Weltpremiere: VerkehrsRundschau testet sechs E-Lkw - der komplette Test

Mehr Neuland hat die VerkehrsRundschau-Redaktion bei einem Lkw-Vergleichstest nie betreten! Und zwar im doppelten Sinne: Erstens tritt hier ein Rekordteilnehmerfeld von nicht weniger als sechs Sattelzugmaschinen zum gegenseitigen Kräftemessen an, vor allem aber bewegen sich die Testfahrzeuge ungewohnt flüsterleise fort und verbrennen dabei nicht einen einzigen Tropfen Diesel. Stattdessen sind bei diesem weltweit ersten Vergleichstest mit schweren Elektro-Lkw Kilowattstunden (kWh) gefragt. Bevor nun manch Leser in Schnappatmung ob der Antriebsart zu verfallen droht: Uns ist bewusst, dass es in Sachen E-Mobilität noch viel zu tun gibt, bevor die Batterieelektrik ohne Kompromisse einsetzbar ist! Die Existenz der Testfahrzeuge sehen wir allerdings als Beweis dafür, dass die Stromer über kurz oder lang das Zepter übernehmen werden. Wen die Sorge quält, im Elektro-Zeitalter würden sich die Lkw technisch immer weiter angleichen und es würde daher Langeweile aufkommen, irrt gewaltig. Das Gegenteil ist der Fall, die technischen Unterschiede waren nie größer! Denn Designwerk, Iveco, MAN, Mercedes-Benz, Scania und Volvo Trucks gehen bei ihren Elektro-Sattelzugmaschinen allesamt verschiedene Wege: Der Designwerk HC 900 E: E-Koloss für Spezialaufträge Das Modell HC 900 E von Designwerk ist, optisch ohne Frage, der grobschlächtigste Vertreter des Vergleichs. Falls Sie den Namen Designwerk nicht einordnen können: Dahinter steht ein Fahrzeugumbauer aus Winterthur, der fabrikneue Diesel-Lastwagen auf Elektro umbaut. Unschwer zu erkennen ist die Basis des Volvo FH, was kaum verwundert, seit vor knapp drei Jahren der schwedische Hersteller 60 Prozent der Anteile am Designwerk erwarb. „Wir machen das, was die großen Fahrzeugbauer nicht können – oder nicht können wollen“, erklärt uns der bei den Testfahrten mitreisende Firmenvertreter. Höchste Reichweite... Was damit gemeint ist, offenbart der HC 900 E sofort. 900 Kilowattstunden sind am Testfahrzeug verbaut, in Lithium-Ionen-Batteriepacks à 225 kWh. Kein anderer Testteilnehmer kann mehr Energie auf Tour mitnehmen, weshalb die Schweizer eine Reichweite von 500 Kilometern bei allen Wetter-, Fracht- und Streckenbedingungen garantieren. Dank verbesserter Batterietechnik wären mit dem gleichen Set-up neuerdings sogar 1000 kWh möglich. Die unterzubringen funktioniert nicht ohne Kompromisse. Der HC 900 E muss auf ein Dreiachs-Fahrgestell mit gelenkter Nachlaufachse zurückgreifen, denn am Rahmen bleibt nur für zwei der insgesamt vier Akkupakete Platz. Die anderen beiden müssen übereinander stehend hinter der Kabine in den „Turm“, den sonst nur Schwerlastzugmaschinen tragen. Das treibt die Länge der Zugmaschine auf über 7,6 Meter, weshalb unser Krone-Testtrailer bis auf Weiteres nur inklusive einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung auf die Sattelplatte darf. Zwei der vier Batteriepakete platziert Designwerk im Turm hinter der Kabine Schwerster Stromer... Seinen wuchtigen Auftritt bestätigt der Designwerk auf der Waage nachdrücklich, mit exakt 14.440 Kilogramm ist er klar das schwerste Kaliber des Vergleichs. Wobei beim Thema Gewicht allgemein eine andere Zeitrechnung beginnt, denn verglichen mit Diesel-Zugmaschinen sind alle Test-Stromer wahre Kolosse – doch dazu später mehr. Dem Gewicht wirken im Fall des Designwerk