Zu Wasser, zu Lande und auf der Schiene

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, ist bekannt für markige Worte in Pressemitteilungen. Die wiederum erregen Adalbert Wandt, Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), weil sie seiner Ansicht nach oft polemisch und sachlich unrichtig sind. Dafür stört sich Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Binnenschiffer (BDB) daran, wenn der BGL behauptet, der Lkw sei sauberer als das Binnenschiff. Edina Brenner, Geschäftsführerin des Landesverbandes Bayerischer Spediteure (LBS) nutzt alle Verkehrsträger. Schließlich transportieren ihre Mitglieder mit Bahn, Lkw, Schiff und Flugzeug. Ganz anders die Klientel von Sebastian Lechner. Als Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen(LBT) fahren seine Mitglieder vor allem mit dem Lkw. VR: Schadet die Aggressivität mancher Pressemeldung nicht eher? Brenner: Aus Sicht der Speditionen ist es einfacher, da sie verkehrsträgerneutral agieren - trotz Schwerpunkt Straßengüterverkehr. Wenn Sie das Thema Pressemitteilungen ansprechen, nehmen wir natürlich wahr, wie sich die entsprechenden Verkehrsträger positionieren. Für uns ist ein übergreifender Dialog wichtig. VR: Findet denn ein Dialog zwischen den Verkehrsträgern statt? Schwanen: Nach meiner Wahrnehmung schon. Als Partikularinteressen-Vertreter muss ich nicht zwingend in trimodalen Logistikketten denken. Insofern findet bei uns Medienansprache pointierter statt. Da wo sich das anbietet, arbeiten die Verbände in den verkehrspolitischen Themen durchaus zusammen. Es gibt gelegentlich Pressemitteilungen, da kann man sich die Frage stellen, wem schadet das jetzt und wem nützt das. Aber ich halte das für absolut legitim, wenn man einen Verkehrsträger vertritt. Für mich ist da die Grenze, wo ich merke, dass das sehr stark in Richtung Polemik läuft. Das sollte man versuchen zu vermeiden. Ansonsten finde ich nicht, dass wir uns in irgendeiner Art und Weise bekriegen. Flege: Das gute Miteinander wird häufig beschworen, ist im Einzelnen definitiv vorhanden und sollte bestärkt werden. Das wird nicht durch Pressearbeit gestört, sondern durch Themen wie den Lang-Lkw, der polarisiert. Da ist unsere Wahrnehmung, dass ein Miteinander der Verkehrsträger durch aggressives Hinterzimmer-Lobbying der Befürworter gestört worden ist. Die Schienenverbände haben weniger Drohpotenzial und führen die Debatte öffentlich. Pressearbeit erfordert auch Zuspitzung. Da kann Differenzierung auf der Strecke bleiben, weil Massenmedien das nicht aufgreifen. Allerdings finde ich auch, das gute Miteinander der Verkehrsträger ist in einem öffentlichen Dialog gut aufgehoben. Insofern begrüße ich diese Runde heute. VR: Macht der Straßengüterverkehr die cleverere Lobbyarbeit in eigener Sache? Wandt: Vielen Dank, das wäre ja ein Kompliment. Ich komme aus Niedersachsen mit einem Gesamtverband - da verträgt man sich miteinander. Und die Dinge in den Verbänden dauern lange, die handelnden Personen sind lange im Amt. Kontinuität ist damit sichergestellt. Wenn man mit handelnden Personen immer wieder zu tun hat, wird einem mehr geglaubt. Ständiger Wechsel ist nicht notwendig, Kontinuität ist besser. Ich hätte mir gewünscht, Ramsauer hätte eine zweite Amtszeit gehabt. Und ich würde mir wünschen, Dobrindt kriegte eine zweite. Um den Kollegen nicht wehzutun: Ich hab' nichts gegen Sie. Sie haben ihren Auftrag, Sie haben ihre Notwendigkeit. Wenn man dann aber feststellt, man ist in technischen Sachen auseinander, dann soll man Wissenschaftler holen. Wenn man feststellt, es ist nur eine falsche Formulierung, kann man um eine Klarstellung bitten. VR: Machen Verbände mehr Politik für die Politik statt für die Sache? Lechner: Wir sind ein lupenreiner Straßenverkehrsverband. Nichtsdestotrotz nehmen wir für uns schon in Anspruch, dass es unser Job ist, auf die Branche aufmerksam zu machen. Das ist Teil der Verbandsarbeit und Teil der Selbstdarstellung des Gewerbes. Das erwarten die Mitglieder. Aber da muss ich es mit einem sehr bekannten Journalisten halten: "Fakten, Fakten, Fakten". Es hilft