Wechselvoller Hürdenlauf

Für den Transport hochwertiger und temperatursensibler Pharmazeutika gelten innerhalb der EU inzwischen hohe technische und gesetzliche Standards - vor allem seit der Novelle der EU-GDP-Guideline 2013. "In schwer zugänglichen Gebieten außerhalb der EU bleibt dagegen die GDP-konforme Beförderung von Teilladungen oder kleinen, eiligen Sendungen noch eine große logistische Herausforderung", betont Thomas Schleife, Geschäftsführer von Transco Berlin Brandenburg in Ludwigsfelde (siehe Kasten Seite 21). Schleife weiß, wovon er spricht, denn sein Unternehmen hat sich neben Europa-Verkehren auf "exotische" Relationen in Eurasien spezialisiert. So organisiert und fährt Transco nicht nur GDP-konforme Straßentransporte, etwa in die GUS-Staaten, Türkei und Mongolei, sondern nun auch in den Iran. Und diese Straßentransporte sind laut Schleife im Vergleich zur Luftfracht im Hauptlauf nicht nur kostenseitig wettbewerbsfähig, sondern auch in Bezug auf die Sicherheit der Supply Chain. Denn Solofahrzeuge würden direkt bis zum Endempfänger fahren und ihre Laderaumtemperatur könne überwacht werden. Erste Formen nahm das Abenteuer Iran zum Jahreswechsel 2015/16 an. "Da habe ich mich gefragt, wo könnte für uns ein neuer Wachstumsmarkt sein", erzählt Schleife. China, Mittlerer und Naher Osten - alles das sei für ihn keine Option gewesen. "Diese Länder sind transporttechnisch inzwischen abgegrast oder noch nicht reif", befand er. "Am Ende blieb ,nur' der Iran übrig." Anstatt umfangreiche Marktstudien über den Iran zu durchforsten, fackelte Schleife nicht lange und fuhr zwei Monate später in den Iran, um sich selbst ein Bild von dem Land zu machen. "In Teheran fand damals eine Pharmamesse statt und ich wollte ausloten, ob und inwieweit es dort überhaupt Nachfrage für unser Transportangebot gibt." Ein Land wie ein Schwamm Sehr schnell stellte der Geschäftsführer auf seiner Reise fest: "Das Bild, das wir Deutsche vom Iran haben, ist vollkommen verzerrt." Nicht als Kontrollstaat habe sich ihm das persische Land präsentiert. Im Gegenteil: Das Leben im Iran ist sehr entspannt - ganz im Gegensatz zu Saudi-Arabien. Die Menschen sind sehr offen, sehr herzlich, und die meisten jungen Leute sprechen Englisch. "Dieses Land ist wie ein Schwamm. Es saugt alles auf", erzählt Schleife. Vor allem sei der Iran kein armes Land, sondern verfüge über eine sehr diversifizierte Wirtschaft. Mittlerweile war Schleife zehn Mal im Iran und hat wichtige Partnerschaften zu Unternehmen aufgebaut. "Diese Zeit braucht man. Geschäfte im Iran werden auf Vertrauensbasis gemacht, und dieses Vertrauen muss sich ein Unternehmer erst aufbauen", weiß Schleife heute. Während bei den Deutschen alles immer schnell, schnell gehen müsse, wolle ein Perser erst alles über sein Gegenüber wissen, dessen Familie und deren Werteverständnis. Gerade weil Iraner und Deutsche aber unterschiedlich ticken, rät er investitionswilligen Branchenkollegen, sich in der Anfangsphase von einem iranischen Geschäftsführer unterstützen zu lassen. "Sonst scheitert man allein an der Sprache - jedes Dokument ist in Farsi ausgestellt, der persischen Landessprache." Mit dem Iraner Nasseri hat Transco offenbar den richtigen Mann zur richtigen Zeit gefunden. Schleife: "Er ist Iraner, hat in Österreich studiert und kann Deutsch und Englisch. Er ist unser Mann vor Ort und Dolmetscher - nicht nur in puncto Sprache, sondern auch in der Wertevermittlung." Mittlerweile ist Nasseri