schwierigen Umgebungen wie Innenstädten vielleicht auch erst viel später, erläuterte der Chef der Nutzfahrzeugmarken MAN und Scania in seinem Vortrag „Nutzfahrzeugindustrie im Wandel“. Bis alle technischen und rechtlichen Herausforderungen gelöst sind, könnten laut Renschler Zwischenlösungen wie das Platooning zum Einsatz kommen, bei dem sich Lastkraftwagen auf der Autobahn digital an ein Führungsfahrzeug ankoppeln. Die verbundenen Fahrzeuge führt der erste Lkw, der von einem Fahrer manuell gesteuert wird, dann automatisch. Die europäischen Nutzfahrzeughersteller starten dazu am 6. April eine gemeinsame Praxisdemonstration.
Betrachtung des gesamten Ökosystems Lkw
Wichtiger als das autonome Fahren ist für Renschler indes der Schritt für die Nutzfahrzeughersteller in die Digitalisierung und die Betrachtung des „gesamten Ökosystems des Lkw“. Standen in den vergangenen Jahrzehnten die Performance des Fahrzeugs und später die Lebenszykluskosten der Lkw (Total Cost of Ownership) im Fokus der Kunden, gelte es nun zusammen mit den Transport- und Logistikunternehmen Lösungen für die Optimierung der gesamten Transportkette zu erarbeiten. Als Beispiel dafür nannte der ehemalige Chef der Truck-Sparte des VW-Wettbewerbers Daimler die Unterstützung der Speditionen bei Auslastung und Einsatzzeiten der Lkw oder beim Management der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer. Durch die Echtzeitnutzung der Daten aus dem Lkw sollen hier Lösungen entstehen, die beispielsweise Wartzeiten an Rampen und in Werkstätten reduzieren, beim Suchen von Parkplätzen unterstützen oder Helfen, Staus zu umfahren. „Wir stehen am Beginn einer ganz neuen Ära“, postulierte Renschler in München und warnte, dass die Nutzfahrzeughersteller es mit ganz neuen Wettbewerbern zu tun bekämen, die die digitalen Systeme beherrschen. Dazu zählt Renschler vor allem die Anbieter von offenen IT-Plattformen wie zum Beispiel Frachtraumbörsen oder Navigationssysteme.
Partnerschaften mit Wettbewerbern
Die Nutzfahrzeughersteller müssten darauf mit neuen Partnerschaften, zum Beispiel auch mit bisherigen Wettbewerbern, reagieren. Renschler verwies dabei auf die Zusammenarbeit von Audi, Daimler, BMW im Pkw-Bereich. Die drei Premiumhersteller hatten Ende des vergangenen Jahres gemeinsam den Kartendienst „Nokia Here“ übernommen, um ihre Abhängigkeit von den Karten- und Navigationsdienstanbietern Google und TomTom zu verringern. (ak)