Wechselbrücken vorladen: Was bei Gefahrgut gilt

Viele Unternehmen haben an ihren Verladerampen Wechselbrücken stehen, die ein Transportunternehmen zwischendurch oder am Tagesende abholt. Der Fahrzeugführer tauscht dann voll gegen leer. Teilweise holt er diese Wechselbrücken ab, ohne dass ein Mitarbeiter des Verladers beim Wechsel anwesend ist. Wenn sich allerdings Gefahrgut auf einer Wechselbrücke befindet, gibt es für den Verlader Pflichten, die eine Kontrolle unumgänglich machen. Zeitersparnis beim Umschlag Für Branchenfremde zum besseren Verständnis: Ein Wechselbehälter ist ein Container, der beim Be- und Entladen auf seine vier Stützen gestellt wird und so von einem Chassis leicht aufgenommen werden kann. In der Praxis werden Wechselbehälter meist "Wechselbrücken" genannt. Ein Wechselbehälter ist so konzipiert, dass er der Größe eines 20-Fuß-Containers entspricht. Durch die gleiche Größe können sowohl Wechselbrücken als auch ISO-Container auf demselben Trägerfahrzeug befördert werden. Vorteil einer Wechselbrücke ist auch der zeitsparende Umschlag. Das Ladegut ist fertig verpackt und verladen auf der Wechselbrücke und wartet auf den Fahrzeugführer zur Abholung. Der Fahrzeugführer kann nach dem Wechsel der Brücke somit direkt weiterfahren und muss nicht auf das Ende des Verladevorgangs warten. Dazu ein Beispiel, das schon die gefahrgutrechtlichen Pflichten vermuten lässt: Eine Wechselbrücke steht zur Beladung am Ladetor eines verladenden Unternehmens. Nach dem Beladen fährt ein Chassis rückwärts mit dem Fahrgestell unter die Wechselbrücke. Nachdem diese angehoben wurde, fährt der Fahrzeugführer ein Stück vor, um die hintere Tür der Wechselbrücke schließen zu können und die Stützen von der senkrechten in eine waagerechte Position zu klappen. Anschließend werden die "Twistlocks" - also die Verriegelungssysteme der Wechselbrücken - um 90 Grad gedreht, um eine Verbindung herzustellen. Ist alles gesichert, ist der Fahrzeugführer abfahrbereit. Doch ist das bei Gefahrgut auch so einfach? Dazu lohnt es sich, einen Blick in die entsprechenden Gefahrgut-Verordnungen zu werfen, sprich in das Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) sowie die Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern (GGVSEB). Pflichten gemäß ADR/GGVSEB Gefahrgutrechtlich stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen Pflichten gemäß ADR/GGVSEB hat, wenn es eine mit gefährlichen Gütern beladene Wechselbrücke abholen lässt. Um diese Frage zu beantworten, ist erst einmal zu klären, ob das "Verladen" auch das Aufsetzen einer Wechselbrücke auf ein Chassis einschließt. Die Antwort auf diese Frage findet man in den Begriffsdefinitionen der GGVSEB. Hier heißt es: "Verlader ist das Unternehmen, das (.) einen Container (.) auf ein Fahrzeug (.) verlädt." (GGVSEB, § 2 Nr. 3 S. 1 b)). Dass eine Wechselbrücke nach ADR ein Container ist, wurde eingangs geklärt. Frage ist, welche beteiligten Person(en) am Gefahrguttransport die Verantwortung für diese Tätigkeit trägt (tragen). Naheliegende Vermutung ist für viele, dass hier wohl nur der Fahrzeugführer infrage kommen kann. Denn er ganz allein "verlädt" die Wechselbrücke auf den Lkw. Doch das ist ein Trugschluss. Tatsächlich wird hier nicht nur der Fahrzeugführer in die Pflicht genommen, sondern auch das die Wechselbrücke aufnehmen lassende Unternehmen als "Verladenlasser". Die Verantwortlichkeiten sind in der Tabelle oben zusammengestellt. Ein wesentlicher Punkt bei der Verladung ist die Sicherung der Wechselbrücke auf dem Chassis. Dass eine Wechselbrücke auf dem Chassis gesichert werden muss, geht bei Gefahrgut aus Unterabschnitt 7.5.7.4 Satz 1 ADR hervor. Zu kontrollieren, ob die Wechselbrücke durch die Twistlocks gesichert wurde, liegt gemäß Paragraf 29 (1) GGVSEB beim "Verlader" und beim Fahrzeugführer. Die Doppelverantwortlichkeit wird durch Nr. 29.1.S RSEB (Durchführungsrichtlinien-Gefahrgut - RSEB - die Redaktion) noch einmal untermauert. Eine Nichtbeachtung der Pflicht führt zu einer Ordnungswidrigkeit (§ 37 (1) Nr. 21 a) GGVSEB). Dem "Verlader" droht dann ein Bußgeld von 500 Euro (lfd. Nr. 124.3 Anlage 7 RSEB) und dem Fahrzeugführer von 300 Euro (lfd. Nr. 250.3 Anlage 7 RSEB). Einfach eine Wechselbrücke mit gefährlichem Gut abholen lassen, ohne dass ein Mitarbeiter des verladenden Unternehmens beim Wechsel anwesend ist, geht also nicht. Wird die Sicherung der beladenen Wechselbrücke auf dem Chassis durch den Fahrer nicht kontrolliert, stellt dies ein Risiko