Multilevel-Immobilien: Im urbanen Raum alternativlos

In Kürze Mehrgeschossige Logistikimmobilien bedeuten weniger Flächenfraß und können nicht nur von Last-Mile-Logistikern genutzt werden. Der Durchbruch lässt hierzulande aber weiter auf sich warten. Experten erklären, woran es aktuell hakt und warum das Thema Multilevel-Immobilien trotzdem eine Zukunft hat. Sie war ein Pionierprojekt und ist seit dem vergangenen Jahr vollständig bezogen: die von Four Parx gemeinsam mit dem Asset Manager AEW und dem Bauunternehmen GSE Deutschland in Hamburg entwickelte, doppelstöckige Logistikimmobilie "Mach 2". Das Besondere: Jede Ebene ist autonom in der Andienung und hat sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss gleichberechtigte Ladedocks, die mit Lkw mit bis zu 45 Tonnen Einzelgewicht angedient werden können. Die Nachfrage nach solchen Immobilien ist offenbar da, denn sehr schnell vermeldete Four Parx die Vollvermietung des Objektes: die untere Ebene wurde komplett vom Flugzeughersteller Airbus für die Ersatzteillogistik angemietet, die zweite Ebene teilen sich das Einrichtungsunternehmen Jysk, der System- und Operations-IT-Anbieter Bechtle Logistik sowie der Online-Lebensmittelhändler Picnic. Zinswende und Baukosten bremsen aus Trotzdem haben Projekte wie "Mach 2" in Deutschland nach wie vor Seltenheitswert. Warum ist das so? An der Nachfrage nach Flächen kann es jedenfalls nicht liegen, denn die ist nach wie vor da. Kuno Neumeier, CEO der Logivest Gruppe, führt die Zinswende und Baukosten als Hauptgründe an. "Nur wenige Entwickler wagen sich an spekulative Bauten, weshalb auch das Thema Multilevel-Immobilien derzeit nicht im Fokus steht." Er ist aber zuversichtlich, dass sich das wieder ändern wird: "Flächenknappheit und der Wunsch nach weniger Flächenversiegelung machen den Bau in die Höhe aus meiner Sicht gerade in urbanen Lagen zwingend notwendig." Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer Garbe Industrial Real Estate, sieht das ähnlich: Die Realisierung von Multilevel-Projekten, die sich ohnehin schon schwer rechnen, sei derzeit fast unmöglich. "Nicht nur wir haben daher entsprechende Projekte erst mal pausiert", so Hempel. Tot sei das Thema deswegen aber lange noch nicht - denn es ist laut Hempel alternativlos (siehe Interview unten). Langwierige Genehmigungsverfahren In Hamburg ist denn auch ein weiteres Multilevel-Projekt geplant. Goodman hat bereits im Ausland Erfahrung mit mehrstöckigen Logistikimmobilien gemacht - schon vor über einer Dekade wurde in Hongkong gar ein 24-stöckiges Logistikzentrum errichtet. Ganz so hoch hinaus wird es beim aktuellen Projekt in Hamburg-Billbrook nicht gehen. Das zweigeschossige "Hamburg VI Logistics Centre+" wurde schon vor einer Weile angekündigt, die Verfügbarkeit des Objekts allerdings auf Ende 2024 verschoben. "Der Grund hierfür ist recht simpel: Die Terminverschiebung resultiert dadurch, dass der eingereichte Bauantrag noch nicht von den Behörden genehmigt worden ist", erklärt Christof Prange, Geschäftsführer Goodman Germany. Wo wir neben den hohen Kosten beim zweiten Hemmschuh sind, der es Multilevel-Immobilien hierzulande schwer macht: den komplizierten Genehmigungsverfahren. Prange würde sich denn auch schnellere und zügige Bearbeitungsfristen wünschen, weist aber insbesondere darauf hin, dass allgemeine Standards und Normen benötigt würden, um diesen neuen Typus von Logistikimmobilie weiter voranzubringen. "Wirtschaft und öffentliche Hand sollten hierbei partnerschaftlich zusammenarbeiten", findet Prange. Wie man an der Belegung von "Mach 2" in Hamburg sehen kann, ist das Thema Multilevel durchaus für diverse Nutzergruppen geeignet. Prange sieht in diesen Immobilien vor allem Kurier-, Express- und Paketdienste, aber auch die Bereiche Lebensmittel- und Medizinversorgung gut aufgehoben. "Hinzu kommen - insbesondere bei einer innerstädtischen Industrielage wie Hamburg-Billbrook - zusätzlich On-Demand-Use-Cases, wie wir sie beispielsweise beim Ersatzteil- und Reparaturservice sehen." Neumeier von Logivest sieht vor allem den Handel - ob E-Commerce oder stationär - als wichtige Zielgruppe. Dadurch, dass die Belieferung im Idealfall auch mit Lkw bis zu 45 Tonnen über mehrere Ebenen erfolgen könne, sei aber keine Nutzergruppe ausgeschlossen. Die höheren Mietpreise könnten jedoch für viele ein K.-o.