bis zu 500 kW (680 PS) entgegen, erzeugt von vier Synchron-Elektromotoren, die hinter der Kabine im Fahrzeugrahmen arbeiten. Ihre Kraft wird per Untersetzung auf die erste Hinterachse übertragen, auf ein Getriebe verzichtet Designwerk also. Das Rekuperations-Pedal des Designwerk macht geradezu süchtig! Jan Burgdorf, VerkehrsRundschau-Tester Fazit zum Designwerk HC 900 E Liegt der Fokus auf möglichst hoher Batteriekapazität, ist der Designwerk HC 900 E die richtige Wahl. Mit seinen drei Achsen und dem Batterieturm hinter der Kabine ist der Schweizer aber zu lang, um Standard-Auflieger ohne Sondergenehmigung ziehen zu dürfen. Daher empfiehlt sich das Konzept besonders für Spezialeinsätze und -fahrzeuge. Und genau auf diesem Gebiet konnte Designwerk schon bei vielen Kunden punkten. Leben muss man mit dem etwas hemdsärmeligen Auftritt, hier spürt man die Umbaulösung. Iveco S-eWay: Stromer mit Formel-1-Genen Zugkraftunterbrechungen aufgrund von Gangwechseln sind auch dem Iveco S-eWay ein Fremdwort. Ihre E-Zugmaschine entwickelten die Italiener zusammen mit dem Start-up Nikola, dessen Schriftzug ursprünglich auch an der Front prangen sollte. Im vergangenen Jahr beendete Iveco allerdings abrupt die Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern und entwickelte seinen Stromer allein fertig. Auch hier gibt es kein Getriebe, allerdings ist der Weg auch nicht weit, denn die beiden je 240 kW starken Motoren sind direkt an der Hinterachse angeordnet. Eine Kardanwelle wird so überflüssig, was Bauteile und Gewicht spart. Noch wertvoller ist der so gewonnene Bauraum zwischen Vorder- und Hinterachse, den Iveco fast vollständig für Batterien nutzt. 738 kWh, von denen 629 tatsächlich nutzbar sind, hat der Iveco auch dank seines 4021 Millimeter langen Radstands an Bord, aufgeteilt in neun modular aufgebaute Akkupakete. Reichweite laut Hersteller: bis zu 500 Kilometer mit einer Akkufüllung. Den Iveco S-eWay entwickelte der Lkw-Hersteller am Ende doch allein eActros 600 mit Viergang-Planetenbox Anders als Iveco setzt Daimler Truck allerdings auf ein Getriebe, und zwar auf eine selbst entwickelte Viergang-Planetenbox. Und führt für dessen Existenz die gleiche Begründung an wie die restliche Getriebefraktion, bestehend aus MAN, Scania und Volvo Trucks: Ohne Getriebe erfolge der Vortrieb zwar ohne jegliche Zugkraftunterbrechung, die Elektromotoren müssen aber in der Lage sein, an steilsten Bergen mit hohen Lasten problemlos anzufahren. Weshalb sie entsprechend dimensioniert sein müssen, was sich bei Reisetempo auf normaler Strecke negativ auf die Effizienz auswirke, sprich den Stromverbrauch erhöhe. Der Iveco hat schon fast übertrieben viel Power! Andreas W. Dick, Lkw-Tester Österreich Der Mercedes-Benz eActros 600 mit fortschrittlicher Sternentechnik Auch bei Mercedes-Benz setzt man auf eine „kardanfreie“ E-Achse, vor der die zwei je 200 kW starken Synchron-E-Maschinen angeordnet sind. Davor liegen quer zur Fahrtrichtung drei Batteriepacks à 207 kW Bruttokapazität. Macht in Summe 621 kWh Energiereserve brutto, von denen überdurchschnittlich viel, nämlich 600 kWh, nutzbar sind. Die sollen den eActros 600 ebenfalls problemlos 500 Kilometer weit bringen, die sich bereits auf unserer VerkehrsRundschau-Testrunde bestätigten. Fazit zum eActros 600 Die äußere Hülle des eActros 600 mag nicht jedem gefallen, sie ist laut Hersteller aber um bis zu neun Prozent