Wie Unternehmen eine Insolvenz vermeiden können

Es beginnt damit, dass die Gewinne sinken: Monat für Monat schrumpft der Überschuss in der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA). Der Steuerberater meldet sich und weist auf die drohende Krise hin. Es folgt der Bankberater, dem aufgefallen ist, dass der Betrieb seinen Kreditrahmen immer häufiger ausschöpft. Und am Schluss besteht das Tagesgeschäft nur noch aus finanziellem Feuerlöschen. Sprich, der Unternehmer versucht hektisch, die Zahlungsverpflichtungen aus den schwindenden Einnahmen zu decken. Gerade aus dem Transport- und Logistikgewerbe sind solche Geschichten oft zu hören. Denn hier ist das Insolvenzrisiko so hoch wie in keiner anderen Branche, wie zuletzt Zahlen des Statistischen Bundesamtes wieder gezeigt haben. Dabei ist es selbst in einer finanziellen Schieflage noch möglich, das Ruder herumzureißen. Kunden ins Boot holen "Die Frage ist, ob die Krise aus einer schlechten Marge oder aus schwindenden Aufträgen resultiert", erklärt Unternehmensberater Alexander Waschinger des Beratungsnetzwerks Ecovis, das sich auf den Mittelstand spezialisiert hat. Der Betriebswirt und Jurist hat unlängst einen Speditionsunternehmer beraten, der aufgrund seiner schwachen Margen in finanzielle Turbulenzen geraten war. Als Sofortmaßnahme setzte sich die Geschäftsleitung mit den fünf größten Kunden zusammen und handelte bessere Preise aus sowie Zuschläge für Diesel, Lkw-Maut und eilige Terminladungen. Danach verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des Spediteurs sofort. Solche einvernehmlichen Maßnahmen funktionieren nur, wenn Kunden ein hohes Interesse haben, weiter mit dem Dienstleister zusammenzuarbeiten. "Zudem darf die Zahl der Baustellen nicht zu groß sein", warnt Nils Freudenberg, Sanierungsexperte bei der Rechtsanwaltsgesellschaft Tiefenbacher in Dresden. Muss der Betrieb mit zu vielen Kunden und Gläubigern verhandeln, bestehe die Gefahr, dass man sich in vielen Einzelvereinbarungen verzettele und schließlich zu Nachverhandlungen gezwungen sei. "Zudem sind Sie als Unternehmer zum Erfolg verdammt", betont er. "Wird mit einer einzigen Partei keine Einigung erzielt, bleibt das Risiko einer Insolvenzverschleppung bestehen." Gezielt Fahrzeuge abbauen Insolvenzrisiko Nummer zwei sind schwindende Aufträge und die resultierenden Überkapazitäten: Fahrzeuge stehen ungenutzt herum, während Zinsen und Tilgung weiter gezahlt werden müssen. Unternehmensberater Waschinger rät, sich in einem solchen Fall möglichst schnell von den Lkw zu trennen. Bei Mietkauffinanzierung sei das in der Regel relativ leicht möglich, beim Leasing schon schwieriger. In jedem Fall müsse der Spediteur für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag Gebühren zahlen. Doch die Maßnahme lohne sich, so der Sanierungsprofi. "Wenn Sie später doch wieder einen Lkw brauchen, können Sie ihn immer noch chartern." Praxislösung: Neustart in Eigenregie Das Transport- und Logistikunternehmen A* (das Unternehmen wollte anonym bleiben - die Redaktion) kämpft mit einem Problem, das viele Firmen der Branche kennen: Man ist über die Jahre mit einem Großkunden gewachsen und hat sich so in eine unprofitable Sackgasse manövriert. Das war auch bei der Firma A* so. Ihr maßgeblicher Auftraggeber ist ein Hersteller von Kinderprodukten, den das Transport- und Logistikunternehmen seit Jahrzehnten betreut und der mittlerweile für 70 Prozent des Umsatzes sorgt. Für diesen Auftraggeber übernimmt A* nicht nur alle Touren im Fernverkehr und in der Feinverteilung, sondern bewirtschaftet auch die Lager. Doch diese Monokultur bringt Probleme mit sich: Die Lager haben ungünstige Standorte und können deshalb nicht für andere Kunden verwendet werden. Außerdem erbringt der Logistikdienstleister an vielen Stellen Leistungen, für die er nicht bezahlt wird. Weil eine Zahlungsunfähigkeit immer näher rückt, entschließt sich die Geschäftsführung des Transport- und Logistikunternehmens für den harten Schnitt: Es meldet Insolvenz an und startet eine sogenannte Sanierung in Eigenverwaltung. Diese vom Gesetzgeber neu geschaffene Option ermöglicht es der Geschäftsführung, den Betrieb wieder selbst auf Kurs zu bringen - ohne dass ein Insolvenzverwalter eingeschaltet werden muss. Ein vom Gericht bestellter Beobachter überwacht das Geschehen lediglich. Als Erstes beendet das Transport- und Logistikunternehmen A* das Geschäftsverhältnis mit dem Großkunden. Die Mietverträge für alle Lager werden gekündigt (normalerweise würden sie noch viele Jahre laufen), und A* beschließt, sich wieder auf das angestammte Transportgeschäft zu konzentrieren. Der schmerzhafte Schnitt zahlt sich aus. Schon im darauffolgenden Geschäftsjahr schreibt das Transport- und Logistikunternehmen wieder schwarze Zahlen. Finanzpolster schaffen Am einfachsten lässt sich die finanzielle Situation eines Betriebs verbessern, indem eine Person von außen Kapital zuschießt. Üblicherweise ist es der Unternehmer selbst, der einen Teil seines Privatvermögens ins Betriebsvermögen einbringt (sogenannte Einlage) oder seinem eigenen Betrieb "leiht" (Gesellschafterdarlehen). Diese Optionen haben viele Transporteure freilich nicht, denn nach etlichen Krisen sind ihre privaten Finanzpolster längst aufgebraucht. Ein Brandherd, der möglichst schnell gelöscht werden sollte, ist ein ständig ausgereizter Kreditrahmen. "Der Kontokorrentkredit ist die teuerste Art der Finanzierung", betont Berater Waschinger von Ecovis. Schöpft ein Betrieb den Kredit bei der Hausbank jeden Monat in einem gewissen Umfang aus, sollte er diesen Block anders finanzieren, etwa über einen Terminkredit und ein mittelfristiges Darlehen. Fiktives Beispiel: Von 300.000 Euro Kreditrahmen werden permanent 50.000 in Anspruch genommen. Dann lohnt es sich, über diese 50.000 Euro einen Kredit aufzunehmen, da die Zinsen dann niedriger sind als beim Kontokorrentkredit. Straffes Forderungsmanagement Steckt der Betrieb schon tief in der Krise und muss saniert werden, kann der Unternehmer auch versuchen, die Kreditlinie zu erhöhen. "Doch dafür will die Hausbank die Zahlen sehen", sagt Anwalt Freudenberg. Standardmäßig wird vom Unternehmer ein Sanierungsgutachten nach der Norm IDW S6 verlangt (IDW steht für "Institut der Wirtschaftsprüfer"). Darin muss haarklein die aktuelle Ertrags- und Finanzlage dargelegt werden, außerdem die Krisenursachen und die geplanten Maßnahmen - eine Mammutaufgabe. Zur Erstellung des Gutachtens muss ein Sanierungsberater hinzugezogen werden, was erneut Geld kostet; selbst bei einem kleinen Betrieb kommt hier schnell ein fünfstelliger Betrag zusammen. Besser als den Kreditrahmen zu erhöhen, ist, ihn weniger auszuschöpfen. Das lässt sich zum Beispiel durch ein strafferes Forderungsmanagement erreichen. Wichtige Maßnahmen: Schon auf der Rechnung das Zahlungsziel vermerken (maximal 14 Tage), den Kunden sofort nach Leistung die Rechnung schicken und Forderungen konsequent eintreiben. Wobei sich die Maßnahmen danach richten, um welche Kunden es sich handelt. Bei einem Einzelauftrag aus einer Frachtenbörse ist es durchaus vertretbar, schon nach der ersten Mahnung ein Inkassounternehmen zu beauftragen; bei guten langjährigen Kunden ist mehr Entgegenkommen angezeigt. In jedem Fall sollten Mahnungen konsequent und zu festgelegten Zeitpunkten verschickt werden. Um schnell an Mittel zu kommen, kann der Unternehmer auch seine Forderung an einen Dienstleister verkaufen. Bei diesem sogenannten Factoring erhält er 80 bis 90 Prozent der ausstehenden Summe innerhalb von 24 bis 48 Stunden und den Rest, sobald der Schuldner bezahlt. Tut er das nicht, trägt der Dienstleister (Factor) den finanziellen Schaden. Dieses Risiko lassen sich die Factoring-Gesellschaften vergüten: Der Kunde muss eine Gebühr zahlen, die bis zu 1,5 Prozent der offenen Forderungen betragen kann, außerdem hohe Zinsen, bis der Schuldner bezahlt hat. Factoring lohnt sich vor allem, wenn die Kunden langsam zahlen und die Zinsen bei der