"Wir sind gekommen, um zu bleiben"

Wie kommt jemand auf die Idee, 1944, im Krieg, einen Lkw-Vermieter zu gründen? Rump: Fraikin war zu Anfang keine Vermietung, sondern ein Transportunternehmen. Das ging mit zwei Autos, die für einen Kunden fuhren, los. Unternehmensgründer Gérard Fraikin hat schnell gemerkt, dass es lukrativere Geschäftsmodelle gibt als den reinen Transport. Daher verwandelte er das Transportgeschäft wenige Jahre später in eine Vermietung. Herr Rump, auch Sie hätten im Unternehmen der Eltern Spediteur werden können. Rump: Das stimmt, ich bin in, auf und unter dem Lkw aufgewachsen, aber meine Eltern haben mich nie in die Unternehmensnachfolge gedrängt. Zudem war mein Vater noch recht jung und das Unternehmen für zwei Chefs zu klein. Die Spedition haben wir 2005 aufgegeben - einen Teil verkauft, einen eingestellt. Fraikin hat eine bewegte Vergangenheit nebst Börsengang und Eigentümerwechseln hinter sich. Größter Anteilseigner ist die Private-Equity-Firma CVC. Welche Pläne verfolgt die? Rump: Für unsere Eigentümer kann ich nicht sprechen. Aber sie wollen internationalisieren. Wir sind europaweit die Nummer eins und wollen die günstigen Kapitalmarktzinsen nutzen, noch ein paar weiße Flecken zu schließen. Das waren dieses Jahr: Deutschland, Italien und die Niederlande. Zudem bauen wir in Russland und Saudi-Arabien Landesgesellschaften auf. Warum kam ein so großer europäischer Player so spät nach Deutschland? Rump: Ein Grund für den späten Markteintritt ist, dass der deutsche Markt vor der Krise überlaufen war. Ende der 90er sind viele neue Spieler dazugekommen. Das Marktpreisniveau sank in den Keller, bis die Krise 2008, 2009 das bereinigt hat. Zudem lag Fraikins Fokus in dieser Zeit auf der Expansion in Osteuropa. Der Markt war weniger umkämpft und sehr offen für zusätzliche Servicedienstleistungen. 2014 wollte Fraikin dann aber doch an der schieren Größe des deutschen Marktes teilhaben. Seitdem laufen die Arbeiten für den Markteintritt und seit Mai 2015 sind wir hier. Ist die Expansion fremdfinanziert oder hat Fraikin über CVC Geld eingesammelt? Rump: Sowohl als auch. Wie schnell müssen Sie erfolgreich sein, damit nicht alles wieder eingestampft wird? Rump (lacht): Wir sind gekommen, um zu bleiben. Business-Case und Investitionsplan sind auf mehrere Jahre angelegt. Uns ist bewusst, dass es ein hohes Investment, eine Anlaufphase und das richtige Team für den Markteintritt in Deutschland braucht. Wir wollen zügig auf Volumen kommen, um das, was wir als Service verstehen, auch zu rechtfertigen. Dazu genießen wir die volle Unterstützung unserer französischen Zentrale und unseres Investors. In 70 Jahren Unternehmensgeschichte und mit einer Flotte von mehr als 50.000 eigenen Fahrzeugen hat Fraikin bewiesen, dass wir Durchhaltevermögen haben. Wie viel Geld wollen Sie investieren? Rump: Das wird in den nächsten fünf Jahren Richtung dreistelliger Millionenbeträge gehen. Wen sehen Sie als Ihren Hauptwettbewerber in Deutschland? Burmeister: Wir unterscheiden uns von den anderen Anbietern sehr deutlich, denn wir wollen nicht die gängigen Standard-Lkw vermieten. Fraikin will vor allem Fahrzeuge anbieten, die sehr viel technikaffiner sind als ein klassischer Sattelzug. In diesem Segment scheuen die anderen Vermieter die dazu nötigen langen Vertragslaufzeiten und Haltedauern der