Interview: Welche Ansprüche Frachtführer haben

Lidl will Frachtführern 40 Euro in Rechnung stellen, wenn sie ihre Lkw durch Lidl-Mitarbeiter binnen 90 Minuten an der Rampe eines Lidl-Logistikcenters entladen haben wollen. Ist Lidl als Warenempfänger nicht sogar rechtlich verpflichtet, die Eingangs-Lkw der Frachtführer zu entladen? Das hängt davon ab, wer Auftraggeber der Frachtführer ist. Lidl ist den Frachtführern nur zur Entladung verpflichtet, wenn Lidl auch Auftraggeber des Frachtführers ist oder sich den Verkäufern gegenüber dazu verpflichtet hat, die Frachtführer zu entladen. In der Regel dürfte aber Lidl einen Kaufvertrag mit dem Warenversender geschlossen haben, der wiederum mit dem Transportbetrieb einen Frachtvertrag geschlossen hat. Somit dürften zwischen Lidl und den Frachtführern keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Und das HGB hat im Paragrafen 412 klar geregelt:"Der Absender ist für Be- und Entladung verantwortlich." Absender ist der, der den Frachtführer beauftragt hat. Dieser muss dafür sorgen, dass der Lkw des Frachtführers ordnungsgemäß beladen, und dass die Mitarbeiter des Empfängers, also die von Lidl, die Lkw ordnungsgemäß entladen. Davon kann abgewichen werden, wenn der Frachtführer ausdrücklich beauftragt ist, die Ware des Absenders beim Empfänger zu entladen. Das muss aber zusätzlich vergütet werden. Sprich: Wenn es an der Handelsrampe des Empfängers zu Problemen kommt, hat der Frachtführer keine rechtliche Handhabe, etwa gegen Lidl, weil er den Vertrag mit dem Warenversender geschlossen hat? Das ist richtig. In diesem Fall hat der Frachtführer aber gegen den Absender, also den Warenversender, eine rechtliche Handhabe. Steht der Lkw eines Frachtführers also über die übliche Wartezeit hinaus an der Empfänger-Rampe - die Rechtsprechung geht hier von mehr als zwei Stunden aus - hat der Frachtführer das Recht, seinem Auftraggeber, dem Absender der Ware, Standgeld zu berechnen. Das heißt, in diesen Fällen liegt es am Absender, auf den Empfänger einzuwirken, dass dieser eine zügige Entladung vornimmt. Im Übrigen halte ich das Vorgehen eines Empfängers für problematisch, der die zeitliche Erfüllung der Entladepflicht von der Zahlung eines "Handgelds" abhängig macht. Warum halten Sie dies für problematisch? Ich frage mich, ob dieses Vorgehen aus wettbewerbsrechtlichen Gründen zulässig ist. Sichert der Empfänger einem Frachtführer eine schnellere Entladung durch seine Mitarbeiter gegen Entgelt zu, versucht hier der Empfänger Geld zu machen für etwas, wozu er entweder aus dem Kaufvertrag oder, um sein frachtrechtliches Forderungsrecht zu realisieren, sowieso verpflichtet ist. Eine solche Vorgehensweise könnte ein starkes Argument sein für einen Standgeld-Anspruch der Frachtführer. Denn das Gesetz gibt immer dann einen Standgeld-Anspruch, wenn der Frachtführer über eine "angemessene Frist" hinaus wartet. Als Faustformel aus bisheriger Rechtsprechung hat sich die Zwei-Stunden-Regelung ergeben. Wenn aber an einer Rampe Frachtführer mit vergleichbaren Gütern schneller entladen werden als andere, nur weil sie ein "Handgeld" zahlen, dürfte sich auch die "Angemessenheit" der Entladezeit aller Frachtführer danach beurteilen, wie die schnellen Entladungen erfolgen. Daraus kann dann gefolgert werden, dass die zeitlich schlechter behandelten Frachtführer einen Standgeldanspruch haben könnten, auch wenn sie nicht länger als zwei Stunden stehen, denn ihre Wartezeit ist dann nicht mehr angemessen verglichen mit den anderen Frachtführern. Haben Frachtführer ein Druckmittel, um auf den Rampen-Kosten nicht sitzen zu bleiben? Entweder die Frachtführer berechnen diese Wartezeiten ihrem Auftraggeber, also dem Warenversender. Oder sie bezahlen das "Handgeld" und geben diese Kosten an ihre Auftraggeber weiter. Und in letzter Instanz gibt es noch zwei Druckmittel: Das ist das Pfandrecht und das Zurückbehaltungsrecht des Frachtführers gegenüber dem Empfänger.