Was tun, wenn's passiert?

"Das Unternehmen ist gestern Opfer eines Überfalls in Limburg an der Lahn geworden. Ein Lkw-Fahrer, der sich gerade auf Auslieferungstour in der Stadt befand, wurde bei einem Ampelstopp aus seinem Lkw gezogen ..." So lauten die ersten Zeilen einer Pressemeldung vom 8.10. einer baden-württembergischen Logistik-Gruppe. Wie der Fall "Limburg" weiterging, ist bekannt: Neun verletzte Personen, Tatverdächtiger festgenommen, Schlagzeilen wie "Amokfahrt oder Anschlag?" in der Tagesschau. Unfälle, Überfälle oder Katastrophen sind eine sprudelnde Quelle für Nachrichten, sie verursachen hohen Informationsbedarf. Dies gilt nicht nur bei nationalen Katastrophen wie Elbehochwasser oder Orkan Kyrill. Auch private Unternehmen sollten das Thema Krisenkommunikation im Blick haben, wie das Beispiel Limburg wieder verdeutlicht. Die Pressemeldung des Unternehmens sowie dessen konstante Rückmeldungen auf Leserkommentare zeigen, dass das Unternehmen weiß, wie wichtig das Thema ist. Um Kopf und Kragen reden "Die Unternehmen geraten in der Krise in ein Netz von Behörden, die selbstständig medial aktiv werden", warnt Felix Zimmermann, Geschäftsführer der renommierten Agentur MAR24 Krisenkommunikation, Berlin. Unternehmer würden "oft während und nach Eintritt des Krisenfalls von der Presse 'überfallen'. Auf der Straße, im Fahrstuhl oder in einer Veranstaltung. Die reden sich dann oft um Kopf und Kragen". Und nicht nur die Presse und Behörden verlangen und verbreiten Information, die breite Öffentlichkeit tut es ebenfalls. Binnen Minuten nach größeren Ereignissen finden sich Fotos oder Gaffer-Videos und spekulative Kommentare in den sozialen Netzwerken, häufig ohne jegliche Beachtung des Persönlichkeitsrechtes beziehungsweise Datenschutzes. Auch im Fall Limburg stand der Name des Unternehmens auf der Lkw-Plane und war in vielen Medien deutlich abzulesen. Vor einem Krisenfall ist kein Unternehmen gefeit - und das Problem kann aus vielen verschiedenen Richtungen kommen. Das zeigen die im April des Jahres veröffentlichten Ergebnisse der "Krisenpräventionsumfrage 2019" unter Krisenbeauftragten und Kommunikationsmanagern. Danach ist Krisenursache Nummer Eins der Mensch (zum Beispiel Unfall, Pandemie), gefolgt von der Technik (zum Beispiel Cyberangriff), den Medien (Enthüllung) und weiteren Ereignissen (siehe Grafik Seite26). Die Umfrage unter 85 Institutionen, durchgeführt von Krisennavigator - Institut für Krisenforschung (ein Spin-Off der Kieler Christian-Albrechts-Universität) ergab, dass 2018 drei von vier Befragten eine Krise zu bewältigen hatten. Spezialisierte Branche Ein eigener Berufszweig hat sich auf dieses Bewältigen spezialisiert und in der Deutschen Gesellschaft für Krisenmanagement e.V. organisiert. Über eine postleitzahlengestützte Suche werden im Bedarfsfall Krisen-, Notfall- oder Katastrophen-Manager vermittelt. Diese decken die drei wesentlichen Pfeiler des Krisenmanagements ab: 1. Risikoanalyse/Prävention: Das Krisenteam analysiert mögliche Krisen-Szenarien und ist aktiv an der Präventionsarbeit des Unternehmens beteiligt. Professionelle Krisenmanager, etwa in Behörden oder bei großen Unternehmen, befassen sich zudem mit sogenannten Schwarzen Schwänen: Ereignissen, die höchst unwahrscheinlich sind, aber bedeutende Auswirkungen haben und im Nachhinein einfach zu erklären sind - weil alle notwendigen Infos vorlagen, aber nicht zur Kenntnis genommen worden waren. Zur Prävention zählen außerdem "Darksites": vorbereitete, nicht freigeschaltete Internetseiten, auf denen vorformulierte Textbausteine vorhanden sind. 2. Akute Phase: Das Krisenteam handelt unverzüglich und planmäßig: Von der Alarmierung der Rettungskräfte über das Sammeln von Fakten und Daten bis zur Pressemitteilung. "Wir führen hier Regie", beschreibt Felix Zimmermann, "und stellen den Außenauftritt sicher. Die wirklich