Die kurzzeitige Entspannung bei den Verbraucherpreisen ist verpufft: Getrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen sprang die jährliche Teuerungsrate im August wieder auf 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag anhand detaillierter Berechnungen bestätigte. Volkswirte rechnen mit zweistelligen Inflationsraten in den nächsten Monaten.
Nach 7,9 Prozent im Mai hatte sich der Preisauftrieb abgeschwächt. Im Juni betrug die Inflationsrate 7,6 Prozent, im Juli 7,5 Prozent. Für etwas Entlastung sorgten der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Tankrabatt sowie das 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr. Beide Maßnahmen liefen Ende August aus.
Inflation könnte im Dezember mehr als 10 Prozent erreichen
Ökonomen rechnen allein deshalb in den nächsten Monaten mit weiter steigenden Verbraucherpreisen. Gaskunden drohen zudem weiter anziehende Preise wegen der Gasumlage, die es Gasversorgern ermöglicht, Mehrkosten an ihre Kunden weiterzugeben. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel geht davon aus, dass die Inflation im Dezember mit mehr als 10 Prozent ihren Höhepunkt erreichen könnte. Allerdings erwartet die Bundesbank auch für 2023 mit voraussichtlich mehr als 6 Prozent Jahresteuerung eine deutlich erhöhte Inflation in Europas größter Volkswirtschaft.
Die Europäische Zentralbank (EZB), die sich nach langem Zögern mit höheren Zinsen gegen die rekordhohe Inflation stemmt, strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent Inflation an. Im August betrug der für die Geldpolitik maßgebliche Index HVPI für Deutschland 8,8 Prozent. Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern muss man in der Zeitreihe bis in den Winter 1973/1974 während der Ölkrise zurückgehen, um ähnlich hohe Werte zu finden.
Neues Entlastungspaket kann hohe Inflationsraten nicht ausgleichen
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro weniger leisten können. „Die hohen Inflationsraten lassen die realen Einkommen der privaten Haushalte sowie deren Ersparnisse dahinschmelzen und reduzieren ihre Kaufkraft“, hatte Ifo-Konjunkturforscher Timo Wollmershäuser am Montag erklärt. Das neue Entlastungspaket der Bundesregierung werde dies „bei weitem nicht ausgleichen“. VerkehrsRundschau berichtete.
Einer aktuellen Umfrage zufolge erwarten inzwischen fast vier von zehn Menschen in Deutschland (38 Prozent), dass sich ihre finanzielle Situation verschlechtern wird. Das seien nochmal zehn Prozentpunkte mehr als im Vorquartal, teilte Union Investment als Auftraggeber mit. Die Zahl der Pessimisten unter den gut 1000 Befragten war den Angaben zufolge mehr als drei Mal so hoch wie die Zahl derjenigen, die optimistisch nach vorne blicken (12 Prozent).
Linke fordert ein Inflationsgeld
Die Linke fordert Nachbesserungen am dritten Milliardenpaket der Ampelkoalition. Nötig sei ein „Inflationsgeld“ für alle Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen, sagte Parteichef Martin Schirdewan. Dem Vorschlag der Linken zufolge sollen Haushalte mit niedrigen und mittleren Haushalten 125 Euro monatlich bekommen, zuzüglich 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied.
Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die größten Preistreiber. Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe haben die bereits angespannte Lage verschärft. Im August 2022 lagen die Energiepreise in Deutschland nach Berechnungen der Wiesbadener Statistiker um 35,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Heizöl war mehr als doppelt so teuer wie vor Jahresfrist (plus 111,5 Prozent), die Erdgaspreise zogen um 83,8 Prozent an.
Für Strom mussten Verbraucher 16,6 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor, Kraftstoffe waren um 16,5 Prozent teurer. „Die Preiserhöhung für Energieprodukte lag somit trotz der Entlastungsmaßnahmen über der Gesamtteuerung“, bilanzierte das Bundesamt. Hauptursache sei der starke Anstieg der internationalen Einkaufspreise.
Insgesamt legten die Verbraucherpreise in Deutschland von Juli auf August des laufenden Jahres um 0,3 Prozent zu. Auch hierbei bestätigte das Bundesamt seine vor zwei Wochen veröffentlichten vorläufigen Zahlen. (dpa/sn)