aerodynamischer. Das trägt zu einem niedrigen Stromverbrauch bei, was hilft, den Stern bis zu 500 Kilometer ohne Ladestopp rollen zu lassen. Vorbildlich ist der Mercedes-Benz auch in Sachen Batterietechnik und Assistenz. Womit wir uns allerdings weiterhin nicht recht anfreunden können, ist das umständliche Bedienkonzept mit den fummeligen, berührungsempfindlichen Lenkradtasten und dem Touchscreen in der Mittelkonsole. Der eActros bietet für mich das fortschrittlichste Technik-Paket Wolfgang Obermaier, VerkehrsRundschau-Tester Dank E-Achse kann der Iveco brutto 738 kWh in neun Batteriepaketen bunkern Lithium-Eisenphosphat-Batterien für mehr Umweltverträglichkeit Apropos Effizienz: Bei diesem Thema verweisen die Entwickler auf ihre modernen Lithium-Eisenphosphat-Batterien (abgekürzt „LFP“). Neben einer besseren Umweltverträglichkeit punktet diese, allerdings teurere Akku-Technologie mit einer höheren Sicherheit gegen Verformungen im Falle eines Unfalls sowie Unempfindlichkeit gegenüber hohen Ladeströmen. Letzteres soll ihnen ein fast ewiges Leben bescheren, Mercedes-Benz verspricht nach 1,2 Millionen gefahrenen Kilometern immer noch 80 Prozent der ursprünglichen Akkukapazität. Fazit zum E-Lkw von Iveco Das umfangreiche Update des Diesel-Schwestermodells machte der S-eWay (noch) nicht mit, insofern basiert er noch auf der Vorgängergeneration. Was man unter anderem am eingeschränkten Lenkrad-Verstellbereich spürt. Anders als die meisten Wettbewerber führt Iveco die Vorderachse seines E-Modells nicht zwangsweise luftgefedert aus. Ein Nachteil ist das unserer Meinung nach nicht, die Dreiblatt-Parabeln sorgen für eine sportlich-knackige Abstimmung, die gut zum brachialen Antritt des Italieners passt. Der MAN eTGX hat ein vergleichsweise niedriges Leergewicht MAN eTGX: ein gutes Gesamtpaket Wechseln wir von Wörth am Rhein nach München, zum MAN eTGX. Auch bei ihm kommt ein automatisiertes Vierganggetriebe zum Einsatz, das die 330 kW und 1150 Newtonmeter Drehmoment des einzelnen E-Motors an die Hinterachse verteilt. Allerdings noch klassisch per Kardanwelle, weshalb der MAN weniger elektrische Energie mit auf seine Touren nehmen kann. 534 kWh brutto, von denen 480 tatsächlich nutzbar sind, liefern die sechs Nickel-Mangan-Cobalt-Batteriepakete beim eTGX mit seinem vergleichsweise kompakten 3750-mm-Radstand. Trotzdem gibt es für den sogenannten Direktantrieb per Kardanwelle auch positive Aspekte, die MAN gerne vorträgt: Einerseits ist dieses Triebkonzept mit klassischem Achsdifferenzial millionenfach erprobt und nur so ist noch ein manueller getriebeseitiger Nebenabtrieb möglich, auf den noch viele Aufbauhersteller angewiesen sind. Megawatt-Laden im Alltag ist noch Zukunftsmusik José A. Maroto, Lkw-Tester Spanien Die Kardanwelle begrenzt den Platz, daher fahren beim eTGX maximal 534 kWh mit VW-Töchter sind nicht zu vergleichen In dieser Argumentation sind sich MAN und Scania ausnahmsweise mal einig, denn auch der Scania 45 R rollt mit Kardanwelle an den Start. Wer darüber hinaus vermutet, die beiden VW-Töchter würden weitere technische Gemeinsamkeiten aufweisen, wird vom Greif eines Besseren belehrt. Was bereits am ellenlangen Radstand von 4150 Millimetern erkennbar ist, der im Testfeld das Maximum stellt – den dreiachsigen Designwerk mal außen vorgelassen. Das lässt trotz der Kardanwelle Raum für einen Stromvorrat von 624 kWh brutto, realisiert