nichts, Nebelkerzen zu werfen oder Dinge falsch darzustellen. Herr Flege hat den Lang-Lkw angesprochen. Er sagt immer noch Gigaliner - ein Musterbeispiel fürs Nebelkerzen werfen. Aber wenn im fünften Jahr des Feldversuches immer noch behauptet wird, der Lang-Lkw schädigt Straßen, macht Kreisverkehre kaputt und nimmt der Schiene Aufkommen weg, dann müssen wir das faktenorientiert, aber pointierter in der Öffentlichkeitsarbeit wieder zurechtrücken. Flege: Das mit dem einzelnen Lang-Lkw, der die Straßen schädigt, hören Sie von mir nie, weil es falsch ist. Lang-Lkw verbilligen den Transport und führen zu mehr Verkehr - dadurch wird die Infrastruktur strapaziert. Auch hier am Tisch sind Interessen vertreten, die möchten Verkehrswachstum, weil man damit Geld verdient. Es gibt Interessen, nicht primär hier am Tisch, die möchten, dass Transporte billiger werden. Ganz anders wir bei Allianz pro Schiene. Wir möchten nicht auf Teufel komm raus mehr Verkehr. Unser Satzungsziel ist die Marktanteilssteigerung der Schiene. Das ist auch die Brücke für die Umweltverbände, die bei uns sind, weil wir uns übergreifend für einen nachhaltigen Verkehr einsetzen. Wir möchten auch nicht, dass Verkehr billiger wird. Das ist kein Wert an sich. Ganz im Gegenteil, wir vertreten die Auffassung, dass jeder Verkehrsträger - auch die Schiene - die Kosten trägt, die er verursacht. Das heißt im Umkehrschluss nichts anderes, als dass Verkehr eigentlich teurer werden müsste. VR: Müsste die Initiative nicht von der Binnenschifffahrt ausgehen? Schwanen: Die Zusammenarbeit mit anderen Verkehrsträgern ist der Binnenschifffahrt schon fast immanent. Im Übrigen ist das aber nichts, was nach meiner Überzeugung zwingend von den Unternehmen in der Binnenschifffahrt kommen muss. Das entscheidet der Kunde. Ungeachtet der Kostensituation hat schon ein großes Umdenken stattgefunden, dass man versucht auf umweltfreundlichere Verkehrsträger mitzusetzen. Ich finde, dass wir im Bereich der Kombinierten Verkehre schon relativ viel erreicht haben. VR: Findet denn beispielsweise eine Verlagerung auf die Schiene jetzt schon statt? Flege: Da bin ich gar nicht zufrieden, weil das Potenzial des Schienengüterverkehrs sich überhaupt nicht entfalten kann. In dieser Legislaturperiode mussten wir massive Verschlechterungen der Wettbewerbsbedingungen des Verkehrsträgers Schiene hinnehmen. Es ist gesetzlich festgelegt, dass der Schienenverkehr nach dem Vollkostenprinzip agieren muss. Das gibt es im Straßenverkehr nicht. Der durchschnittliche Mautsatz in Deutschland sinkt seit Jahren. Das machen unsere europäischen Nachbarn anders. Lechner: Da gibt es noch ein ganz andere Problem: Der Terminalausbau stockt - wie alle Infrastrukturprojekte, wegen abnehmender Akzeptanz in der Bevölkerung. VR: Akzeptanz, Vorteile bei den Emissionen - spricht doch alles fürs Binnenschiff. Schwanen: Machen wir einen Faktencheck: Die CO2-Emissionen sind beim Binnenschiff nach derzeitigen Erhebungsmustern unangefochten niedrig - Herr Wandt, unser Lieblingsthema ... Bei den Stickoxiden sind wir nicht so gut. Trotzdem glaube ich nicht, dass wir eine Blüte der Binnenschifffahrt erleben, nur weil jemand in einer umweltpolitischen Absichtserklärung sagt, dass man die CO2-Emissionen reduzieren möchte. VR: Sie halten also die Umweltziele der Bundesregierung für illusorisch? Wandt: Wir haben eine Ministerin Barbara Hendricks, die möchte 2030 keine Gas-Lkw mehr haben. Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat aber vor einem halben Jahr gesagt, macht doch mehr in Gas-Lkw, wir können das auch fördern. Was machen wir dann jetzt? Wir können auch noch über den Oberleitungs-Lkw reden. Wenn wir jetzt noch 100 Bundestagsabgeordnete im September dazukriegen, dann gibt es noch mehr Meinungsäußerungen. Ich würde mir wünschen - vielleicht sind wir uns da einig -, dass die Mitglieder im Verkehrsausschuss im deutschen Bundestag einfach mehr Wissen haben müssten. Brenner: Auch die Speditionsbranche agiert nicht außerhalb umweltpolitischer Diskussionen. Wenn man sich veranschaulicht, welchen Wahnsinnsinvest die