Zoff im Palettenpool

Die Europalette entspricht den Bestimmungen der European Pallet Association (EPAL). Diese Organisation hat genau definiert, unter welchen Bedingungen Paletten "tauschfähig" sind. Paletten sind nicht tauschfähig, wenn: Die Palette nicht nach einem lizenzierten Betrieb nach EPAL-Kriterien hergestellt wurde Die Kennzeichnung "EUR" oder andere Markierungen auf den Klötzen fehlen Ein Brett fehlt Bretter so beschädigt sind, dass mehrere Nagelschäfte sichtbar sind Ein Klotz fehlt oder so beschädigt ist, dass mehr als ein Nagelschaft sichtbar ist Der Allgemeinzustand sehr schlecht ist (morsch, verschmutzt usw.) Die Palette von einem nicht lizenzierten Betrieb repariert wurde Paletten: Vom Umtausch ausgeschlossen Checkliste Zoff im Palettenpool Neu ist das Thema Palettentausch nicht. Doch in jüngster Zeit verhärten sich die Fronten zwischen Verladern und Spediteuren. Keiner will auf den Palettenkosten sitzen bleiben. Was Spediteure nun tun wollen, was Experten raten. Von Ravioli aus der Dose über das neueste Fotohandy bis zum energiesparenden Kühlschrank – Tag für Tag liefern Transport- und Speditionsunternehmen Millionen von Waren vom Hersteller zum Händler. Auf Paletten. Dabei stehen die Spediteure nicht selten zwischen allen Stühlen – in der Dreiecksbeziehung zwischen Industrie, Handel und Dienstleister. Mit der Folge: Viele Verkehrsdienstleister müssen kräftig drauflegen, wenn es um den Palettentausch geht. "Liefere ich meine Ware bei Edeka Südwest ab, erhalte ich keine Tauschpaletten mehr", erzählt ein Spediteur, der nicht genannt werden will. Vor Ort würden sich zwar die Paletten – alle in einem 1-a-Zustand – stapeln, weiß er. Trotzdem erhalte er nur einen Palettenschein. Und damit beginnt die Odyssee des Spediteurs: Zunächst muss er den Palettenschein per Post an die Deutsche Paletten Logistik (DPL) schicken, ein Dienstleistungsunternehmen von Edeka Südwest. Im Gegenzug erhält er einen Lieferschein per Fax und erst mit diesem könne er, erzählt der Unternehmer, seine Paletten an einem DPL-Servicestandort abholen. "Das Verfahren ist sehr kompliziert. Bestimmt rechnet die DPL damit, dass man wegen ein paar Paletten den Aufwand scheut", ärgert sich der Unternehmer. "Für die Abholung der Paletten hatte ich dann laut Lieferschein ein Zeitfenster von nur drei Tagen." "Das ist ein Skandal, was mit uns abgezogen wird", meint er. Er vermutet, dass Edeka Südwest am Palettentausch noch etwas verdient: Die qualitativ hochwertigen Paletten würden vor Ort aussortiert, nur die schlechten von der DPL abgeholt und an die Transportunternehmen ausgehändigt. "Ich glaube, dass Edeka Südwest die guten Paletten verscherbelt. Uns Spediteuren fehlen diese natürlich, wir müssen Leerfahrten in Kauf nehmen. Auf den Kosten bleiben wir sitzen. Da fehlen mir die Worte", klagt der Spediteur. Streitpunkt Palettenqualität Edeka Südwest bestätigte gegenüber der VerkehrsRundschau auf Anfrage, mit der DPL zusammenzuarbeiten. Ansonsten wollten aber weder Edeka noch die DPL eine Stellungnahme zu dem Thema abgeben. Sowieso scheint Palettentausch ein heikles Thema für viele zu sein. Denn die von uns befragten Handelsfirmen und Verlader zeigten sich ungewohnt schmallippig, wenn die Rede auf den Palettentausch kam. Der Handelskonzern Metro Group beobachte allerdings "die Diskussion über mangelnde Qualität und Prob-leme im Palettentauschverfahren sehr genau", teilte Sprecher Moritz Zumpfort auf Anfrage mit. Und weiter: "Die MGL Metro Group Logistics nimmt als Logistikdienstleister der Vertriebslinien der Metro Group am Palettentauschverfahren teil und übernimmt wie jeder Teilnehmer die Kosten für die in den eigenen Logistikprozessen übernommenen Paletten." Ausstieg als Alternative? Vor allem die mangelhafte Qualität der Paletten sorgt häufig für Verstimmungen zwischen den