Werkverträge

WerkverträgeDie Firma in der FirmaDas Geschäft mit den Dienstleistungen auf Grundlage von Werkverträgen brummt. Das Auslagern einzelner Aufgabenbereiche an Subfirmen bietet für Wirtschaftsunternehmen viele Vorteile, birgt aber auch rechtliche Stolperfallen.Razzia bei Netto und Kaufland: Mehr als 450 Zollfahnder durchsuchen Ende Januar im Auftrag der Staatsanwaltschaften Bamberg, Regensburg und Stuttgart sechs Logistikzentren. Die Beamten sammeln Geschäftsunterlagen und Arbeitsverträge ein und befragen Zeugen. Sie verdächtigen die beiden Einzelhandelsunternehmen, mit Lagerarbeitern und Staplerfahrern rechtswidrige Werkverträge geschlossen zu haben. Diese Arbeitskräfte sollen zwar nicht direkt bei Netto und Kaufland angestellt gewesen sein, aber trotzdem wie normale Angestellte agiert und Weisungen der Chefs vor Ort befolgt haben.Arbeitsleistung mit FestpreisgarantieWeil die Beschäftigung von Leiharbeitern teuer geworden ist, lagern immer mehr Wirtschaftsunternehmen einzelne Teilbereiche aus und kaufen sie über Werkvertrags-Dienstleister billig wieder ein. Während Arbeitgeber bei Zeitarbeitsverträgen geeignete Arbeitnehmer von Subunternehmen ausleihen, bestellen sie bei Abschluss eines Werkvertrags vorab definierte Leistungen zum Festpreis. Werkverträge werden nicht als Personalkosten, sondern als Sachausgaben verbucht. Bezahlt wird nämlich nicht nach Stunden, sondern pro Werk. Dieses Werk kann die Herstellung einer bestimmten Sache, aber auch ein immaterielles Ergebnis wie das Abladen von Paletten umfassen. Entscheidend ist, dass die Subfirma die vereinbarten Werkleistungen selbstständig erarbeiten muss.„Der aktuelle Trend zu Werkverträgen ist eine Folge der Mindestlöhne in der Zeitarbeitsbranche und der Equal-Pay-Rechtsprechung“, sagt Michael Henn, Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Gaupp und Coll: Seit 1. Januar 2012 gilt für die rund 900.000 Zeitarbeiter in Deutschland ein Bruttomindestlohn von 7,89 Euro im Westen und von 7,01 Euro im Osten, seit 2003 bereits das Equal-Pay-Gebot, wonach Leiharbeitern bei vergleichbarer Arbeit der gleiche Lohn wie der Stammbelegschaft zusteht, wenn nicht ein Tarifvertrag anderes regelt.Bei Werkverträgen gibt es weder Mindestlöhne noch eine Equal-Pay-Vorschrift. Arbeitnehmern, die über einen Werkhersteller beschäftigt sind, stehen auch keine tariflichen Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen des Werkbestellers zu. Darüber hinaus bieten Werkverträge die bekannten Vorzüge der Leiharbeit: Arbeitgeberrisiken wie Krankheit oder Urlaub trägt der Werkhersteller, Personaleinsätze können kurzfristig und ohne Auseinandersetzungen beendet werden, die Gesamtkosten sind geringer als beim Einsatz eigener Beschäftigter.Subunternehmen haftet bei MängelnViele Leiharbeitsfirmen bieten Werkverträge als weiteres Geschäftsfeld an. Unter anderem Adecco, Manpower und Randstad. Neben den namhaften Anbietern, die verschiedene Branchen bedienen, gibt es viele kleinere, die sich auf Logistikdienstleistungen spezialisiert haben. Miry 24 Logistik in Hamburg ist eine davon. Der Betrieb stellt sein Know-how seit drei Jahren vor allem Unternehmen zur Verfügung, die Lagerwirtschaft in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen betreiben.„Durch Werkverträge lassen sich zum Beispiel saisonale Spitzen, Aktionsgeschäfte und personelle Engpässe abfedern“, erklärt Annette Ulrich. Nach Auskunft der Geschäftsleiterin sind die Mitarbeiter von Miry 24 Logistik gut ausgebildet, fest angestellt und werden leistungsbezogen entlohnt. „Deshalb ist die Motivation wesentlich höher als bei Leiharbeitern.“ Für den Werkbesteller bestehe zudem keine Übernahmepflicht der Arbeitnehmer und kein Haftungsrisiko, falls Schäden an der Ware oder Einrichtung entstehen.Miry 24 Logistik haftet auch, wenn die Werkleistung mangelhaft ist, zum Beispiel weil die Qualität nicht stimmt oder der Termin nicht eingehalten wird. Bleibt eine Nachbesserung erfolglos, dann hat der Werkbesteller einen Anspruch auf Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag.Verdeckte ArbeitnehmerüberlassungUnter regulären Bedingungen sind Werkverträge eine legale Strategie, um Dienstleistungen auszulagern und Lohnkosten an die Leistung und Produktivität anzupassen. Werden aber Werkvertragsbeschäftigte im Bestellunternehmen wie normale Beschäftigte der Stammbelegschaft eingesetzt, in die Betriebsabläufe eingebunden, mit