auch an der Transco-Landesgesellschaft im Iran beteiligt. Kein Vorteil, aber ohne Nachteil: Der Iran ist zwar mit fast 80 Millionen Bewohnern ein attraktiver Markt - nicht zuletzt auch, weil dort interessante Wirtschaftszweige wie Erdöl- und Erdgas, Landwirtschaft, Textil- und Automobilbranche stark sind. Unabhängig davon bleibt das Land auch nach dem Atom-Abkommen, das die USA, UN und die EU mit dem Iran vor zwei Jahren erzielt hat, politisch ein schwieriges Pflaster. Jüngstes Beispiel sind die Unruhen im Januar 2018 gegenüber dem Mullah-Regime. Schleife schreckt das nicht ab. Für ihn überwiegen die Chancen, die das Land für Transport- und Logistikbetriebe wie Transco bietet. Nicht nur, weil in und aus dem Iran Transportleistungen sowie Verzollungsaufgaben nachgefragt sind, sondern auch, weil der nationale iranische Markt moderne und effiziente Dienstleistungen benötigt. Jedem investitionswilligen Logistiker müsse aber klar sein, dass Spedition im Iran anders funktioniert als in Deutschland, führt der Geschäftsführer aus. So wurde das Iran-Embargo zwar mittlerweile gelockert, trotzdem müssten exportierende Firmen nach wie vor für bestimmte Exportgüter wie "Dual Use"-Produkte Genehmigungen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA beantragen. Dabei handelt es sich um Güter mit doppeltem Verwendungszweck, also Produkte, die militärisch und zivil genutzt werden können. Herausforderung Bürokratie "Den Genehmigungsantrag selbst machen wir nicht. Das ist Aufgabe unserer Auftraggeber. Für die Exportabfertigung und Verzollung müssen wir als Spediteur aber wissen, dass die Genehmigung beantragt wurde und final auch vorliegt." Ebenso erforderlich im Iran-Geschäft ist der sogenannte Nullbescheid. Dieser bescheinigt die Genehmigungsfreiheit der Fracht und dient zur Vorlage bei den Zollbehörden (siehe Kasten rechts). "Um im Iran Geschäfte machen zu können, ist es aber nicht nur wichtig, die notwendigen Dokumente zu kennen, sondern zu wissen, wie überhaupt die Prozesse im Iran ablaufen", betont der Geschäftsführer. So gilt in diesem Land noch nicht das vereinfachte Carnet-Tir-Verfahren. Sprich: Bis an die Grenzen des Irans kann man mit Carnet Tir fahren und innerhalb des Landes arbeitet man mit einem gesonderten Verfahren, dafür benötigt man ein "Bill of Lading"-Papier. Wichtigste Besonderheit im Iran ist, dass sich der Staat die gesamte Hoheit auch im Handling für die Importe/Exporte für den Iran gesichert hat. Sprich: Während in der EU ein Spediteur im Auftrag von Warenempfängern die Verzollung und Bezahlung der Eingangsabgaben übernehmen kann und die Produkte dann in den freien Verkehr verbringt, ist dies im Iran bislang nicht möglich. Mit der Folge, dass im Iran nicht der Spediteur, sondern der Importeur für alles verantwortlich ist, also auch dafür, welche Dokumente und Lizenzen konkret für welches Produkt im Iran erforderlich sind und welchem Zollamt die Ware gestellt werden muss. Importeur muss grünes Licht geben "Losfahren oder losfliegen sollte man also erst, wenn der Importeur grünes Licht gegeben hat und alle Waren- und Frachtdokumente in Ordnung sind. Ist vielleicht eigenwillig, aber es funktioniert", schmunzelt Schleife. Wenn dieser Prozess nicht eins zu eins eingehalten wird, könne es durchaus passieren, dass ein Lkw auch einmal vier Wochen im Iran stehe, erzählt der Transco-Geschäftsführer. Das könne etwa geschehen, weil nur ein Dokument nicht exakt den Vorgaben der iranischen Zollbehörden