Hausbank sehr hoch sind. "Unterm Strich ist Factoring genauso teuer wie den Kontokorrent zu nutzen", resümiert Waschinger. Mitunter gelingt es dem Betrieb, einen sogenannten Schuldenschnitt mit seinen Gläubigern zu vereinbaren. Das bedeutet, Bank, Finanzamt und Zulieferer erlassen dem Betrieb einen Teil seiner Schulden. Man einigt sich zum Beispiel darauf, nur noch 20 bis 30 Prozent der ursprünglichen Forderung einzutreiben. Auf den Schuldenschnitt lassen sich die Gläubiger ein, weil sie im Fall einer Insolvenz noch deutlich schlechter dastünden. Kreditgeber, die ihre Forderung nicht besichert haben, erhalten in einem solchen Fall oft nur wenige Prozent ihres Geldes zurück. Auf der politischen Ebene gelingt ein Schuldenschnitt mitunter (Beispiel Griechenland), auf Firmenebene nur selten. "Das ist in der Mehrheit der Fälle keine Option", so Sanierungsberater Freudenberg. Experten-Tipps: So gelingt der Turnaround Sprechen Sie mit Ihrer Hausbank und suchen Sie nach Wegen, den finanziellen Druck zu senken. Entlastung kann zum Beispiel ein Überbrückungskredit oder eine Tilgungspause bei bestehenden Krediten bringen. Verhandeln Sie mit Ihrem Fahrzeugfinanzierer. Versuchen Sie eine Aussetzung der Raten für ein bis zwei Monate zu erreichen. Manche Anbieter verlangen dafür ein Entgelt. Rechnen Sie genau nach, ob unterm Strich genug Entlastung übrigbleibt. Setzen Sie sich mit Ihren Kunden an einen Tisch. Zeigen Sie auf, warum eine Anpassung der Preise nötig ist (steigende Kosten für Maut, Diesel, Personal und Fahrzeuge). Zeigen Sie auf, welche Probleme Sie in der Vergangenheit für den Kunden gelöst haben (kurzfristige Sonderfahrten). Wichtig dabei: Tragen Sie die Krise nicht nach außen! Optimieren Sie Ihr Forderungsmanagement. Gehen Sie bei einer kleinteiligen Kundschaft relativ schnell ins Mahnverfahren. Prüfen Sie, ob sich Factoring lohnt (Verkauf von Forderungen). Bauen Sie Zusatzgeschäfte aus. Öffnen Sie Ihre Werkstatt zum Beispiel für Kunden von außen. Das kann sich lohnen, da bei den Werkstätten Kapazitäten gerade knapp sind. Auch mit Palettenhandling, Kommissionierung und Einlagerung lässt sich Zusatzgeschäft machen. Stellen Sie einen mittel- und langfristigen Plan auf. Wichtig: Kalkulieren Sie nicht nur mit zwölf guten Monaten (ein häufig gemachter Fehler!), sondern berücksichtigen Sie, dass es aufgrund von Brücken- oder Feiertagen immer zu Auftragsdellen kommt. Strikte Kommunikationsdisziplin Während der Krisenbewältigung muss in jedem Fall eine strenge Kommunikationsdisziplin gewahrt werden. Über wirtschaftliche Themen sollte nach außen nur eine einzige Person sprechen, etwa ein Mitglied der Geschäftsführung. Gegenüber der Bank und anderen Finanzierungspartnern sollte frühzeitig und offen kommuniziert werden. Wichtig ist, dass Mitarbeiter Stillschweigen wahren und keine Gerüchte die Runde machen. Sonst droht die Gefahr, dass sich die Krise noch verschärft. Zulieferer könnten zum Beispiel ihre Zahlungsziele verkürzen, was den finanziellen Spielraum des Betriebs noch weiter einengt - oder Lieferungen ganz einstellen. Eine Insolvenz stellt für Unternehmer eine psychologische Hürde dar. Viele tun fast alles, um den Gang zum Gericht zu vermeiden. "Man redet sich ein, dass der nächste Auftrag alles wieder ins Lot bringt", weiß Sanierungsprofi Freudenberg, "und übersieht dabei, dass auch der neue Umsatz nur zu wenigen Prozent in die Schuldentilgung fließen kann." Er rät stark angeschlagenen Betrieben, lieber beherzt in die gerichtliche Restrukturierung zu gehen. Denn das Gesetz bietet viele neue Möglichkeiten, den Betrieb darüber hinaus zu erhalten. Möglich ist etwa eine Sanierung in Eigenverantwortung (siehe Seite 15). In diesem Fall behält der Unternehmer das Ruder in der Hand: Er stellt einen Sanierungsplan auf und legt zum Beispiel fest, welche Schulden mit Vorrang bedient werden. Das Gericht überwacht den Vorgang zwar, setzt aber keinen Insolvenzverwalter ein.

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