Wenig Jubel über zweites Mobilitätspaket

Die Umweltbelastung durch den Verkehr zu senken - dieses übergeordnete Ziel verfolgt die EU-Kommission mit dem zweiten, kürzlich vorgelegten Mobilitätspaket. Transport- und Logistikwirtschaft, Politik und Umweltschützer reagierten unterschiedlich auf die Vorschläge aus Brüssel. CO2-Ausstoß senken Von Umweltverbänden hagelt es Kritik wegen der "zu wenig ehrgeizigen Ziele" und des Verzichts auf konkrete Quoten für emissionsfreie Fahrzeuge für 2030. "Die EU-Kommission verzichtet auf Druck der Autokonzerne auf ehrgeizige Klimagas-Grenzwerte für Pkw", erklärte die Deutsche Umwelthilfe. Von einem vorzeitigen "Weihnachtsgeschenk" spricht der europäische Dachverband verschiedener Umweltorganisationen Transport & Environment (T&E). Als "absolut inakzeptabel", weil viel zu niedrig, bezeichnete die Nachhaltigkeits-Sprecherin der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament, Kathleen van Brempt, die Vorschläge. "Wenn der Automobilbereich einen angemessenen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten soll, wären 60 statt der vorgeschlagenen 30 Prozent Emissionsminderung nötig", so die klimapolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms. Dem deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) hingegen sind die geforderten Ziele zu ehrgeizig. "Die Vorgaben für leichte Nutzfahrzeuge ignoriert die technische Realität", hieß es in einer VDA-Mitteilung. Die Autoindustrie mache schon alles, um den Kraftstoffverbrauch bei diesen Fahrzeugen so niedrig wie möglich zu halten. "Das ist ein entscheidendes Kaufargument", so der VDA. Der Markt sei deshalb schon "aus sich heraus auf CO2-Effizienz getrimmt". Förderung des Kombinierten Verkehrs Beim europäischen KV-Dachverband, der Internationalen Vereinigung für den Kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR), zeigt sich Präsident Ralf-Charley Schultze grundsätzlich zufrieden mit den Vorschlägen. "Das wird die Kapazitäten mobilisieren, die der KV noch bei der effizienten Nutzung und Kombination aller Transportmodi bietet", lässt er sich in einer Mitteilung zitieren. Es sei höchste Zeit, die Möglichkeiten der Bahn, der Binnensowie der Seeschifffahrt besser für den Gütertransport zu nutzen. Der Vorschlag entspreche weitgehend den UIRR-Forderungen zu einer Stärkung des KV auf europäischem Niveau. Ein paar technische Details wie die genaue Definition dessen, was unter KV zu verstehen sei, und wie KV genau nachgewiesen werden kann, seien allerdings noch zu verbessern. In diesen Punkten sieht auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) Verbesserungsbedarf. Allgemein hat der BGL einiges zu bemängeln. Zwar findet die Zielsetzung, den "KV wettbewerbsfähiger und damit als Alternative zum reinen Straßengütertransport" stärken zu wollen, grundsätzlich seine Unterstützung. Doch die Stärkung dürfe kein Selbstzweck sein. Sie müsse vielmehr die bestehenden Realitäten der Gütertransportbranche berücksichtigen. Hier sieht der BGL Probleme bei den Vorschlägen. Denn: "Es sollte stets Berücksichtigung finden, dass es an bestehenden deutschen Binnen- und Seehäfen sowie an Kombiterminals Schiene/Straße bereits heute zu erheblichen Marktstörungen durch Fahrzeuge aus mittel- und osteuropäischen Staaten kommt, die faktisch dauerhaft in Deutschland stationiert sind, um Vor- und Nachläufe im KV durchzuführen", hieß es in einer Stellungnahme. Diese "Marktstörungen" zulasten deutscher Unternehmer beziehungsweise Fahrer könnten weiter zunehmen, wenn mehr KV bewusst gefördert und nicht den Kabotage-Regeln unterworfen werden solle. Deshalb sieht der BGL auch "die Einbeziehung des rein nationalen KV in die marktzugangsrechtliche Privilegierung des KV äußerst kritisch". Bislang waren die KV-EU-Vorschriften auf