Fahrzeuge. Dagegen verfügen wir im Konzern über genug Erfahrung, um auch bei langen Laufzeiten die Service- und Reparaturseite im Griff zu haben. Und wir wollen in Fahrzeugkomponenten investieren, von denen sich hier bislang niemand vorstellen konnte, dass man die im Rental abbilden kann. Was sollen das für Fahrzeuge sein? Burmeister: In Spanien haben wir beispielsweise Krankenwagen vermietet, in Großbritannien Gefängnistransporter. Ein wichtiges Thema in Deutschland sind Kühlfahrzeuge. Es geht darum, sich mit den Kunden zusammenzusetzen und komplexe Servicedienstleistungen und Total Cost of Ownership zu diskutieren. Da trauen sich die herkömmlichen Vermieter bei solchen Fahrzeugen meist nicht ran. Kühlfahrzeuge, mehr nicht? Burmeister: Doch. Lkw für Spezialtransporte und Kranfahrzeuge. Langfristig werden wir noch das Entsorgungssegment angehen. Fraikin hat traditionell einen sehr bunten Fuhrpark. Wir sind in der Lage, sehr kundenspezifische Fahrzeuge anzubieten und wir sind nicht daran interessiert, frontal gegen die OEM-Spieler zu stehen, die Sattelzüge vermieten. Die machen bei uns nur zehn Prozent der Flotte aus. Bei so speziellen Fahrzeugen, welche Laufzeiten für die Mietverträge erwarten Sie? Burmeister: Wir starten ab drei Jahren - da wo unsere Mitbewerber aufhören. Die brauchen ihre Sattelzugmaschinen nach 36 Monaten zurück, um sie noch im Zweitmarkt verwerten zu können. In kürzere Laufzeiten steigen wir erst ein, wenn wir einen eigenen Gebrauchtfuhrpark haben. Wie lange hält Fraikin Fahrzeuge? Burmeister: Die haben bei uns drei Leben. Das erste Leben ist die Vermietung von drei bis sechs Jahren. Im zweiten Leben werden die Lkw in der Kurzzeitvermietung vor allem zur Lieferzeitüberbrückung eingesetzt, bis das Neue kommt. Das kann bis zum achten Jahr des Fahrzeugs gehen, danach wird es verkauft. So weit sind wir in Deutschland natürlich noch nicht. Bei diesen langen Laufzeiten: Ist das noch die klassische Miete oder schon Mietkauf beziehungsweise Leasing? Burmeister: Das ist reine Miete mit den üblichen Servicekomponenten - von der Versicherung bis zum Pannendienst. Gibt es für den Mieter nur das Komplettpaket oder kann er sich Services aussuchen? Burmeister: Das wird sehr unterschiedlich sein. Die Ansprüche der Unternehmer sind different und es wird daher die Möglichkeit geben, einzelne Serviceleistungen abzuwählen. Grundsätzlich bieten wir aber erst einmal das Gesamtpaket an. Wenn aber beispielsweise jemand seine eigene Werkstatt nutzen will, dann finden wir dafür eine Lösung. Sie wollen das Flottenmanagement der Unternehmer übernehmen. Welche Aufgaben gehören dazu? Burmeister: Bei vielen Mittelständlern wird die Flottenverwaltung recht hemdsärmelig betrieben. Oft fehlt den Unternehmen die kritische Masse, dass es sich lohnt, dafür jemanden einzustellen. Ich kenne Unternehmen, bei denen alle Reifenkäufe oder Reparaturen auf ein Konto gebucht werden. So erreichen sie keine Transparenz über die Kosten ihrer Flotte. Unser Ziel ist es, die Flotten unserer Mieter zu führen. Das heißt, wir übernehmen gegen eine Gebühr das komplette Service- und Wartungsmanagement nebst der Abwicklung. Dazu müssen wir in Deutschland in den nächsten zwei bis drei Jahren noch die nötigen Strukturen aufbauen. Und das senkt die Kosten im Fuhrpark? Burmeister: Ja. Als Großflottenbetreiber können wir zudem mit den