Wege aus der Flächenfalle

Schaut man sich die jüngsten Zahlen für den Logistikimmobilienmarkt an, könnte man fast meinen, er habe sich abgekühlt: Um 22 Prozent unter Vorjahresniveau lag der Flächenumsatz im ersten Quartal dieses Jahres, ermittelte BNP Paribas Real Estate. Entscheidende Fußnote: Vermutlich wären deutlich mehr als die knapp 1,4 Millionen Quadratmeter Flächenumsatz realisiert worden, wenn es denn ein entsprechendes Angebot an Flächen geben würde. Der steigende Wettbewerb um die raren Flächen lässt sich eins zu eins an der Mietentwicklung ablesen. Wie Zahlen von BNP Paribas Real Estate für das Auftaktquartal 2019 verdeutlichen, müssen vor allem Mieter von innenstadtnahen Lagen in Berlin deutlich tiefer in die Tasche greifen. Mit 7,20 Euro pro Quadratmeter hat die Hauptstadt mittlerweile sogar München als teuerstes Logistikpflaster hinter sich gelassen (siehe Grafik). "Der Umsatz mit Neuvermietungen belief sich 2018 auf 7,2 Millionen Quadratmeter, das ist das beste Ergebnis, das wir jemals in Deutschland verzeichnet haben", sagt Frank Weber, Head of Industrial Agency bei JLL Germany. Das Wachstum werde dabei klar außerhalb der Big Five generiert. Während um Berlin herum derzeit viel spekulativ gebaut werde, sei der Markt in München oder auch Stuttgart sowohl in Sachen Neubau als auch verfügbarer Bestand leergefegt. "Daran wird sich in absehbarer Zeit auch wenig ändern - die Mieter, die in den Logistikobjekten sitzen, verlängern", sagt Weber. Wohnraumschaffung geht vielerorts vor "Die Mieten sind auch in Lagen außerhalb der Hotspots, wo die Preise schon immer höher waren, vielerorts gestiegen", berichtet auch Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer Garbe Industrial Real Estate. Einer der wenigen Hebel, um noch an attraktive Flächen zu kommen, seien Brownfield-Projekte: "Vorgenutzte Grundstücke sind in der Ökobilanz ganz anders zu bewerten als die Versiegelung von vorher gar nicht genutzten Flächen", sagt Hempel, wenngleich auch er weiß, dass die Logistik hier in Konkurrenz zu anderen Nutzungsarten steht, die von vielen Städten oft bevorzugt werden. Allen voran Wohnraum. "Wir als Entwickler haben derzeit zwei große Themen: erstens die Grundstücksknappheit und die daraus folgenden massiv gestiegenen Grundstückspreise. Zweitens den Boom der Bauwirtschaft - die Verknappung der Ressourcen führt auch hier zu steigenden Preisen", sagt Fred-Markus Bohne, Managing Partner Panattoni Europe. Dies habe einen einfachen Grund: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, Logistikimmobilien als Investment seien sehr gefragt. Dies bekommen Mieter gerade bei Erweiterungen natürlich deutlich zu spüren, räumt Bohne ein. Die Miete für eine Anlage, die vor drei bis vier Jahren gebaut wurde und für eine vergleichbare neue Halle, die direkt daneben gesetzt wurde, könne schon mal um einen Euro pro Quadratmeter abweichen. "Dass er für die neue Halle mehr bezahlen muss, ist für den Mieter natürlich auf den ersten Blick schwer vermittelbar", sagt Bohne. Dabei handele es sich schlichtweg um eine Weitergabe von Kosten, "die wir anders nicht kompensieren können", wie Bohne betont. Daher sei Eigeninvestment auch kaum eine Alternative, der Nutzer sei schließlich mit den gleichen Rahmenbedingungen auf dem Markt konfrontiert wie die Entwickler. Dass gestiegene Mieten bei gleichzeitig niedrigen Zinsen bei Logistikdienstleistern einen Trend zum Eigentum befeuern, kann auch Garbe-Chef Hempel momentan nicht beobachten. "Für Unternehmen, die mit Sicherheit feststellen können, dass sie an ihrem Standort über viele Jahre ausgelastet sein werden oder auch für Speditionen, die auch Transportleistungen erbringen und einen großen Kundenstamm haben, mag das eine sinnvolle Option sein", so Hempel. Da in der Kontraktlogistik die Vertragslaufzeiten eher kürzer als länger werden, müsse man sich aber sehr genau überlegen, ob eine eigene Immobilie sinnvoll ist, meint Hempel. "Wir sollten uns nichts vormachen: Die Flächenknappheit ist unumkehrbar und die Mieten werden weiter steigen", lautet die aus Mietersicht ernüchternde Einschätzung von Bohne. Logistiker hätten im Grunde nur die Option, ihre gestiegenen Kosten an ihre Kunden weiterzureichen. Auch das Überdenken der Facility-Management-Strategie helfe demnach dabei, Kosten zu sparen. "Einige Dienstleistungen übernimmt man vielleicht doch wieder inhouse und fährt damit günstiger", rät Bohne. Alternative Konzepte gesucht Die Flächenknappheit - insbesondere in Ballungsräumen - führt freilich nicht nur dazu, dass die Mieten steigen, sondern dass sich Projektentwickler verstärkt Gedanken über alternative Immobilientypen für die urbane Logistik machen. Insbesondere für den E-Commerce und die Last-Mile-Logistik seien Umwidmungen von frei gewordenen Retail-Flächen interessant, sagt Hempel. "Wenn man den Warenhausmarkt in letzter Zeit verfolgt hat - Stichwort Fusion zwischen Karstadt und Galeria Kaufhof - dürften sich mittelfristig einige Gelegenheiten bieten, die von der Gebäudestruktur her gar nicht so schlecht für die logistische Nutzung geeignet sind", so der Garbe-Geschäftsführer. Haben denn mehrgeschossige Logistikimmobilien, die vor allem in Asien, aber auch in US-Städten wie Seattle und auch vereinzelt in europäischen Metropolregionen wie Paris und London realisiert werden, auch in Deutschland eine Zukunft? Die Experten äußern sich verhalten. "Ich würde in Deutschland noch von keinem Trend sprechen, die bislang realisierten Projekte lassen sich an einer Hand abzählen", sagt JLL-Mann Weber. Demnach sei der Druck hierzulande offenbar noch nicht groß genug, der es rechtfertigen würde, immens hohe Grundstückspreise durch über Mehrgeschossigkeit erweiterte Lagerfläche wieder hereinzuholen. In die Höhe bauen nur bedingt sinnvoll "Konventionelle Logistik zu stapeln, ist meines Erachtens kein erfolgsträchtiges Modell", meint Hempel. Vieles, was in Hongkong oder Singapur gut und richtig sei, würde hierzulande nicht funktionieren - alleine aus bau- und auch arbeitsrechtlichen Gründen. Zudem seien zehn Meter Hallenhöhe und eine Bodentraglast von fünf Tonnen, die konventionelle Logistik typischerweise erfordert, in zweioder mehrgeschossigen Gebäuden schlecht realisierbar. "Da geht es nicht nur um den Stützenwald, den die Statik erfordert, sondern auch die Prozesszeiten für die Verkehre an den Toren, die aufgrund der baulich bedingten Enge ebenfalls in die Höhe schnellen dürften", gibt Hempel zu bedenken. Alles in allem kommt er zu dem Schluss, dass die Kosten für diese Gebäudetypen angesichts der massiv eingeschränkten Nutzbarkeit wohl nicht zu rechtfertigen seien. Bohne bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel: "Die klassischen Langsamdreher, die man ansonsten guten Gewissens im ersten Stock lagern könnte, gibt es in Zeiten von E-Commerce und Just-in-Time-Belieferung immer weniger." Andererseits: Wenn es keine Flächen mehr gibt, werde man sich zwangsläufig mit mehrgeschossigen Logistikimmobilien beschäftigen. "Kurz- bis mittelfristig werden wir zumindest in Top-Regionen diese Gebäudetypen öfter sehen", sagt er. Panattoni selbst habe aktuell aber kein solches Projekt in der Umsetzung. "Die Risiken schätze ich momentan als noch zu hoch ein. Wir werden das Geschehen in dieser Hinsicht aber weiterhin beobachten." Mischnutzung lautet das Zauberwort In der urbanen Logistik sieht Bohne vielmehr gute Perspektiven für stadtnahe Business-Parks, die die Nachfrage nach kleinteiligen Flächen auch für die Last-Mile-Logistik bedienen, aber keine reinen Logistikansiedlungen sind. Hier kommen auch mittlere Gewerbebetriebe unter. "Wir sehen diese Art von Mischnutzung als guten Hebel, um in Städten überhaupt noch attraktive Flächen zu bekommen", so Bohne. Garbe-Geschäftsführer Hempel betrachtet die Mischnutzung ebenfalls als vielversprechenden Ansatz und bringt Gebäude, die im Erdgeschoss primär für Logistik genutzt werden, auf die aber im Obergeschoss Flächen für Büros, Produktion und Gewerbe gesetzt werden, ins Spiel. "Wenn man so einem Gebäude die Logistik, die darin stattfindet, auch noch wenig ansieht, wäre auch gestalterisch viel gewonnen. Büroriegel an einer oder mehreren Seiten werten die Immobilie auch optisch enorm auf." Ü Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Immobilien" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Logistikimmobilien-Entwickler haben ein Problem: Die Nachfrage ist groß, Grundstücke sind rar und teuer. Für den Nutzer bedeutet dies vor allem steigende Mieten. Insbesondere für die urbane Logistik werden nun neue Konzepte wie Umwidmung von Retail-Flächen, mehrgeschossige Logistikimmobilien oder Mischnutzungen geprüft. Veranstaltungstipp - Mehr Markttransparenz Seit zwei Jahren explodieren die Mieten für Logistikimmobilien infolge von Flächenknappheit und steigenden Grundstückspreisen. Im Vergleich zu anderen Ländern - in Großbritannien etwa sind Mietpreisindizes per Gesetz vorgeschrieben - ist die Transparenz des Immobilienmarkts hierzulande allerdings noch ausbaufähig: Laut Global Real Estate Transparency Index 2018 von JLL rangiert Deutschland auf Rang acht. Darüber, wie Mietpreisindizes wie der vom IW Köln und IndustrialPort ermittelte IWIP (Industrieimmobilien-Mietpreis-Index) für mehr Markttransparenz sorgen können, diskutiert IndustrialPort-Geschäftsführer Peter Salostowitz mit Tobias Kassner, Bereichsleiter für Industrie- und Logistikmärkte bei Bulwiengesa, und Helge Scheunemann, Leiter Forschung von Jones Lang LaSalle, unter Moderation von VerkehrsRundschau-Redakteurin Anja Kiewitt am 25. Juni beim 8. Deutschen Logistikimmobilienkongress in München ab 13:45 Uhr im Forum"Intro: Neuer Index für Industrieimmobilien". akw/mh

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