entspricht, zum Beispiel das Ursprungszeugnis nicht im Original vorliegt. Ihm persönlich sei das aber noch nicht passiert. Kurz gesagt: Ein Spediteur kann im Iran keine Verzollung übernehmen. Schleife: "Diese Spielregeln muss man im Iran-Geschäft kennen, sonst braucht man hier gar nicht anfangen." Und eines sollte einem auch bewusst sein: Im Iran-Geschäft braucht es viel Papier. "Zwei Zentimeter Dokumente pro Sendung sind keine Seltenheit." Die Bürokratie ist aber nicht die einzige Hürde, die Schleife meistern musste, um das Iran-Geschäft für Transco hochzuziehen. Eine Herausforderung ist nach wie vor die Transportstrecke. Am einfachsten sei die Landverkehrs-Route von Deutschland über Österreich, Ungarn, über Bulgarien, Rumänien, durch die Türkei in den Iran. Auch über die Fährverbindung von Triest/Italien in die Türkei sei der Iran gut zu erreichen. Insgesamt 4900 Kilometer sind die Lkw also pro Strecke von Ludwigsfelde/Berlin-Brandenburg, wo Transco seinen Sitz hat, nach Teheran/Iran unterwegs. Dauer zehn bis zwölf Tage - und im Winter können es schneebedingt auch einmal 16 Tage sein, rechnet der Geschäftsführer vor. Unsicherheitsfaktoren seien hier also klar die Wetterbedingungen - erstaunlicherweise weniger die Abfertigung an den Grenzen. "Das ist heute, wenn die Papiere sauber sind, kein Thema mehr", meint Schleife. "Und die Verkehrsinfrastruktur wird jedes Jahr besser, gerade in der Türkei." Zusammenarbeit mit Transportpartnern Bleibt nur die Frage, warum Transco diese Transporte noch nicht mit eigenem Equipment und Fahrern durchführt, sondern dafür mit selbstständigen Frachtführern zusammenarbeitet, die jeweils mit Zwei-Mann-Besetzung unterwegs sind. "Unser Unternehmen fährt in der Tat mit eigenen Lkw bis nach Kasachstan. Der Iran ist für uns aber noch als Markt zu neu", räumt Schleife ein. Zumal es genügend Unternehmer aus der Türkei, dem Iran, Aserbaidschan und Russland gebe, die solche Transporte fahren - wobei im Kühlbereich das technische Equipment noch "sehr gewöhnungsbedürftig" sei, formuliert er es. Am besten seien, das ist seine Erfahrung, türkische Fahrer für den Iran-Verkehr geeignet, auch weil einige Farsi, die persische Sprache, verstehen und lesen können und die Mentalität kennen. Und wie geht es mit Transco im Iran weiter? "Noch ist unsere Geschäftsstelle in Teheran ein reines Vertriebs- und Betreuungsbüro", betont Schleife. Mittelfristiges Ziel sei es, als Empfangsspedition selbst Waren in den Iran abfertigen zu können. Dafür will Transco in den nächsten Jahren eine Speditionslizenz im Iran erwerben. "Dann haben wir den Prozess in der Hand und müssen keinen Dritten beauftragen. Das beschleunigt die Prozesse." Nur eines werde er im Iran wohl nur schwer als Ausländer erhalten, bedauert er, das ist die Lizenz zum Zollbroker. Damit nicht genug: Mittelfristig will Transco im Landverkehr auch mit eigenen Lkw und Fahrern in den Iran fahren - zumindest im Pharmabereich sei dies sehr gut vorstellbar. Und bis 2019 kann sich Schleife gar vorstellen, als nationaler Carrier im Landverkehr im Iran tätig zu sein. "Solange wir Arbeitsplätze schaffen, stehen einem hier alle Türen offen." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Pharmalogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten GDP Sichere Pharmatransporte Das Transport- und Speditionsunternehmen Transco organisiert durchgehende Lkw-Straßentransporte innerhalb Europas sowie nach Eurasien. Die Solo-Fahrzeuge und Trailer sind gemäß GDP pharmaqualifiziert, das Personal ist speziell geschult und die Logistikprozesse sind nachweislich GDP-konform. Die Konformität gemäß der "guten Vertriebspraxis" der EU wurde vom European Institute for Pharma Logistics EIPL in Audits mehrfach bestätigt. Außerdem entwickelt und realisiert Transco Berlin Brandenburg ganzheitliche Pharmakonzepte für höchste Prozessqualität, Sicherheit, Qualifikation und Dokumentation.Hintergrund ist: Seit 2013 gilt die Novelle der EU-Leitlinie "Good Distribution Practice" (GDP) für Pharmatransporte - und zwar für die gesamte Supply Chain. Diese reicht vom Pharmahersteller (Verlader) über den Pharmagroßhandel bis zu den Pharmalogistikern, die für den sicheren Transport der empfindlichen Ware bis zum Empfänger verantwortlich sind. Der Verlader hat dafür Sorge zu tragen, dass sein externer Logistikdienstleister GDP-konforme Prozesse nachweisen kann. Logistikdienstleister müssen entsprechendes GDP-qualifiziertes Equipment, geschultes Personal und regelkonforme Pharmalogistikprozesse nachweisen. Ein entscheidender Bereich ist das Temperatur-Management beim Pharmatransport mit Kühlfahrzeugen. Hier wird in einem Audit geprüft, ob die Fahrzeuge gemäß GDP qualifiziert sind (zum Beispiel ob Temperatur-Sensoren kalibriert sind, und der Laderaum mit geeigneten Luftleit-Kanälen ausgestattet ist). Die Auditierung hilft, einen Maßnahmenplan zu erstellen, um die Prozesse GDP-konform zu gestalten. eh VR-Tipp Lkw-Transporte in den Iran: auf was Firmen achten müssen - Spediteure und Transporteure, die Iran-Transporte organisieren und durchführen, sollten sich sehr gewissenhaft vorbereiten. Grundsätzlich sind bei jedem Export in den Iran zunächst die aktuellen Embargo-Bedingungen zu prüfen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Einfuhr-Sanktionen für "Dual Use"-Produkte in den Iran, also Erzeugnisse, die nicht nur für zivile Zwecke verwendet werden können (vergleiche EG-Dual-Use-Verordnung).- Bevor der Transport konkret geplant wird, ist unbedingt der sogenannte Nullbescheid rechtzeitig beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA vom Exporteur zu beantragen. Dieser wird nicht gesondert beantragt, sondern zusammen mit dem Antrag auf Ausfuhrgenehmigung. Ergibt sich bei der Überprüfung des Antrags, dass für das Vorhaben tatsächlich keine Genehmigungspflicht besteht, erteilt das BAFA den Nullbescheid. Dieser bescheinigt die Genehmigungsfreiheit und dient zur Vorlage bei den Zollbehörden. Ohne die genannte Bestätigung sollte der Transporteur keinesfalls losfahren!- Im Anschluss hat der Spediteur auf Basis der Exportdokumente das Bill of Lading zu erstellen und sollte sich das über den Exporteur vom Empfänger im Iran bestätigen lassen. Der Eurasien-Spezialist Transco empfiehlt, die durchgehende Laufüberwachung bis in den Iran sicherzustellen. Die Entladung erfolgt dann fast in jedem Fall an einem Zolllager im Iran, von wo aus der Importeur den Nachlauf selbst organisiert.- Transco weist zudem darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Fahrzeug-Kapazitäten für die Transporte in den Iran sehr schwankend sei, zudem seien die Laufzeiten witterungsbedingt sehr unterschiedlich. Deshalb sollten Spediteure und Transporteure dem Verlader stets die möglichen Risiken in Bezug auf organisatorische und zolltechnische Herausforderungen offenlegen und ausreichend Zeitpuffer für den Transport einplanen. eh

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