Parteien. "Für den Palettentausch gibt es die einfachen bekannten Regeln, die einen gleichwertigen Tausch von Paletten vorsehen. In der Praxis kommt es aber regelmäßig zu Diskussionen über die vergleichbare Qualität der getauschten Paletten, bei denen sich die Spediteure regelmäßig in der benachteiligten Position sehen", sagt Ulrich Binnebößel vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Selbstverständlich würden sich die Handels-unternehmen an dem Verfahren beteiligen, indem sie Tauschpaletten zur Verfügung stellen und entsprechende Kosten übernehmen. "Generell entstehen bei allen Beteiligten bestimmte Aufwände bei Handling, Transport und Tausch. Aufgabe der Beteiligten ist es, die entsprechenden Kosten in ihre Kalkulationen zu übernehmen und in Verhandlungen mit ihren Vertragspartnern abzustimmen." Leichter gesagt, als getan. Denn in der jetzigen Marksituation scheint eine gerechte Verteilung der Kosten nur schwer umsetzbar. "Wir stellen bei einigen Verladern eine nicht vorhandene Bereitschaft fest, sich an den Palettentauschkosten adäquat zu beteiligen", sagt Robert Cathomas, Manager Corporate Communications bei der Kühne + Nagel Management AG. Auch eine mögliche Palettentauschgebühr werde von den Verladern nur bedingt akzeptiert. Mit der Folge: "Die Erlöse der Spediteure und Frachtführer werden erneut geschmälert, was in letzter Konsequenz im Bereich kleinerer Anbieter zu einer Marktbereinigung führen könnte." Alternativ könnte man laut Cathomas die Palette als Bestandteil der Ware behandeln und auf den Tausch verzichten. Auch die Cargoline-Systemzentrale empfiehlt den Ausstieg aus dem heutigen Tauschverfahren. "Die Tauschgebühr ist keine Lösung, sondern nur ein Pflaster auf die bestehende Situation. Es ist anzunehmen, dass sich die Gebühr nicht durchsetzen lässt. Somit ist nur der Ausstieg aus dem heutigen Palettentauschsystem eine ernsthafte Alternative", meint Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der Cargoline GmbH. Die Palette sei Teil der Verpackung und damit Aufgabe des Verladers. "Der Verlader muss mit dem Empfänger eine Regelung zu den Paletten treffen – nicht der Spediteur", fordert Struck. Paletten würden oft nicht oder erst nachträglich getauscht. Das erhöhe den administrativen Aufwand. Außerdem würden viele Verlader den Spediteur für schlechte oder nicht getauschte Paletten nicht entschädigen. "Andererseits möchte er zunehmend gute beziehungsweise nach Möglichkeit weiße Paletten umsonst gestellt bekommen. Das geht zu 100 Prozent zulasten des Spediteurs", sagt Struck. Palettentausch nicht zum Nulltarif Schon lange ist es nicht mehr die Regel, dass ein LKW-Fahrer seine Ware von A nach B liefert und direkt an Standort B Paletten in gleicher Anzahl und gleicher Güte gegen die gelieferten eintauschen kann. Auf den Kosten für Leerfahrten, Ersatzbeschaffungen durch mangelnde Palettenqualitäten und zusätzlichem Personal bleibt meist der Chef – also der Spediteur – sitzen. Wie hoch die Kosten wirklich sind, hat das Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) im Auftrag des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV) in einer Studie errechnet. Demnach entstehen einem Spediteur durch das Palettentauschverfahren Kosten in Höhe von rund 2,50 Euro pro Euroflachpalette je Umlauf. "Je nach Qualitätsanspruch kann der Preis auch noch weiter steigen", erklärt Ingo Hodea vom DSLV. Deshalb ist für den Verband klar: Palettentauch kann es zukünftig nicht mehr zum Nulltarif geben, kommentiert Hauptgeschäftsführer Heiner Rogge die Ergebnisse der Fraunhofer-Analyse. "Bereits seit Jahren gibt es Probleme mit Paletten und eine einseitige Kostenverschiebung zulasten der Speditionen", so Hodea. "Unser Anliegen war es, die Kosten aufzufächern und so für mehr Transparenz zu sorgen." Eine Studie im Auftrag der Chep Deutschland