Bonn. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge liegt im Corona-Jahr um 57.600 beziehungsweise elf Prozent unter dem Vorjahreswert. Bei Kaufleuten für Spedition und Logistikdienstleistung waren es sogar 22,4 Prozent oder rund 1300 weniger, bei den Berufskraftfahrern 777 oder 19,2 Prozent weniger, bei Fachlageristen 14,2 Prozent oder 885 weniger, bei der Fachkraft für Lagerlogistik 15,3 Prozent oder 2626 weniger. Allgemein waren zum 30. September zudem fast zwölf Prozent (Vorjahr: 9,4 Prozent) der verfügbaren Lehrstellen nicht besetzt, bei angehenden Fachkräften für Kurier,- Express- und Postdienstleistungen sogar fast jede zweite (46 %), bei der Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice jede vierte Stelle. Die Gründe: Nach einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) sowie der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) befinden sich sowohl Angebot (-8,8 %) als auch die Nachfrage (-8,9 %) nach Ausbildungsplätzen im Sturzflug, hinzu kommen zunehmende Passungsprobleme. Denn Ausbildungsmessen, Jobbörsen und Betriebspraktika konnten in den meisten Regionen in diesem Jahr nicht stattfinden.
Markt schrumpfte schon vor Corona
Allerdings schrumpfte der Ausbildungsmarkt laut der Analyse schon vor der Pandemie unter anderem infolge sinkender Schulabgängerzahlen. BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser ruft dazu auf, sich nach Überwinden der Coronakrise nicht auf eine automatische Neubelebung zu verlassen. "Denn die Finanzkrise 2008/2009 hat bereits gezeigt, dass eine einmal erfolgte Abkehr vom dualen Ausbildungssystem nur unter größten Anstrengungen wieder umzukehren ist. Zwar hat die Corona-Pandemie dem Ansehen des dualen Systems nicht geschadet, da viele system- und versorgungsrelevante Berufe hier ausgebildet werden. Die Motivation zur Ausbildungsteilnahme hängt aber nicht nur von deren Attraktivität ab, sondern auch von der Erwartung, die Ausbildung frei von größeren Störungen, Einschränkungen oder gar Existenzsorgen erfolgreich durchlaufen zu können. Dies trifft auf die Betriebe ebenso zu wie auf die jungen Menschen. Es muss daher alles dafür getan werden, dass sich die im Zusammenhang mit der Pandemie entstandene Verunsicherung nicht chronisch verfestigt. Das laufende Ausbildungs- und Vermittlungsjahr wird allein schon deshalb erneut äußerst schwierig werden."
Jochen Jelak