mit zwei Akkupaketen mit je 208 und zwei kleineren mit 104 Kilowattstunden. Fazit zum MAN eTGX Der MAN sammelt in der Fahrerwertung viele Punkte, denn er gefällt mit harmonischem Antrieb, komfortabler Gesamtabstimmung und einem ausgeklügelten Bedienkonzept. In Sachen Reichweite kann sich der eTGX nicht mit den Besten messen, entsprechend setzt der Hersteller viel Engagement ins Thema Megawattladen, das bislang aber noch an keiner öffentlichen Ladesäule möglich ist. Anders als die Wettbewerber setzt MAN bei den Batterien nicht auf Zulieferer, sondern stellt sie in einem eigens errichteten Werk in Nürnberg selbst her. Komfort-Gleiter aus der Södertälje: der Scania 45 R Auch bei den Antriebsmotoren verfährt man im schwedischen Södertälje anders. Der Hauptmotor mit 230 Kilowatt Leistung erhält Unterstützung von zwei kleineren mit je 110 kW, die direkt im automatisierten Getriebe verbaut sind. Das verfügt über sechs Gänge, wobei lediglich die Fahrstufen eins bis fünf genutzt werden, denn bei der Schaltbox handelt es sich sozusagen um ein Abfallprodukt vom Hybrid-Modell. Das Scania-Getriebe gefällt mit geschmeidgen Gangwechseln Rahel Cathomas, Lkw-Testerin Schweiz Der Elektrische von Scania zusammen gefasst Erkennungszeichen der schweren Elektro-Scania ist, abgesehen von Schriftzügen und Modellbezeichnung, ihr leicht vorgezogener Stoßfänger. Diese bauliche Veränderung wurde nötig, damit der Schwede trotz seines langen Radstands normale Standardtrailer aufsatteln darf. Dem Komfort ist der große Achsabstand in jedem Fall zuträglich, hinzu kommen eine bestens abgestimmte E-Lenkung, geschmeidige Gangwechsel und die überaus leise Geräuschkulisse. So verzichtet man gerne auf V8-Sound! Der Volvo bietet Top-Komfort, fällt bei Reichweite und Ladeleistung aber zurück Boštjan Paušer, Lkw-Tester Slowenien Volvo FH Aero Electric: Pionier mit neuer Nase Vielleicht waren die Schweden so schnell am Markt, weil sie auf eine vergleichsweise konservative Lösung setzen. Hunderttausendfach bewährt ist das zwölfgängige I-Shift-Getriebe, das auch im Batterie-FH die Kraft der drei E-Maschinen mit 163, in Summe also 490 Kilowatt, sortiert. Theoretisch könnte das Getriebe auf alle Fahrstufen zurückgreifen, im Normalfall werden aber nur die Gänge der oberen Gruppe (7 bis 12) genutzt. Damit ist die von den Volvo-Verbrennern übernommene I-Shift-Box klar überdimensioniert, was Nachteile auf der Batterieseite bringt. Denn denen steht das größere Getriebe unten hinter der Kabine im Weg, zudem dürfte das I-Shift vergleichsweise gewichtig dastehen. Das gepaart mit der Tatsache, dass auch beim Volvo noch eine Kardanwelle den Weg zur Hinterachse überbrückt, hat zur Folge, dass der FH maximal 540 kWh brutto an Bord nehmen kann. Von denen führen die vorsichtigen Volvo-Leute zudem lediglich 421 kWh als nutzbare Kapazität aus. In der Folge fällt der Göteborger in Sachen Reichweite hinter die Wettbewerber zurück. Immerhin erhöhte der schwedische Hersteller seine Reichweitenangabe kürzlich auf bis zu 320 Kilometer, zu denen vor allem die neue windschlüpfige „Aero“-Nase an der FH-Front beiträgt. Dieser Wert könnte sich aber bald deutlich weiter nach oben korrigieren, denn für die IAA-Messe im September kündigen die Volvo-Leute bereits umfangreiche Neuerungen für ihre Electric-Modelle an, ohne allerdings konkret zu werden. Wir tippen mal auf eine E-Achse samt leistungsstärkeren