GmbH, Anbieter im Pooling von Paletten und Kunststoffbehältern, beziffert die Kosten für das Palettenmanagement – also den Tausch, die Qualitätssicherung, den Ausgleich von Schwund und die Verwaltung der Palettenkonten – sogar auf drei bis vier Euro pro Palettenbewegung. Interessant sei vor allem die Verteilung der Kosten zwischen den Beteiligten, also Verladern, Spediteuren und Empfängern. "So hat die Studie gezeigt, dass 70 bis 90 Prozent dieser Kosten beim Logistiker/Spediteur liegen. Eine für Verlader und Empfänger komfortable Situation – aber nur auf den ersten Blick", sagt Martin Nether, Director LSP bei Chep. Denn fest steht: "Diese Kosten werden irgendwo verrechnet – etwa in der Fracht, im Verkaufspreis der Ware. Aber niemand kennt die Höhe und niemand hat einen Benchmark für das wirtschaftlich Bestmögliche. Niemand kontrolliert und optimiert den Prozess des Palettenmanagements nachhaltig. Die Kosten sind nicht transparent und somit auch nicht planbar." Ausweg geschlossener Palettenpool? Deshalb bietet Chep den so genannten geschlossenen Palettenpool an. "Bei einem geschlossenen Pool gibt es einen Systembetreiber, diesem gehören die Ladungsträger, er ist verantwortlich für die Verfügbarkeit, Rückführung des Leergutes und Sicherung der Qualität durch Inspektion und Reparatur", erklärt Martin Nether. Verlader, Logistikdienstleister und Empfänger würden also von transparenten und wettbewerbsfähigen Preisen profitieren. Auch die im Zusammenhang mit dem Tausch entstehenden Wartezeiten, Leerguttransporte, administrativen Tätigkeiten und die Kapitalbindung entfallen laut Nether. Aber auch hier gilt: Alle Teilnehmer müssen sich entlang einer Supply Chain einig sein, um gemeinsam zu profitieren. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, wie die momentane Praxis beweist. ❙❚■ Tanja Strauß, freie Journalistin Streitpunkt Palettentauschgebühr: Wer zahlt die Zeche? Gelingt es Spediteuren nicht, die Palettentauschgebühr durchzusetzen, droht das Palettentauschverfahren zu kippen Palettentausch kostet Spediteure viel Geld. Das bestätigt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer des Speditionsverbunds Cargoline. Seinen Aussagen zufolge kostet der Palettentausch einen mittelständischen Spediteur jährlich rund 250.000 Euro. Die Kosten verteilen sich dabei wie folgt: Bereich Prozent Beschaffungskosten 53 Reparatur 8 Entsorgung 9 Palettenschwund 9(Buchungsfehler, Diebstahl) Paletten-Tracking-Software 7 Ungerechtfertigte Haftbarmachung 14(Erwartungshaltung, AGB) Aufteilung der Kosten "Die Diskussion ist nicht neu" Wie zukunftsfähig ist das Palettentauschverfahren? Dazu Gunnar Gburek, Bereichsleiter Logistik beim Bundesverband BME. Warum kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Problemen beim automatischen Palettentauschverfahren? Gunnar Gburek: Die Diskussion um das Palettentauschverfahren ist nicht neu. Sie ist so alt wie die Palette selbst. In letzter Zeit wurde intensiver darüber diskutiert, weil einige dänische Dienstleister aus dem Tauschsystem ausgestiegen sind beziehungsweise nur noch gegen Gebühr tauschen. Dabei handelt es sich um Ausnahmen. In ganz Europa und auch in den meisten anderen Ländern funktioniert das Palettentauschsystem. Wie stark beschäftigt das Thema Ihre Mitglieder? Das Thema ist für unsere Mitglieder in allen Branchen interessant. Der BME hat darum bereits zu Beginn des vergangenen Jahres den Arbeitskreis "Behältermanagement und Mehrwegtransportsysteme" einberufen. Hier geht es auch um die Frage, welches Mehrwegtransportsystem wann am sinnvollsten zum Einsatz kommt. In manchen Fällen ist ein geschlossenes Poolsystem eines externen Anbieters eben sinnvoller als das offene System der Europalette. Auf der Messe Transport Logistic veranstalten wir dazu am 15. Mai in München ein Forum. Laut diverser Studien