Rekordmesse trotzt dem Krisengerede

Hitze, Besucherrekord, viel Prominenz, darunter auch der Bundesverkehrsminister, neue Trends und das wahrscheinlich am häufigsten fotografierte Gefährt auf der Messe, eine Nachbildung des DeLorean DMC-12 aus dem Film "Zurück in die Zukunft": Das waren nur einige Highlights auf der Messe Transport Logistic in der vergangenen Woche in München. "Die Transport Logistic hat ihre Rolle als weltweit größter, intermodaler Logistik-Hub bestätigt", zog Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München, ein positives Fazit. Optimistische Grundstimmung Ein Thema, über das nahezu permanent in den Messehallen geredet wurde, war die derzeitige Wirtschaftsentwicklung. Immer wieder wurden zwar als Bedrohung die Handelskonflikte genannt oder eine sich abschwächende Nachfrage. Dennoch überwog eindeutig der Optimismus. Ein Beispiel dafür war die Aussage von Frank Appel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post DHL Group: Er nimmt die Verschlechterung der Stimmung wahr, sprach in diesem Zusammenhang von einer "Psychologie der Märkte", deren Auswirkungen noch nicht abschätzbar seien. Aber: Im ersten Quartal 2019 habe sein Unternehmen dennoch ein Wachstum erzielt. "Wir sind weiterhin optimistisch", blickte der Post-Chef zuversichtlich nach vorne. War das die Aussage eines Vertreters, der das weltweite Geschäft im Blick hat, ist die Stückgutkooperation IDS auf Europa fokussiert. Michael Bargl, Geschäftsführer von IDS Logistik, zeigte sich sehr zufrieden: "So ein hohes Wachstum wie in diesem Jahr hatten wir bis Ende Mai noch nie. Wir liegen sicher sieben bis acht Prozent über den Vorjahreswerten." Als Wachstumstreiber nannte er die Bau- und Konsumgüterbranche. Ganz so positiv ergeht es nicht allen. So sprachen doch auch viele von einer Beruhigung am Frachtraummarkt. Damit geht allerdings keine Entspannung auf dem Markt für Lkw-Fahrer einher. Auf der Messe diskutierten Experten deshalb unterschiedliche Lösungen. "Wir müssen ganz dringend an dem Image des Berufs arbeiten", sagte Dirk Engelhardt, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bundesverbandes Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Man müsse Werbung machen, und es sollen auch gezielt Frauen angesprochen werden. Der Vorsitzende des BGL-Berufsbildungsausschusses, Gerald Hensel, empfahl, das Image des Berufs durch eine modernere Bezeichnung aufzuwerten. "Wir brauchen einen neuen Namen, der den gestiegenen Anforderungen gerecht wird", sagte der Seniorchef der Mainzer Spedition Hensel. Etwa Transport Manager oder Road Pilot. Als Beispiel für eine erfolgreiche Umbenennung nannte Hensel den Kfz-Schlosser, der als Kfz-Mechatroniker bezeichnet wird. In München berichteten einige Unternehmer, dass inzwischen auch die Verlader den Fahrermangel ernst nehmen und fünf bis zehn Prozent mehr für Lkw-Transporte zahlen als im Vorjahr. Dieses Geld investieren viele derzeit in höhere Löhne. Geld in die Hand nimmt auch die Initiative "Die Wirtschaftsmacher". Sie haben in München der Startschuss für die Imagekampagne "Logistikhelden" gegeben. Damit wollen sie das Image der Branche aufpolieren mit dem Ziel, Fachkräfte zu gewinnen. Denn es fehlen nicht nur Fahrer. An der Aktion beteiligen sich Unternehmen, Branchenverbände und ideelle Träger. 14 Testimonials aus der Branche sollen bis Ende des Jahres auf Onlineplattformen und Social-Media-Kanäle sowie in Printmedien und auf Großflächenplakaten zu sehen sein. Die insgesamt gute Konjunktur der letzten Jahre führt dazu, dass nicht nur Fachkräfte, sondern zunehmend auch Flächen fehlen. "Bei Logistikimmobilien bleibt nur der Weg in die Höhe", sagte Robert Mergens von der Deutschen Post DHL Corporate Real Estate Management auf einem Forum. Dass der Markt an stadtnahen Logistikimmobilien leer gefegt ist, bestätigte Christof Prange, Leiter Geschäftsentwicklung beim Immobilienentwickler Goodman: "Wenn wir etwas finden, dann sind es Brownfields." Brownfields sind brachliegende Industrie- oder Gewerbeareale, die reaktiviert werden. Langfristig müssten die Mietpreise steigen, um die höheren Erschließungskosten zu decken, so Prange. Den Fachkräftemangel spürt die Deutsche Post DHL. Um neue Mitarbeiter für sein Unternehmen zu begeistern, will Mergens unter anderem Konzernwohnungen bauen. "Ich wünsche mir hier mehr Kooperation vonseiten der Kommunen", betonte er. Trend, der an Fahrt gewinnt: Kooperation Generell gewinnt "Kooperation" an Bedeutung, wie auch auf der Messe deutlich wurde. So arbeiten bei X-Rail mittlerweile sieben führende Güterbahnen zusammen, darunter auch DB Cargo. Jüngst ist die französische Staatsbahn Fret SNCF dazugestoßen. Gemeinsam will man den Einzelwagenverkehr in Europa wettbewerbsfähiger machen. In München kündigten die Sieben ein neues Buchungssystem - XCB genannt - an, das von einigen Partnern bereits genutzt wird. DB Cargo will Ende 2020 dieses System anbieten. XCB soll nicht nur die Buchung vereinfachen, sondern zudem für eine höhere Transparenz sorgen und den Kunden beispielsweise die genaue Ankunftszeit übermitteln. Gemeinsame Sache machen künftig auch die beiden Stückgutkooperationen ILN und Star. Dafür wollen beide in Kürze eine gemeinsame GmbH gründen, an der ILN und Star jeweils 50 Prozent Anteil halten werden, erklärte ILN-Geschäftsführer Alexander Bauz. In diese neue GmbH sollen dann die beiden Netze mit allen Partnern und Standorten eingebracht werden. Das gemeinsame Netz werde dann in Deutschland über 210 Partner umfassen sowie weitere 90 in Europa. "Möglichst hohe Verdichtung und dadurch möglichst niedrige Kosten. Das ist unser Ziel", so Bauz. Nicht zu übersehen war ein weiterer Trend auf der Messe, die Digitalisierung. Die künstliche Intelligenz gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung (siehe Kasten Seite 13). In München wurden zudem zahlreiche Lösungen zur Verbesserung der Transparenz in der Logistikkette vorgestellt, vor allem von vielen Telematikanbietern und Plattformen. So präsentierte die Verladerplattform Transporeon gleich mehrere Weiterentwicklungen für die Frachtausschreibungen sowie die Transportvergabe und -abwicklung. Gemeinsam mit dem Real-Time-Visibility-Experten Sixfold bietet Transporeon beispielsweise ein Echtzeit-Tracking von Lkw. Sixfold bindet Lkw-Flotten primär über die dort genutzten Telematiksysteme an. Durch die Integration der Systeme in die Transporeon-Welt müssen sich Verlader nur auf einer Plattform einloggen, um Transporte zu vergeben, Zeitfenster zu managen und die Lieferungen in Echtzeit inklusive der zu erwartenden Ankunftszeit ETA zu verfolgen. Auch die Automatisierung war in vielen Messehallen ein Thema. Aber nicht nur über autonom fahrende Fahrzeuge auf der Straße und der Schiene wurde lebhaft debattiert, sondern Contargo kündigte auch an, 2023 das erste vollautomatisierte Terminal im Hinterland in Betrieb nehmen zu wollen. Bislang kannte man solche Anlagen nur aus den Seehäfen. Keine Messe ohne die Ankündigung, dass ein Player Großes vorhat im Transport- und Logistikmarkt. Die vielleicht interessanteste Meldung dazu kam von C.H. Robinson. Der US-amerikanische Transportgigant (13,2 Milliarden Euro Umsatz in 2017) will in Europa stärker Fuß fassen. Zielmärkte sind insbesondere Deutschland, Österreich und Schweiz sowie Skandinavien, kündigte Europa-Chef Jeroen Eijsink an, bisheriger Deutschlandchef von DHL Freight. Jährlich zehn Prozent mehr Wachstum im Volumen und Rohertrag wollen die Amerikaner realisieren. C.H. Robinson arbeitet mit einem Brokerage-Modell und damit fast ohne eigene Logistikkapazitäten. Das Unternehmen ist bereits seit über 20 Jahren in Europa tätig, bislang aber nicht mit dem gewünschten Erfolg. Mit Eijsink wollen die US-Amerikaner offensichtlich durchstarten. Nicht zuletzt diese Ankündigung, aber auch alle anderen aufgezählten Aktivitäten auf der Transport Logistic lassen darauf schließen: Es ist viel Bewegung im Markt, und in Summe wird mit weiterem Wachstum gerechnet. Die besten Fotos von der Transport Logistic unter www.verkehrsrundschau.de/mediathek Die Messe-Bilanz 2374 Aussteller aus 63 Ländern präsentierten sich auf der Messe Transport Logistic in München. Das waren zehn Prozent (2017: 2162) mehr als beim letzten Mal. Die vorläufige Besucherzahl gab die Messe München mit 64.000 an, fünf Prozent mehr als 2017 (60.726). Mittlerweile sind zehn Hallen belegt (statt bislang neun). Und sie wird immer internationaler: 47 Prozent der Besucher und 56 Prozent der Aussteller stammten aus dem Ausland. Menschliche und künstliche Intelligenz müssen Hand in Hand gehen Dass in der Logistik künftig menschliche und künstliche Intelligenz (KI) Hand in Hand gehen müssen, diese Ansicht vertrat Joachim Weise, der bei DB Schenker den Bereich "Global Data Strategy and Analytics" leitet, auf einem Forum in München. Mit 30 Mitarbeitern untersucht er derzeit verschiedene KI-Anwendungen - von der Kundenanalytik über Nachfrageprognosen sowie Netzwerk- und Kapazitätsplanung bis hin zur autonomen Logistik. Zunächst soll sein Team"Mikroservices" eine dynamische, eventbasierte Tourenplanung sowie eine automatisierte Preisermittlung und Angebotserstellung entwickeln.Distribution: künftig vollautomatisch?Auch Abläufe und Wege im Lager will Weise künftig, etwa mit Videoanalytik, optimieren. Denkbar seien auch Fahrstromprognosen zur Reichweitensteigerung von E-Fahrzeugen, Tools zur Gefahren- und Schadenserkennung oder eine vollautomatisierte Distribution, ergänzte Martin Friedrich aus dem Bereich Verkehrslogistik des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML. akw

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