Arbeitsmitteln des Bestellerunternehmens ausgestattet und erhalten sie hauptsächlich ihre Anweisungen durch das Stammpersonal des Bestellunternehmens, dann liegt ein klassischer Fall von verdeckter Zeitarbeit, also von Scheinwerkverträgen vor.Bei Scheinwerkverträgen werden Beschäftigte um Teile ihres Lohnes und die sozialen Sicherungssysteme um Einnahmen gebracht. Illegale Arbeitnehmerüberlassungen lassen sich in der Praxis zwar sehr schwierig nachweisen. Wenn sie aber durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) aufgedeckt werden, kann das ein Ordnungswidrigkeitsverfahren und eine Geldbuße von bis zu 500.000 Euro nach sich ziehen. Zudem hafteten der Werkhersteller und -besteller für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, erklärt Henn. Aus seiner Sicht sind Werkverträge deshalb keine ernsthafte Alternative zur klassischen Zeitarbeit. Sie dienten oft zur Umgehung der Probleme bei der Arbeitnehmerüberlassung und die damit verbundenen Risiken seien zu hoch, sagt der Rechtsanwalt. ❙❚■ André GießeDurch Werkverträge lassen sich verschiedenste Unternehmensbereiche outsourcen, in der Lagerlogistik kommt diese Strategie häufig zum EinsatzWerkverträge„Entscheidend ist, wer die Anweisungen gibt“Manfred Schmid ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei M Law Group in München und weiß, wie man Logistikdienstleistungen juristisch korrekt per Werkvertrag an Subunternehmen auslagert.Herr Schmid, Netto und Kaufland sollen durch Werkverträge Löhne gedrückt und Sozialversicherungsbeiträge hinterzogen haben. Was haben die beiden Einzelhandelsunternehmen falsch gemacht?Manfred Schmid: Den Firmen wird vorgeworfen, Scheinwerkverträge mit Fremdbetrieben abgeschlossen zu haben. Der Grat zwischen solchen Outsourcings bestimmter Logistikbereiche mithilfe eines Subunternehmens und der klassischen Leiharbeit ist schmal. Dazu muss man sagen, dass die Auslagerung von Logistikdienstleistungen nicht per se illegal ist. Allerdings muss in solchen Fällen tatsächlich ein Werkvertrag vorliegen.Wenn der Werkvertragsbeschäftigte, der über eine Fremdfirma in einen Betrieb geschickt wird, regelmäßig von Personal in diesem Betrieb Weisungen erhält und ähnliche Aufgaben erfüllt wie die Stammbelegschaft, liegt de facto eine Arbeitnehmerüberlassung vor. Dabei werden Sozialabgaben fällig. Die Folge: Der illegale Entleiher muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, weil er die Werkvertragsarbeiter unter Tarif bezahlt und so den Staat um Sozialversicherungsbeiträge betrogen hat.Warum ist die Abgrenzung von Werkverträgen zu Arbeitnehmerüberlassungen in der Praxis so wichtig?Bei einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung benötigt der Verleiher eine Erlaubnis von der Bundesagentur für Arbeit. Fehlt diese, stellt das eine Ordnungswidrigkeit dar – auch für den Entleiher. Zudem wird in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Zeitarbeiter fingiert. Dadurch kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen beiden zustande.Bei der Arbeitnehmerüberlassung haftet der Verleiher als Arbeitgeber des Zeitarbeiters zudem für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge. Führt er sie nicht ab, haftet der Entleiher. Bei einem echten Werkvertrag entfällt diese Haftung. Auch die zivilrechtliche Haftung unterscheidet sich grundlegend. Während der Unternehmer beim Werkvertrag dafür einstehen muss, dass das Werk vertragsgemäß erstellt wird, hat er bei der Arbeitnehmerüberlassung nur geeignete Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.Worauf sollten Firmen achten, die Dienstleistungen per Werkvertrag auslagern wollen?Sie sollten unbedingt das Erteilen von Weisungen an die Werkvertragsarbeiter und deren Eingliederung in den eigenen Betrieb vermeiden. Da sie den fremden Arbeitnehmern keine Weisungen erteilen dürfen, bedeutet das, sie brauchen beim Subunternehmen einen Ansprechpartner, den sie anmahnen können, wenn etwas nicht richtig läuft. Zudem sollten die Unternehmen vertraglich einen konkreten werkvertragsfähigen Leistungsgegenstand definieren. Wenn es um Tätigkeiten geht, die typischerweise auch von der Stammbelegschaft erbracht werden, landen die Unternehmen vermut-lich irgendwann auf dem Radar der Behörden. In diesen Fällen ist es wichtig, einen Werkvertrag vorweisen und Beweise vorzeigen zu können. irInterviewManfred Schmid

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