Batterien, was dann auch dem Konzernbruder Renault T E-Tech zuteilwerden dürfte, unter dessen Blechkleid schließlich der Triebstrang des Volvo steckt. Übrigens wäre der Renault eigentlich der siebte Vertreter unseres Tests gewesen, hätten die Franzosen nicht zwei Tage vor Testbeginn ihre Teilnahme zurückgezogen. Mit seiner Netto-Akku-Kapazität von 421 kWh fällt der Volvo deutlich zurück Für das Strom-Laden gibt es eine passende App Das Volvo-Fazit Satte 56 Prozent Marktanteil hat Volvo Trucks momentan nach eigenen Angaben bei batterieelektrischen Lkw in Europa. Die Schweden konnten eben schon liefern, als die anderen Hersteller noch vom Serienstand träumten. Somit wird beim FH Electric, der zuletzt um die neue Aero-Front ergänzt wurde, schon bald das erste Facelift fällig. Das dürfte vor allem den Triebstrang und die Batterien betreffen. Nichts zu verbessern braucht Volvo beim Thema Fahrbarkeit, der Göteborger rollt sehr komfortabel und souverän. VR-Test-Bericht: So fahren sich die E-Lkw Damit genug der Theorie, jetzt lassen wir die geballten Kilowatt von der Leine! Und genießen die unbestreitbaren Vorzüge des batterieelektrischen Fahrens. Alle sechs Stromer vermitteln eher das Gefühl, über die Straße zu schweben als zu fahren, hinzu kommt die unschlagbar niedrige Geräuschkulisse, die sich auch nicht ändert, wenn die E-Motoren die auf knapp 36 Tonnen ausgeladenen Testsattelzüge bergauf schieben. Mehr Power als in jedem Serien-Diesel-Lkw ist dabei in allen sechs Fällen gegeben, vehementer als der Iveco beherrscht diese Disziplin aber keiner. Scheinbar stand hohe Durchzugskraft auf der ersten Seite des Pflichtenhefts, denn ungeachtet der 36 Tonnen drückt der S-eWay schon beim kleinsten Gasgeben brachial nach vorne. Tritt man das Pedal vollends durch, wirken aberwitzige 1142 PS (!) auf die Hinterreifen, deren Profil dann entsprechend belastet wird. Nicht die einzige Problematik, was daran erkennbar ist, dass die Elektronik bei jeder Aktivierung der elektronisch gesteuerten Feststellbremse vorsichtshalber in den Leerlauf schaltet. Denn würde die geballte Iveco-Power gegen die Bremse beschleunigen, könnte sie deren Bauteile regelrecht pulverisieren! Nicht nur deswegen empfehlen wir den Turiner Ingenieuren, ihrem Boliden eine harmonischere Gangart anzuerziehen, denn wir mögen uns gar nicht vorstellen, wie der S-eWay auf nassen oder gar verschneiten Pisten „auskeilt“. Dafür sollte der Italiener an anderen Stellen dringend nachlegen. Dass wir im Jahr 2024 noch in einem fabrikneuen Lkw eines Großserienherstellers sitzen würden, dem eigentlich selbstverständliche Assistenzsysteme wie der Abstandstempomat fehlen, hätten wir nicht für möglich gehalten. Auch eine aktiv eingreifende Spurführung gibt es im Iveco nicht, geschweige denn einen GPS-Tempomaten, der mit Ausnahme des Designwerk bei allen anderen Fabrikaten selbstverständlich ist. Da erwähnen wir das eher düster anmutende Ambiente des noch auf der alten S-Way-Generation aufbauenden Armaturenbretts nur am Rande. An dem ist ein riesiger, aber leider tief platzierter Touchscreen das zentrale Bedienelement, der trotz seiner Größe vergleichsweise wenige Informationen liefert. Selbst eine Information über die durchschnittlich verbrauchten kWh lässt sich nicht finden. Viel Kritik, um die Iveco aber selbst zu wissen scheint; ähnlich wie Volvo-Trucks verweist man auf die nahende Messe IAA, zu