Herstellern und Dienstleistern bessere Konditionen aushandeln als ein Mittelständler. Rump: Es geht auch darum, den Kunden bei der Konfiguration der Fahrzeuge zu beraten, sodass diese ideal zum Einsatzzweck passen. Dabei profitieren wir von der Erfahrung aus unserer Großflotte. Bislang ist die Größe von Fraikin in Deutschland recht bescheiden. Wie wollen Sie den Service für technische komplexe Lkw gewährleisten? Burmeister: In Frankreich machen wir das in über 130 eigenen Werkstätten. In Polen, wo wir Marktführer sind, bilden wir das über das Servicenetz der Hersteller ab. So werden wir das hier auch angehen. Beim Pannendienst werden wir auf ähnliche Dienstleister setzen wie unsere Marktbegleiter. Wollen Sie in Deutschland eigene Werkstätten bauen? Burmeister: Langfristig haben wir das Ziel, mit eigenen Werkstätten an zentralen Punkten präsent zu sein. Aber sicher nicht in den ersten vier Jahren. Vorher brauchen wir die nötige Größe. Unter 4000 oder 5000 Einheiten braucht man nicht über eigene Werkstätten nachzudenken. Also wickeln Partner anfangs alle technischen Arbeiten ab? Burmeister: Nein, wir legen viel Wert auf den Erhalt unserer Assets. Dazu haben wir aus dem Ausland das Konzept des mobilen Technikers adaptiert. Der repariert keine Fahrzeuge, sondern bespricht mit den Kunden, wie mit den Lkw umgegangen wird. Das soll böse Überraschungen am Mietende vermeiden. Wie wollen Sie in Deutschland auf das angesprochene Volumen kommen? Rump: Aus dem Ausland haben wir gute Kontakte zu europäischen oder globalen Großkunden. Diese werden wir als ersten Schritt in Deutschland besuchen. Bislang war es manchmal so, dass wir an Ausschreibungen nicht teilnehmen konnten, weil Deutschland bei uns ein weißer Fleck auf der Karte war. Ab welcher Flottengröße sind Unternehmen für Fraikin interessant? Rump: Wir schauen uns sicher nicht nur die Großkunden an, sondern sprechen auch mit den Betreibern von Flotten mittlerer Größe. Diese brauchen wir für eine vernünftige Wachstumsgeschwindigkeit in Deutschland und zum Erreichen der kritischen Masse. Im Fokus stehen Flotten ab 75 bis 100 Einheiten. Wie viele solcher Flotten gibt es denn? Rump: In Europa gibt es für das Thema Großkundenmanagement über alle Branchen hinweg etwa 2000 bis 2500 Unternehmen, die für uns infrage kommen. Keine Angst, dass der Wettbewerb Sie bei der Akquise hart anfasst, nachdem Sie dort Personal abgeworben haben? Burmeister: Wir werden uns sicherlich im Markt begegnen, ich bin hier nicht angetreten, um mir überall Freunde zu machen. Mit unserem Leistungsportfolio bewegen wir uns aber in einem Bereich, in dem wir keinen oder nur sehr wenig Wettbewerb haben. Und wenn wir in Ausschreibungen doch mal auf die Kollegen treffen, werden wir uns, wie immer schon, mit viel Respekt behandeln. Und, nicht alle sind abgeworben. Viele haben sich aktiv um den Eintritt bei Fraikin bemüht. Was zeichnet Fraikin aus, dass jemand zu einem Newcomer wechselt? Burmeister: Wir versuchen sehr auf die persönlichen Belange eines Mitarbeiters einzugehen und Spaß an der Arbeit zu vermitteln. Bei uns sollen Mitarbeiter wieder eigene Ideen ins Unternehmen einbringen und umsetzen. Rump: Auch wenn Fraikin 2800 Mitarbeiter hat, sind wir noch ein Familienunternehmen. Das zeichnet uns aus. Hier sind die Entscheidungswege kürzer und Hierarchien flacher als in einem