grenzüberschreitende KV begrenzt. Noch deutlicher fällt die Kritik der International Road Transport Union (IRU) aus. Sie sieht den KV durch die Reform der entsprechenden Richtlinie künftig zu sehr gestärkt und gegenüber anderen Transportarten bevorzugt. Die EU-Kommission riskiere damit, den Wettbewerb zwischen den einzelnen Transportträgern zu verzerren, so Acacia Smith, Umweltbeauftragte im IRU-Büro Brüssel. Durch die Tatsache, dass die im KV eingesetzten Lkw sich nicht an die gleichen EU-Vorschriften halten müssten wie die anderen Lkw, drohe weitere Wettbewerbsverzerrung sogar im Straßengütertransport selbst. Die EU-Kommission hätte vielmehr den Einsatz von Lang-Lkw im KV und die Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen KV-Vorschriften vorschlagen sollen. Auch seien die Ziele, die mit der KV-Förderung erreicht werden sollen, nicht klar genannt. Die IRU hofft, dass die Mitgliedstaaten im Europarat und das Europaparlament die Vorschläge der EU-Kommission noch deutlich verbessern. Anders die Reaktion beim europäischen Verband für Spedition, Transport, Logistik und Zolldienstleistungen (Clecat). Hier hat Generaldirektorin Nicolette van der Jagt wenig Verständnis für die IRU-Kritik. "Die Vorschläge verstehen wir nicht als einen Zwang zum Modal Shift", sagte sie. Allerdings unterstütze Clecat die Bemühungen der EU-Kommission, eine "attraktive Alternative" zum Straßengütertransport zu fördern. Auch aufgrund der Tatsache, dass dieser Straßengütertransport zurzeit ja mit einigen Problemen zu kämpfen habe - etwa Fahrermangel, Infrastruktur- und Sicherheitsproblemen. "KV ist ein gutes Beispiel für Ko-Modalität, bei der alle Verkehrsträger ihre eigenen Vorteile ausspielen können", sagt van der Jagt. Die geplante Zulassung der 44-Tonnen-Container, die Nicht-Anwendung der Kabotage-Regeln für die Lkw-Fahrten im Rahmen von KV, die Verringerung der Bürokratie sowie finanzielle Anreize für den KV - alles das erntet Beifall von Clecat, dem auch der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) angehört. Netz für alternative Kraftstoffe Der VDA findet es richtig, dass sich die Mitgliedstaaten um den Aufbau eines solchen Netzes kümmern sollen. Der Vorschlag der EU-Kommission gehe deshalb auch einen ersten Schritt "in die richtige Richtung". Der europäische Dachverband T&E begrüßt grundsätzlich die Förderung, fragt aber auch, warum Tankstellen für Erdgas gebaut werden sollen. "Erdgas ist auch ein fossiler Brennstoff und wird den Emissionsausstoß nicht senken." Die Umweltschützer beklagen, dass der Bau schneller E-Ladestationen nicht verpflichtend für die EU-Mitgliedsländer sein soll. Die IRU hätte sich allgemein verbindliche Verpflichtungen für den Tankstellenbau für jegliche Art von alternativen Kraftstoffen gewünscht. Dass es für den Bau EU-Fördergelder geben soll, findet sie richtig. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Zweites Mobilitätspaket Die wichtigsten Maßnahmen Folgende Änderungen hat die EU-Kommission kürzlich in ihrem zweiten Mobilitätspaket unter anderem vorgeschlagen:- CO2-Limits: Senkung der Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen im Vergleich zu 2020 bis 2025 um 15 Prozent, bis 2030 um 30 Prozent.- Kombinierter Verkehr: Deutliche Stärkung des KV unter anderem durch verpflichtende Förderung durch die Mitgliedstaaten; Festlegung der maximalen Lkw-Strecke auf 150 Kilometer oder 20 Prozent der gesamten KV-Distanz; Zulassung von 44-Tonnen-Container für den KV und einheitliche Ladeeinheiten.- Netz für alternative Kraftstoffe: Dutzende zunächst freiwillige Maßnahmen, um den Ausbau des Tankstellennetzes für alternative Kraftstoffe in den Mitgliedstaaten weiter voranzubringen. Gesetzesinitiativen könnten folgen.kw/ag

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