Er sei skeptisch, ob das Schienennetz schnell genug ausgebaut werden kann, um den CO2-Ausstoß im Güterverkehr rechtzeitig zu verringern, sagte der Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin bei einem Online-Fachgespräch der Grünen-Fraktion am Mittwoch, bei der es eigentlich um marode Straßenbrücken ging. Er ließ durchblicken, dass nach seiner Einschätzung ein Modell von „Vier Stunden Fahren – eine halbe Stunde Schnellladen – vier Stunden Fahren“ in absehbarer Zukunft realistisch sei. Ergänzend sei es aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoller, Gütertransporte zu bepreisen als den Marktzugang über Verstopfung der Infrastruktur wie heute zu regeln. Bei einer Bepreisung würden die Transportkapazitäten an diejenigen gehen, die damit die höchste Produktivität erzielen – und daher die höchste Zahlungsbereitschaft haben.
Tim-Oliver Müller vom Baunindustrieverband HDB ergänzte, dass eine Steigerung des Modal-Split-Anteils der Schiene im Güterverkehr um zehn Prozent eine Verdoppelung ihrer Verkehrsleistung bedeuten würde. Er ließ durchblicken, dass ihm angesichts der jetzigen Kapazitätsengpässe auf dem Schienennetz dafür die Fantasie fehle.
Sorgenkind Fernstraßenbrücken
Mit offensichtlicher Überraschung wurde Müllers Nachricht aufgenommen, dass die Preise für Brückensanierungen 2022 im Durchschnitt um rund 30 Prozent gestiegen sind. Fraktions-Vize Julia Verlinden kündigte an, diese Problematik bei der Debatte über die kommenden Bundeshaushalte einzubringen.
Zumindest vorerst Entwarnung gab Müller hingegen beim Thema Fachkräfte: Die Baubranche habe in den vergangenen Jahren rund 200.000 Mitarbeiter eingestellt. Es seien auch ausreichend Ingenieure vorhanden. „Wir müssen derzeit kein Projekt wegen Kapazitätsmangel absagen.“ Angesichts der Altersstruktur der Beschäftigten sei aber schon jetzt abzusehen, dass sich um 2030 abermals eine Lücke auftun wird. Er wiederholte den bekannten Appell des HDB an die Politik, die Ingenieure in den Verwaltungen vor allem für Genehmigungen und Projektbegleitung einzusetzen und den Ingenieuren in den Bauunternehmen mehr Planungsleistungen zu übertragen.
Eine Absage erteilte er gerade bei den Grünen weitverbreiteten Vorstellungen, man könne einfach Baukapazitäten vom Straßenbau zur Schiene verschieben. Die Qualifikationen von Mitarbeitern im Straßenbau seien ganz andere als im Eisenbahnbau. Auch die Firmen hätten komplett unterschiedliche Profile.