Branche geleistet hat - allein die Umrüstung der Fuhrparks von Euro 5 und Euro 6. Wir kommunizieren das regelmäßig, das wird aber kaum wahrgenommen. Die Investitionsbereitschaft in E-Mobilität ist da, aber ab 3,5 Tonnen gibt es serienmäßig nichts. Flege: Das will die Gesellschaft auch nicht mitbezahlen. Da sind wir wieder bei dem Preisniveau - Transport ist zu billig. Schwanen: Die Frage ist ja auch, woher kommt die sogenannte saubere Energie? Und wo kriegen Bayern und Baden-Württemberg als Industriestandorte künftig den Strom her? VR: Ist der Lang-Lkw eine Übergangslösung bis zum E-Lkw? Flege: Optimierung ist immer gut. Deswegen verstehe ich, wenn manche Spediteure mit Leidenschaft für den Lang-Lkw werben. Nun hat aber Logistik die Eigenschaft, dass sie Verkehrsträger-übergreifend funktioniert. Das heißt, wenn man nur im System Straße argumentiert, ist der Lang-Lkw scheinbar eine super Sache. "Aus drei mach zwei" ist ja ein Werbeslogan ... Lechner: ...und er ist kombifähig! Flege: ... Verkehrsträger-übergreifend sieht es aber völlig anders aus. Schwere Güter machen bei der Schiene nur noch 53 Prozent aus. Wir konkurrieren also auch mit dem Lkw. Und deswegen geht es beim Lang-Lkw nicht nur um die Interessen des Verkehrsträgers Straße. Die Frage ist umweltpolitisch und volkswirtschaftlich aufgeladen. Wandt: Ich kann mir vorstellen, dass der Lang-Lkw Container von Hamburg nach Thüringen transportiert, da ist kein Anschluss. Oder ab Wilhelmshaven - dieser Tiefwasserhafen ist schlecht angebunden. Es tut sich was. Aber wir brauchen paarige Verkehre. Was ich aber nicht verstehe, ist die Aussage der Allianz pro Schiene "Aus drei Lkw mach' vier Lang-Lkw". Flege: Es gibt induzierten Verkehr und es gibt Verlagerung von der Schiene zurück auf die Straße. Und da wird es am Ende des Tages mehr Lkw-Verkehr geben als jetzt, einfach weil der Transport billiger wird. Wandt: Das stimmt doch nicht. Wir können das nicht einzeln betrachten, wir müssen doch den großen Bogen spannen. Brenner: Wir haben Unternehmen, die sich mit dem Thema sehr intensiv befassen, die sie auch einsetzten. Wir sehen wohlüberlegte Investitionen, aber keinen Run. Der Lang-Lkw eignet sich vor allem für Volumentransporte und kommt im Vor- und Nachlauf zum Kombiverkehr zum Einsatz. Verlagerungen von der Bahn auf die Straße sehen wir nicht. Die positive umweltpolitische Bilanz ergibt sich schon aus der Tatsache, dass zwei Lang-Lkw drei konventionelle Lkw ersetzen. Lechner: Wir meinen einen guten Überblick zu haben. Von unseren Unternehmen, die Lang-Lkw einsetzen, hat keiner gesagt, jetzt bin ich auf der Straße so günstig, dass ich was von der Schiene nehme. Ganz im Gegenteil, es wird genutzt im Vor- und Nachlauf zum Terminal - und der zweite Klassiker sind Luftfracht-Ersatzverkehre. Da ist kein Potenzial für die Schiene und soweit null Gefahr durch den Lang-Lkw. VR: Gibt es auch etwas, was Sie am anderen Verkehrsträger schätzen? Wandt: Am Binnenschiff schätze ich besonders, dass ich neben dem Hafen wohne und dadurch eine ganze Menge Transportvolumen auf unsere Lkw bekomme. Lechner: Die Bahn schätze ich deshalb, weil kein Verkehrsträger allein das Aufkommen, das wir in Zukunft zu erwarten haben, bewältigen wird. Das ist der Verkehrsträger-Mix, den wir brauchen, und KV ist toll - das finden auch unsere Unternehmer. Flege: Ich schätze am Lkw, dass er sperrige Güter direkt zu den Menschen bringt. Ich schätze am Binnenschiff, dass es fast so umweltfreundlich ist wie die Eisenbahn. Schwanen: Ich schätze an Straße und Schiene gleichermaßen, dass sie Binnenschifffahrt möglich machen, weil ich komme mit dem Binnenschiff in gebrochenen Verkehren hin, wo einfach keine Wasserstraße ist, und das ist für mich die geborene Partnerschaft. Brenner: Die Spedition setzt alle Verkehrsträger entsprechend ihren Stärken ein und insofern hat sie eine hohe Bereitschaft, jeden entsprechend seinen Kapazitäten auch zu nutzen. Fortsetzung Forderungen an die PolitikTeil 2 des Round Table, die Forderungen der Verbände an die Politik, lesen Sie in der VerkehrsRundschau 10/2017 (ET 10.3.2017)