wichtigen Antworten für die Medien in den ersten Stunden einer Krise können nur die beteiligten Behörden geben, etwa, wie viele Menschen verletzt sind oder gegen wen ermittelt wird." Im Weiteren kommt es auf beständigen Informationsfluss an, um Spekulationen zu verhindern - innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Teams wie MAR24 haben eine 24/7-Bereitschaft, sie bewegen sich in der Akutphase selbstständig und haben teils Weisungs- und Sprecherfunktionen. Zum Portfolio, berichtet Zimmermann, "gehören Straßenverkehrs- oder Schiffsunfälle, Brände, Flugzeugabstürze, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen oder rechtsradikale und rassistische Verhalten von Unternehmensmitarbeitern gegenüber Kunden oder in der Öffentlichkeit". 3. Nachbereitung: Das Geschehene wird analysiert und verarbeitet, die in der Akutphase gesammelten Daten und Fakten aufbereitet. Die gemachten Erfahrungen fließen wiederum in die Präventionsarbeit ein. Mehr Unfälle, neue Versicherungen Im Jahr 2018 hat sich die Zahl der Arbeitsund Wegeunfälle im Straßenverkehr, an denen ein Lkw beteiligt war, mit 6228 Fällen erneut und deutlich erhöht. 2014 waren es noch knapp 5600 Unfälle gewesen. Vielleicht der Grund, warum sich Versicherungen neben der Schadenabwicklung nun verstärkt dem Thema Krisenmanagement zuwenden. Das Allianz-Paket "SOS Krisenmanagement" stützt sich Allianz-Angaben nach auf jahrzehntelange Erfahrung aus dem Bereich Touristik und wird seit Kurzem auch Unternehmen mit Lkw-Bestand angeboten. Zu den Leistungen zählen die Krisen-PR, eine Telefon-Hotline, die aktive Kontaktaufnahme zu Angehörigen/Betroffenen und Presse sowie die Organisation möglicherweise notwendiger Rückholmaßnahmen. Auch die Kravag/R+V Versicherung beschäftigt sich derzeit mit einem Krisenunterstützungs-Angebot für Güterverkehrsunternehmer und Logistiker, das nach eigenen Angaben ab 2020 angeboten werden soll. Grundlage ist das bestehende Paket "CSU - Crisis Support Insurance" für Busunternehmen. Im Versicherungsfall wird ein Krisenstab einberufen, je nach Fall bestehend aus Juristen, Psychologen oder Logistikern. Eine juristische Erstberatung, psychologische Sofortmaßnahmen und die Organisation der Medienarbeitet sind ebenfalls Teil der Police. Das Mindeste: ein Notfallhandbuch Für kleinere und mittlere Unternehmen, die das Krisenmanagement - und damit die Kommunikation - selbst übernehmen möchten, bietet das Bundesministerium des Innern im "Leitfaden Krisenkommunikation" viele Informationen und Handlungsanleitungen (siehe Kasten oben). Eine gute Lösung ist auf jeden Fall das Bilden eines Notfallteams im Unternehmen, bestehend etwa aus einer verantwortlichen Führungsperson, dem Arbeitsmediziner oder auch einem Fahrertrainer. Grundsätzlich sollten die Organisationsstruktur, Verantwortlichkeiten und Arbeitsprozesse bestimmt und festgehalten werden. Dazu rät auch Felix Zimmermann, der daran erinnert, dass es "bei bestimmten Transportarten wie Luftfracht oder Gefahrgut ohnehin gesetzliche beziehungsweise internationale Vorgaben für das Tagesgeschäft gibt." Unabhängig davon empfiehlt der Medienprofi, eine Liste der wichtigsten Nummern von Ansprechpartnern immer aktuell zu führen mit Vorgabe von Verhaltensweisen im Notfall sowie ein Krisenhandbuch, das zur Anwendung kommt, wenn der Fall des Falles eintritt. Mehr zum Thema im Dossier "Katastrophen" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Vor einem Unglück, das sich unter den Augen der Öffentlichkeit abspielt, ist kein Unternehmen gefeit. Wichtig ist dann eine professionelle Kommunikation nach außen und innerhalb der Organisation. Für den Krisenfall gibt es professionelle Unterstützung und eine erprobte Handlungsstrategie. 350.000 Ergebnisse spuckt Google bei Eingabe der Stichworter "Limburg" und "Lkw" ein (Stand 9.10.)

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