Vollbremsung

Das hat es noch nie gegeben beim VerkehrsRundschau-Index: Vier Quartale hintereinander - zwischen dem zweiten Quartal 2018 und dem ersten Quartal 2019 - sind die Frachtraten für Lkw-Transporte um mehr als ein Prozent pro Drei-Monats-Zeitraum in die Höhe geschossen. Doch jetzt geht dieser Entwicklung, salopp formuliert, die Luft aus: Im zweiten Quartal 2019 konnten die Dienstleister nur noch ein Plus bei den Entgelten von 0,3 Prozent verzeichnen. Angesichts der deutlichen Preissteigerungen zuvor kommt diese geringe Zunahme einer Vollbremsung gleich. Das ist das Ergebnis einer Befragung, die das Meinungsforschungsinstitut Kleffmann jedes Quartal für die Verkehrs-Rundschau (VR) durchführt. Mit 132,09 Punkten erreicht der VR-Index immerhin einen neuen Rekordwert. Nochmals kurz im Zeitraffer die Steigerungsraten in den Quartalen zuvor (jeweils in Prozent im Vergleich zum Vorquartal): 1,59 (2. Quartal 2018), 2,06 (3. Quartal 2018), 1,94 (4. Quartal 2018) sowie 1,11 (1. Quartal 2019). Ein Abwärtstrend war also bereits erkennbar. Dennoch, das um 0,71 Prozentpunkte geringere Wachstum ist durchaus als ein Signal in den Markt zu werten: höhere Frachtraten durchzusetzen, das gestaltet sich zunehmend schwierig. Preistreiber Maut verliert an Bedeutung Um die 0,3 Prozent richtig einzuordnen, ist ein Blick zurück unerlässlich, um den vorangegangenen Preisanstieg zu erklären. Zum einen gab es zwei Mauterhöhungen: Ab dem 1. Juli 2018 wurde eine Maut auf allen Bundesstraßen erhoben, zum 1. Januar 2019 kam eine generelle Mauterhöhung hinzu. In Summe haben die beiden Maßnahmen zu einer Mehrbelastung bei den Dienstleistern in Höhe von über 2,5 Milliarden Euro geführt, davon alleine zwei Milliarden für die Bundesstraßenmaut. Eine Summe, die die Branche allein nicht stemmen kann. Daher dürfte ein wichtiger Grund für den hohen Anstieg der Preise im dritten und vierten Quartal 2018 die Mautausweitung gewesen sein. Dieser Treiber wird jedoch von Quartal zu Quartal schwächer. Zudem ist zu bedenken, dass nicht die komplette Mautverteuerung in den Index eingeflossen sein dürfte. So treiben viele Dienstleister die Maut gesondert ein und rechnen sie nicht mit den Frachtentgelten ab. Die Mauterhöhung geht somit nicht direkt in die Preisstatistik ein. Zudem haben den Dienstleistern die Mautänderungen in so kurzer Abfolge zu schaffen gemacht. Denn gleich zweimal innerhalb von nicht einmal neun Monaten bei den Auftraggebern vorstellig zu werden wegen höherer Transportpreise, das kommt nicht gut an, so die Reaktionen aus dem Markt. Die preistreibende Wirkung der Mauterhöhung ebbt also ab. Aber auch die konjunkturelle Entwicklung dürfte eine Ursache für den geringen Preisanstieg im zweiten Quartal sein. Bereits mit Beginn des ersten Halbjahres 2019 ist die Nachfrage nach Transportraum nicht mehr auf dem hohen Niveau wie im Vorjahreszeitraum, hört man immer wieder. Allerdings gibt es je nach Zeitraum (kurze Vier-Tage-Woche) und vor allem je nach Branche ganz unterschiedliche Aussagen. Denn in Summe gesehen hat die deutsche Wirtschaft zumindest im ersten Quartal 2019 noch ein ganz ordentliches Wirtschaftswachstum hingelegt mit 0,4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Das gilt aber nicht für alle gleichermaßen. So steckt das exportorientierte verarbeitende Gewerbe nach Angaben des Ifo-Instituts seit Mitte vergangenen Jahres in einer Rezession, während die größtenteils binnenorientierten Dienstleistungsbereiche und die Bauwirtschaft "robuste und teilweise kräftige Zuwächse" verzeichnen. Doch vor allem die Dienstleistungsbranchen sind nicht so transportintensiv. Die Folge: Trotz Wirtschaftswachstum steigt die Nachfrage nach Frachtraum nicht im gleichen Umfang. Das zeigen auch die Zahlen aus dem TimoCom-Transportbarometer (siehe Grafik Seite 23). Dort werden die nachgefragten Sendungen den angebotenen Lkw-Kapazitäten gegenübergestellt. Seit April steigt die Nachfrage, sodass das Verhältnis von Transportaufträgen zu angebotenem Laderaum deutlich über der Marke von 50 Prozent liegt. Aber: In diesem Jahr war dieser