Wieder Logistik-Weltmeister

So manchen Logistiker mag es vielleicht verwundern: Da werden in Deutschland wichtige Autobahnbrücken für den kompletten LKW-Verkehr gesperrt, da arbeitet die am stärksten befahrene Wasserstraße der Welt, der Nord-Ostsee-Kanal, mit einer Schleusentechnik, die 100 Jahre alt und entsprechend marode ist und daher immer wieder mal ausfällt. Und trotzdem: Deutschland hat es wieder geschafft und ist zum zweiten Male zum Logistikweltmeister gekürt worden. Ranking bestätigt das hohe Niveau Bis zum nächsten Ranking in zwei Jahren, aufgestellt von der Weltbank, darf sich Deutschland mit dem Titel schmücken. Man kann sich sicher sein, dass vor allem die Politik bei jeder passenden Gelegenheit darauf verweisen wird, wer die Nummer eins ist in Sachen Logistik. Und es gibt auch keinen Zweifel daran, dass trotz der sich hierzulande in den letzten Jahren verschärfenden Infrastrukturprobleme das Leistungsniveau der Logistik hochwertig ist. Aber dennoch ist der Titel "Logistik-Weltmeister" mit Vorsicht zu genießen. Denn die Weltbank schreibt dazu selbst in ihrem Bericht, dass zum einen die Beurteilung der befragten Unternehmen, auf die das Ranking fußt, einen gewissen Spielraum offen lässt. So könnten ausländische Unternehmen beispielsweise die einheimischen Gepflogenheiten nicht kennen und daher schlechtere Erfahrungen beispielsweise mit dem Zoll machen als die Betriebe mit Sitz vor Ort. Die Verzollung wäre in dem Fall also gar nicht so schlecht wie von außen wahrgenommen. Da zudem der Abstand zwischen den Ländern in dem Ranking zum Teil sehr gering ist, die Daten aber aus statistischen Gründen innerhalb von Intervallen abgefragt und damit nicht ganz exakt erfasst werden, sollte laut Weltbank für die politischen Entscheidungsträger nicht entscheidend sein, ob ein Land einen Rang besser oder schlechter platziert ist. Sondern viel entscheidender sei die Einordnung in eine Gruppierung: ob ein Land eher in die obere Kategorie einzuordnen ist und nur noch wenige Defizite aufweist oder ob es einer unteren Kategorie angehört und in welchen Disziplinen ein Nachholbedarf besteht. Andererseits ist der Vorsprung, den Deutschland 2014 vor den zweitplatzierten Holländern hat, mit 0,07 Punkten so groß, wie er noch nie im Rahmen eines Rankings war. Beispielsweise lag Deutschland 2010 nur mit 0,02 Punkten vor Singapur (siehe obere Tabelle Seite 23). Kern des Rankings ist eine Befragung, bei der die Teilnehmer ein Land innerhalb von sechs Kategorien zwischen 1 (sehr geringes Niveau) und 5 (sehr hohes Niveau) bewerten müssen. Diese sechs Kategorien lauten: Verzollung, die Qualität der Handels- und Transportinfrastruktur, Versendung internationaler Transporte, die Logistikqualität und -kompetenz eines Landes, die Sendungsverfolgung und -dokumentation und die Pünktlichkeit, mit der Sendungen abgewickelt werden. Westliche Länder dominieren Deutschland ist das einzige Land, dass es geschafft hat, sich in allen sechs Kategorien unter den ersten Vier zu platzieren (siehe untere Tabelle Seite 23). Eine Top-Position nimmt Deutschland beim Tracking und Tracing und - tatsächlich - bei der Verkehrsinfrastruktur ein. Sicher spielt hier eine Rolle, dass es in der Tat weltweit kein so großes Land gibt, dass flächendeckend über so viele Straßen, Gleise und Wasserstraßen verfügt wie Deutschland. Singapur auf Rang zwei hat es als kleiner Stadtstaat deutlich leichter, sich vorne zu platzieren. Und dass unser Nachbar Niederlande über eine sehr gut Infrastruktur verfügt, ist bekannt und keine Überraschung. Eher schon Rang vier von Norwegen, gibt es doch dort vor allem im nördlichen Teil des Landes Regionen, die nicht so einfach zu erreichen sind. Dass die westlichen Industrieländer das Ranking dominieren, war zu erwarten. Interessanter ist eher, wie es mit der Logistik in den aufstrebenden Ländern steht. Das Riesenreich China belegt immerhin Platz 28, hat sich aber gegenüber den vorherigen zwei Ausgaben nicht verbessern können. Die Türkei kommt auf Rang 30 und konnte damit im Vergleich zum Jahr 2012 ebenfalls keine Plätze gutmachen. Gar nur auf dem 90. Platz von 160 Ländern findet sich Russland wieder. Vor allem bei der Verzollung schneidet das Land mit Platz 133 schlecht ab. Zu den Ländern, die ihren Indexwert im Vergleich zu 2012 deutlich steigern konnten, zählen Burundi, Nepal, El Salvador, Thailand sowie Lettland, Irland und Großbritannien. Kommentar Ein Weltmeister auf Abruf Deutschland vor dem Erzrivalen Niederlande und dem - hochgeschätzten - Außenseiter Belgien: Dieser Zieleinlauf bei der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Brasilien wäre sicher ganz nach dem Geschmack der hiesigen Fans.Die Logistik hat es vorgemacht. Ein solcher Sieg aber kann nur gelingen, wenn alle im Team Höchstleistung erbringen. Die Politik respektive die Infrastruktur scheint hierzulande zumindest aus nationaler Sicht jedoch zu schwächeln. Im Gegensatz zum Fußball lassen sich bei der Logistik-WM die Schwachpunkte einer Mannschaft allerdings nicht auswechseln. Deshalb muss die Politik reagieren: nicht wegen des Verlustes eines WM-Titels, der wäre zu verschmerzen. Nicht aber der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Logistik- und Wirtschaftsstandortes Deutschland.Kontakt: michael.cordes@springer.comMichael Cordes, Redakteur

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