-Kriterium darstellen. "Wer keine Innenstadt-Nähe benötigt, wird nur selten dazu bereit sein, diesen Zuschlag zu bezahlen, sondern sich eher weiter außerhalb ansiedeln", glaubt Neumeier. Zudem müsse man differenzieren zwischen Multilevel-Immobilien, die über mehrere Ebenen angedient werden, und mehrgeschossigen Logistikimmobilien, deren Andienung nur ebenerdig erfolgt. Hier sieht der Logivest-Geschäftsführer einen Nachteil: "Die Drittverwertbarkeit ist nur selten gegeben." Unten Fördertechnik, oben Roboter Diese Art von Immobilien werden bislang gerne für den E-Commerce genutzt. So realisiert die Atmira-Gruppe derzeit in Erfurt-Stotternheim für Amazon ein mehrgeschossiges Logistikzentrum mit einer Mietfläche von 265.000 Quadratmetern - nach Entwicklerangaben das größte jemals realisierte Einzellogistik-Objekt Deutschlands. Die Immobilie soll zugleich zu den modernsten Robotik-Logistik-Immobilien in Europa gehören. Das Konzept, in den oberen Geschossen Transportroboter werkeln zu lassen, während sich im Erdgeschoss die Packstationen befinden, setzt der Onlineriese bereits an anderen Standorten um. Der größte Unterschied zu den oben beschriebenen Multilevel-Immobilien: Die Andienung findet nur im Erdgeschoss statt. Laut Stefan Würrer, Geschäftsführer Atmira Development, hat die Halle eine Gesamthöhe von circa 25,5 Metern und verfügt über 4,5 Geschosse: ein Erdgeschoss mit einer lichten Höhe von neun Metern, drei Regelgeschosse mit einer lichten Höhe von jeweils vier Metern sowie ein Mezzanin-geschoss. "Im Erdgeschoss sowie im Mezzanin-geschoss befindet sich die Fördertechnik. In den Regelgeschossen eins bis drei kommen Roboter zum Einsatz", so Würrer. Beim Bau sei man im Plan. "Die von uns als Vermieter auszuführenden Bauleistungen konnten bislang und können aller Voraussicht nach auch weiterhin ungeachtet der aktuell herausfordernden Situation fristgerecht fertiggestellt werden", betont Würrer. Das Gebäude sei ab August 2023 bezugsfertig, dann könne der Mieter mit dem mieterseitig auszuführenden Ausbau beginnen. Nachteile in Sachen Nachvermietbarkeit sieht Würrer bei diesem Immobilientypus nicht: "Die Geschosse sind so dimensioniert, dass wie bei allen unseren Objekten eine entsprechende Drittverwendungs-fähigkeit als Multilevel-Objekt gegeben ist." Aber wird man von Atmira künftig auch Multilevel-Immobilien mit mehreren Andienungsflächen sehen? Würrer gibt sich abwartend: "Um sowohl die wachsende Nachfrage am Logistikimmobilien-Markt bedienen zu können als auch die Bodenversiegelung zu minimieren, sind solche Konzepte mittelfristig unumgänglich. Eine konkrete Projektumsetzung steht derzeit aber nicht an." "Es ist eine kleine Denkpause eingetreten" Jan Dietrich, Geschäftsführer Garbe Industrial Real Estate Ist jetzt endlich auch in Deutschland die Zeit reif für mehrgeschossige Logistik-immobilien? Die Zeit ist reif und auch Garbe hat einige Projekte in der Pipeline. Momentan ist allerdings wegen der Baukosten und der Zinsentwicklung eine kleine Denkpause eingetreten. Die Realisierung von Multilevel-Projekten, die sich ohnehin schon schwer rechnen, ist derzeit fast unmöglich. Nicht nur wir haben daher entsprechende Projekte erst mal pausiert. Tot ist das Thema deswegen aber noch lange nicht, denn es ist alternativlos. Dafür ist in Metropolregionen jeder Quadratmeter zu wertvoll und wer eine nachhaltige Logistik für die letzte Meile betreiben will, braucht diese Immobilien. Gibt es neben den hohen Kosten noch weitere Bremsfaktoren? Ja, das ist vor allem der zeitaufwendige Genehmigungsprozess, weil man sich außerhalb der gängigen Industriebau-Richtlinien bewegt. Es gab zwar bei den ersten Projekten dieser Art einen ausführlichen Austausch mit den Behörden, von einer Standardisierung für Genehmigungsverfahren sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt. Wenn Sie nach Hongkong oder Singapur schauen, wo es mehrstöckige Logistikimmobilien bereits seit Jahren gibt, muss man ganz klar sagen: Viele von denen könnten hierzulande gar nicht entstehen, weil unsere Bauvorschriften und die Bestimmungen zu Brandschutz und Belüftung das gar nicht zulassen. Welche Konzepte sehen Sie derzeit als wichtigen Anker für die urbane Logistik? Können das auch frei werdende Einzel-handelsflächen sein wie etwa bei den Galeria-Kaufhäusern? Ich glaube, Logistik wird hier bestenfalls in Mischkonzepten eine Rolle spielen, aber nicht die entscheidende. Die zentralen Lagen machen eine motorisierte Andienung zudem so gut wie unmöglich. Ich sehe aber einen anderen Trend in urbanen Lagen, und zwar dass die Logistikimmobilie künftig verstärkt weitere Funktionen übernehmen wird. Ich denke da vor allem an die Energieerzeugung und -verteilung und die Nahwärme-Erzeugung. Auch als Anlaufstelle von Elektro-Ladestationen, aber auch bei der Wasserstofferzeugung und -verteilung werden Logistikimmobilien in Zukunft eine größere Rolle spielen. Darf's ein bisschen mehr sein? Jan Dietrich Hempel von Garbe Industrial Real Estate äußert sich im Interview zur aktuellen Lage auf dem Logistikimmobilien-Markt, der Mietentwicklung sowie den Zukunftskonzepten für die urbane Logistik. Die ungekürzte Version lesen Sie auf unserer Premiumplattform VerkehrsRundschau plus: www.verkehrsrundschau.de/plus/Hempel-Interview

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