müssen die Speditionen den Großteil der Kosten für den Palettentausch tragen. Stimmt das und wie könnte man das Tauschverfahren "gerechter" gestalten? Die Kosten tragen nicht nur die Spediteure, sondern auch die Industrieunternehmen, die ja gute Paletten oder Gitterboxen in den Umlauf bringen und schlechte wieder zurückbekommen. Die Kosten für das Handling der Paletten werden schon heute in vielen Fällen über die Transportvergütung abgegolten. Im Handel, wo es die häufigsten Reklamationen seitens der Frachtführer gibt, sollte neben dem quantitativen auch ein qualifizierender Faktor etabliert werden. Das heißt: Angelieferte Paletten werden im Wareneingang gemeinsam von Wareneingangskontrolleur und Fahrer begutachtet und beurteilt. Auf dem Palettenschein wird dann nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualitätsstufe bescheinigt. ts Gunnar Gburek Interview Wie Spediteure die Kosten in den Griff bekommen In einem ersten Schritt müsse man ein Bewusstsein für die Gesamtkosten des Prozesses zwischen allen Beteiligten in einer Supply Chain herstellen, so Martin Nether, Director LSP bei Chep. Dies kann zunächst einmal unabhängig davon geschehen, wer denn im Moment welchen Anteil an den Kosten trägt. "Der zweite Schritt ist die gemeinsame Optimierung dieser Kosten durch die Auswahl des passenden Systems", rät Nether. Dies könnte beispielsweise ein offener Pool, ein geschlossener Pool oder Einweg sein. Sollen die Kosten zwischen den drei Beteiligten Industrie, Spedition und Handel wirklich gerecht verteilt werden, geht aber kein Weg an einem offenen und ehrlichen Gespräch vorbei. Die Teilnehmer müssen ihre internen Prozesskosten offenlegen, um die externen Kosten einvernehmlich zu verteilen. ts Tipp Wie Spediteure den Dauerkonflikt mit Verladern beim Palettentausch vermeiden können, sagt Peter Schreiber, Inhaber des Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner in Ilsfeld. Zwischen Spediteuren und ihren Kunden gibt es häufig Unstimmigkeiten darüber, welche Leistungen im Vertrag enthalten sind – der Palettentausch ist nur ein Beispiel. Grund dafür sei, so Unternehmensberater Peter Schreiber, dass viele Spediteure vor dem Erstellen ihrer Angebote nicht analysieren, welche Serviceleistungen für ihre Kunden untrennbar mit der Dienstleistung "An- und Ausliefern von Waren" verbunden sind. Folglich würden diese Services auch nicht in ihre Preiskalkulation einfließen. Damit aber, so der Berater, sei der Ärger vorprogrammiert. Schreiber empfiehlt deshalb: Analysieren Sie genau, welche Zusatzleistungen neben dem reinen Transport der Kunde von Ihnen erwartet. Berechnen Sie exakt, welche Mehrkosten Ihnen hierdurch entstehen. Formulieren Sie Ihr Angebot erst, wenn Sie alle Zusatzleistungen erfasst und kalkuliert haben. Natürlich seien Preise eines Spediteurs mit sauberer Kalkulation oft höher als die seiner Mitbewerber, räumt Schreiber ein. Er rät aber: "Stehen Sie dazu. Sagen Sie selbstbewusst: ,Ja, unsere Preise sind etwas höher. Denn darin sind zum Beispiel die Leistungen Be- und Entladen des LKW und eben auch das Paletten-Handling enthalten." Akzeptiere der Kunde den höheren Preis nicht, empfiehlt der Berater das Argument: "Gerne komme ich Ihnen preislich entgegen. Dann sollten wir aber einige Serviceleistungen aus dem Leistungspaket streichen." Gehe ein Spediteur so vor, sagt Schreiber, werde er schnell merken: Die "kostenlosen" Serviceleistungen sind für seine Kunden "geldwert". Sie wollen darauf nicht verzichten. Fazit des Beraters: Eine saubere Preiskalkulation auf Basis der Kundenwünsche bringt mehr, als mit Billigangeboten Aufträge zu generieren – und dann über die selbst vereinbarten Preisen zu klagen. eh "Stehen Sie zu Ihren höheren Preisen. Seien Sie selbstbewusst." preisgespräche

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