dar. Zusätzlich zum Bußgeld gibt es noch einen Punkt im Fahreignungsregister (Anlage 7a RSEB). Die Punkteansammlung im Fahreignungsregister kann ein Fahrverbot zur Folge haben. Einen Eintrag im Gewerbezentralregister gibt es nicht, wenn ein Eintrag im Fahreignungsregister vorgenommen wurde (§ 149 (2) S. 2 GewO). Die Verantwortlichen hatten in diesem Fall also Glück und erhielten keine Dreifachbestrafung. Denn ein Eintrag im Gewerbezentralregister könnte zur Folge haben, dass ein Gewerbetreibender seine oder eine beauftragte Person ihre Zuverlässigkeit verliert und die Gewerbetätigkeit untersagt wird (§ 35 (1) GewO). Da viele Gefahrgüter auch in begrenzten Mengen verschickt werden, stellt sich zudem die Frage, ob die Pflichten auch bei einer Wechselbrücke mit gefährlichen Gütern in begrenzten Mengen (LQ) gelten. Diese Frage muss ebenfalls mit "Ja" beantwortet werden. In Abschnitt 3.4.1 Satz 4 g) ADR ist Abschnitt 7.5.7 ADR nicht ausgenommen. Deshalb ist Unterabschnitt 7.5.7.4 ADR anzuwenden und die Sicherung der Wechselbrücke von gefährliche Güter in begrenzten Mengen verladenden Unternehmen als "Verladenlasser" zu kontrollieren, und zwar unabhängig von der tatsächlich verladenen Menge: Ein Karton UN 1950 in LQ reicht aus, um die Pflicht auszulösen. Die Pflichten und Fundstellen im Überblick Wechselbrücke = Wechselaufbau = Container ADR, 1.2.1 Verladen = auch Aufsetzen Wechselbrücke auf Chassis GGVSEB, § 2 Nr. 3 S. 1 b) Verlader GGVSEB, § 2 Nr. 3 Satz- 1 („faktischer Verlader“)- 2 („Verladenlasser“)OWiG, § 9 (2) S. 1 Nr. 2 Wechselbrücke muss auf Chassis gesichert werden ADR, 7.5.7.4 S. 1 Verlader muss Sicherung kontrollieren GGVSEB, § 29 (1) Ordnungswidrigkeit (OWi) GGVSEB, § 37 (1) Nr. 21 a) Punkt für „Verlader“ gemäß § 2 Nr. 3 S. 1 JaRSEB, Anlage 7a Punkt für „Verlader“ gemäß § 2 Nr. 3 S. 2 JaRSEB, Anlage 7a Punkt Fahrzeugführer JaRSEB, Anlage 7a Bußgeld Fahrzeugführer 300 Euro RSEB, Anlage 7, Nr. 250.3 Bußgeld Verlader 500 Euro RSEB, Anlage 7, Nr. 124.3 Gilt auch bei LQ ADR, 3.4.1 S. 4 g) Prüfpunkt auf Verladecheckliste? - Wechselbrücke muss im reinen Straßenverkehr nicht plakatiert werden ADR, 5.3.1.2 Bem. Wechselbrücke muss im reinen Straßenverkehr nicht LQ-gekennzeichnet werden ADR, 3.4.13 b) enthält zwar keine Bem. zu 5.3.1.2 vergleichbarer Ausnahme; aber Klarstellung in RSEB, Nr. 3-19 Die Angaben stammen vom Autor des Artikels, Christopher Ernst. VCI-Checkliste für Verlader Es stellt sich in der Praxis die Frage, ob Firmen, die Wechselbrücken nutzen und mit Gefahrgut oder Gefahrgut in begrenzenten Mengen umgehen, diesen Kon-trollpunkt in ihrer Verladecheckliste haben. Ein Muss ist es jedenfalls nicht, denn es müssen nur die Prüfpunkte aus Abschnitt 7.5.1 schriftlich festgehalten werden (7-5.2 RSEB). Überwiegend sind dies Prüfpunkte, die vor einer Beladung stattfinden müssen (7.5.1.2 ADR). Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) geht mit gutem Beispiel voran und hat diesen Punkt in seiner Checkliste "Hilfestellung für die Kontrolle von Fahrzeugen und Fahrzeugführern nach 7.5.1 ADR" aufgeführt (Stand November 2021). Wechselbrücken-Kennzeichnung Eine Besonderheit bei Wechselbrücken ist, dass diese zwar unter die Begriffsbestimmung Container nach Kapitel 1.2 ADR fallen, aber im reinen Straßenverkehr nicht wie ein Container zu kennzeichnen und zu plakatieren sind. Die vier Seiten einer Wechselbrücke bleiben also frei von: Placards/Großzetteln (Unterabschnitt 5.3.1.2 Bemerkung ADR). Kennzeichen für gefährliche Güter in begrenzten Mengen (unabhängig von der 8-Tonnen- und der höchstzulässigen Gesamtmasse von zwölf Tonnen je Beförderungseinheit-Regelung nach Abschnitt 3.4.15 ADR (Nr. 3-19 RSEB)). Eine Ausnahme ist eine Wechselbrücke im Kombinierten Verkehr Straße/Schiene: Diese muss bei Gefahrgut in nicht begrenzten Mengen (nicht LQ) unabhängig von der verladenen Menge immer plakatiert werden. begrenzten Mengen (LQ) bei mehr als acht Tonnen brutto gekennzeichnet werden. Fazit: Eine Wechselbrücke mit Gefahrgut, gleich ob in begrenzten oder in nicht begrenzten Mengen, darf nicht ohne vorherige Kontrolle der Sicherung auf dem Chassis durch Twistlocks vom Betriebsgelände rollen. Die Kontrolle des Verladers, ob der abholende Fahrer die Wechselbrücke auf dem Chassis gesichert hat oder nicht, ist also dringend angeraten. Dass Lkw immer mal wieder Container wegen Nichtsicherung auf dem Chassis "verlieren", ließe sich damit vermeiden.

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