Überhang in jedem Monat geringer als im Vorjahr, ist also der Mangel an Lkw-Kapazitäten nicht mehr so ausgeprägt. Das größere Angebot führt dann in der Regel dazu, dass die Preise nicht so stark steigen. Für viele Unternehmen ist bei Betrachtung der Frachtraten der Jahresvergleich von großem Interesse. Hier ist der VR-Index im zweiten Quartal 2019 um 5,51 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal 2018 gestiegen. Vor dem Hintergrund der Mautanstiege und den höheren Personalkosten aufgrund des Fahrer- und Fachkräftemangels eine nachvollziehbare Zunahme. Interessant ist der Vergleich mit den Frachtraten, die das Statistische Bundesamt (Destatis) erhebt. Allerdings sind diese Daten nicht so aktuell: Ende Juni sind die entsprechenden Indices für das erste Quartal 2019 veröffentlicht worden. Demnach sind die Preise im Straßengüterverkehr auf den ersten Blick überraschend stark mit 1,64 Prozent gegenüber dem Vorquartal in die Höhe geschossen (siehe Grafik oben). Zum Vergleich: Der VR-Index ist im gleichen Quartal nur um 1,11 Prozent gestiegen. Aber: Destatis erfasst in seinem Index überwiegend Jahreskontrakte. Und die werden vielfach zum Jahresende angepasst. Destatis erhebt auch einen Index für den Schienengüterverkehr. Hier gab es im ersten Quartal eine Zunahme von fast einem Prozent - ein durchaus üblicher Schub, weil im Schienengüterverkehr ebenfalls viele Jahreskontrakte ausgemacht werden, die von den Bahnen mit dem Fahrplanwechsel zum Jahresende in Kraft treten. Aktuelle Lage verschlechtert sich Dass zumindest die derzeitige Stimmung in der Transportbranche nicht die beste ist, geht auch aus den Zahlen hervor, die das Ifo-Institut monatlich erhebt. Vor allem die Unternehmen im Straßengüterverkehr beurteilen die wirtschaftliche Lage im Juni deutlich schlechter: Der Index für die aktuelle Lage liegt bei 17,6 Prozentpunkten. Das ist der schlechteste Wert seit September 2016. Sogar in den negativen Bereich ist der Index für die Erwartungshaltung (bezogen auf die kommenden sechs Monate) gerutscht: Er liegt bei minus 4,4 Prozentpunkte, lag allerdings im Februar und März dieses Jahres schon mal darunter. Etwas optimistischer zeigen sich die Speditionen: Der Index für die aktuelle Lage steht bei 27,5 Prozentpunkten und hat sich im Juni sogar leicht verbessert. Der Erwartungsindex landet bei minus 0,6 Prozentpunkten. Bleibt die Frage, wie es weitergeht mit der Preisentwicklung. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt der Verlauf der Konjunktur. Mit welcher Entwicklung Dienstleister und Verlader rechnen, können Abonnenten der VerkehrsRundschau auf www.verkehrsrundschau-plus.de/kennzahlen nachlesen. In Kürze Die Transportpreise im Straßengüterverkehr sind im zweiten Quartal 2019 nur noch sehr geringfügig gestiegen. Ein Grund dafür ist das sich abschwächende Wirtschaftswachstum. Erhebungsmethodik und Teilnehmer Was man zum VerkehrsRundschau-Index wissen mussSeit 2005 lässt die VerkehrsRundschau (VR) von einem unabhängigen Marktforschungsinstitut die Frachtraten im Straßengüterverkehr erheben. Damit ist der VR-Index der älteste Preisindex für Lkw-Transporte in Deutschland.Zur Methodik und ErscheinungsweiseIm zweiten Quartal 2019 haben 107 Unternehmen bei der Befragung mitgemacht, etwas mehr Dienstleister als Verlader. Von den Dienstleistern haben 23,9 Prozent 20 und weniger Mitarbeiter. Bei den Verladern geben 72,5 Prozent an, mehr als 100 Mitarbeiter zu haben. Sie sind also durchschnittlich größer als die Dienstleister. Bei der Abfrage der Frachtraten sind nur Transporte berücksichtigt worden, deren Güter palettierbar sind und keine besondere Handhabung erfordern. Folgende Kriterien nehmen Einfluss auf die Preisgestaltung:- Entfernungen- Sendungsgrößen- Quell- und Zielraum - Transporte innerhalb und zwischen Ballungsgebieten- Art des Vertragsverhältnisses zwischen Verlader und Transporteur - keine langfristigen Kontrakte- Preisbildung der Aufträge ohne Annahme einer RückfrachtDer Index erscheint vierteljährlich. Die Daten werden erhoben vom Marktforschungsinstitut Kleffmann. cd