Konzern. Trotz Börsengang und Finanzinvestor? Rump: Ja, trotzdem. Übrigens ein Grund, warum ich hierher gewechselt bin. Zudem können sie hier Start-up-Luft schnuppern ohne das Risiko eines Start-ups, da wir eine starke Mutter im Rücken haben. Wie viele Fahrzeuge sind bestellt? Rump: In den ersten drei Jahren wollen wir auf eine vierstellige Zahl kommen. Aber, das sind keine Flottenfahrzeuge, die wir auf dem Hof haben. Wir kaufen nur kundenspezifische Lkw bei einem entsprechenden Auftrag. Bei welchen Herstellern kaufen Sie? Burmeister: Der Konzern hat mit fast allen Herstellern Rahmenverträge, die wir in Deutschland nutzen können. Das gilt für motorisierte Einheiten sowie für die Hersteller von Anhängern und Aufbauten. Anders als man vielleicht meinen möchte, besteht unser Fuhrpark nicht nur aus Renaults. Aus der Zentrale haben wir die Erlaubnis, hier in Deutschland die einheimischen Anbieter einzubinden. Der Konkurrenzkampf ist groß. Manch einem Player wird nachgesagt, dabei über den Preis zu punkten. Sie auch? Burmeister: Definitiv nicht. Das ist sehr von den Herstellertöchtern mit ihren Standardfahrzeugen getrieben. Die nutzen den Mietmarkt als Absatzkanal, um ihre Bandauslastung zu halten. Wir sind aber kein Hersteller, sondern müssen mit dem Service-Gedanken Geld verdienen. Wollen Sie damit aus eigener Kraft wachsen oder planen Sie Übernahmen? Rump: Der Business-Case sieht organisches Wachstum vor. Aber es gab in der Fraikin-Geschichte auch Übernahmen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Miete www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Steffen RumpDer Geschäftsführer von Fraikin Deutschland wurde 1974 in Nottuln bei Münster als Sohn einer Unternehmerfamilie geboren. Die betrieb eine Spedition und ein Autohaus. Rump studierte nach einer Bank-Lehre Betriebswirtschaftslehre. Sein beruflicher Werdegang führte ihn von einer Analystentätigkeit bei der Investmentbank Merill Lynch über die Unternehmensberatung Oliver Wyman zum Nutzfahrzeughersteller MAN. Dort arbeitete er bis zu seinem Wechsel zu Fraikin im Key Account Management. Rump ist verheiratet und interessiert sich unter anderem für Geschichte, Fußball und Gartenarbeit. svMarcus BurmeisterDas ehemalige Euro-Leasing-Urgestein verantwortet seit Herbst 2015 den Vertrieb von Fraikin. Burmeister wurde 1965 in Flintbek bei Kiel geboren. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und einigen Zwischenstationen arbeitete er von 1999 bis 2014 in verschiedenen Positionen für Euro-Leasing, zuletzt als Geschäftsführer Vertrieb und Technik. Der verheiratete Burmeister (zwei Kinder) läuft in seiner Freizeit Ski und spielt Fußball. Sein Fan-Herz hängt sowohl am HSV als auch an Bayern München. sv Unternehmen Fraikin Fraikin ist nach eigenen Angaben der größte Nutzfahrzeugvermieter in Europa. Das französische Unternehmen hat 50.000 eigene Fahrzeuge in der Flotte und erwirtschaftete 2014 mit 2800 Mitarbeitern gut 650 Millionen Euro Umsatz. In Deutschland ist Fraikin 2015 mit zehn Mitarbeitern gestartet, 2016 sollen es 20 sein. Neben der Zentrale in Unterschleißheim bei München gibt es noch Niederlassungen bei Hamburg und im Münsterland. In den nächsten fünf bis acht Jahren sollen es zehn Stützpunkte werden. Das Unternehmen vermietet überwiegend Spezialfahrzeuge. sv

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