der umfangreiche Verbesserungen beim S-eWay kommen sollen. Auch im Designwerk muss man auf manchen Assistenten verzichten. Aufgrund der Tatsache, dass es sich hier um eine Umbaulösung handelt, bewerten wir dies allerdings nicht ganz so streng wie beim Iveco. Die Diesel-Vergangenheit, wie auch der ursprüngliche Lieferant des Testfahrzeugs, ist noch an vielen Stellen spürbar. Auf dem mit einem Airbag gefüllten Lenkrad prangt nach wie vor das Volvo-Logo und beim Einschalten der Zündung leuchtet kurioserweise das gelbe Vorglühzeichen auf. Auch die Anzeigen für Diesel und AdBlue sind noch da, geben hier aber beide den aktuellen Ladezustand der Akkus wieder. Inklusive der zum Schmunzeln animierenden Meldung, dass man bitte Diesel und AdBlue nachtanken soll, sobald sich der Stromvorrat dem Ende neigt. Ohne Funktion bleibt der Bordcomputer im Volvo-Touchscreen rechts, stattdessen führt Designwerk die Fahr- und Akkudaten in einem Display oben neben dem digitalen Tachographen zusammen, das sich während der Fahrt kaum gefahrlos ablesen lässt. Gut im Griff hat man in der Schweiz die Gesamtabstimmung. Die Power der vier E-Motoren lässt sich gefühlvoll abrufen, es kann dank 500 kW aber auch mit Nachdruck zur Sache gehen. Noch mehr Spaß macht im HC 900 E allerdings das Verzögern. Genauer gesagt die Rekuperation, bei der die E-Motoren auf Generatorbetrieb umschalten und die Bremsenergie in Strom verwandeln. Dieses Manöver beherrschen natürlich alle sechs Testfahrzeuge, die Möglichkeit, die Stärke stufenlos per zusätzlichem Pedal links im Fußraum regeln zu können, bietet aber nur der Designwerk. Das funktioniert einfach hervorragend, deshalb gerne nachmachen, liebe Lkw-Hersteller! Technische Daten des E-Lkw Vergleichstests der VerkehrsRundschau Vorbildcharakter offenbart an mancher Stelle auch der Mercedes-Benz eActros 600, was nicht nur für die bereits erwähnte fortschrittliche Batterietechnologie gilt. Auch in Sachen Assistenz lässt der Daimler nichts anbrennen. Der GPS-Tempomat beherrscht auch scharfe Kurven oder Ortsdurchfahrten, die zudem durch die Fußgängererkennung sicherer werden. Für den Alltag empfiehlt sich das am rechten Lenkstockhebel anwählbare „Economy“-Fahrprogramm, in dem 85 Prozent der 400 Kilowatt Gesamtleistung abrufbar sind. Zumindest bei unseren Testfahrten zu jeder Zeit mehr als genug, vor allem, weil sich im Falle eines Falles per Kickdown jederzeit die volle Peak-Power von nicht weniger als 628 kW (854 PS) abrufen lässt. Liegt der Fokus auf möglichst hohen Kilometerleistungen, empfiehlt sich das Fahrprogramm „Range“, das den Sternen-Stromer per Begrenzung auf Tempo 82 und lediglich 70 Prozent der Power-Freigabe zwar viel weniger agil wirken lässt, was jedoch zur Reichweitensteigerung beiträgt: Seine Batterien heizt der Mercedes-Benz erst ab einer Außentemperatur von minus zehn Grad Celsius. Davor bedient man sich des Kühlkreislaufs der E-Achse, die bereits ab den ersten gefahrenen Kilometern ordentlich Abwärme dafür liefert. Bleibt den Ingenieuren in Wörth am Rhein eigentlich nur noch, die im Vergleich etwas trägen Fahrstufenwechsel des Viergang-Planetengetriebes zu beschleunigen, was laut Herstelleraussage bis zum Auslieferungsstart Ende dieses Jahres noch passieren soll. Wie es geht, könnten sie bei Scania spicken. Die Tatsache, dass hier die beiden kleineren Motoren im Getriebe stecken, hat schnelle und fast unmerkliche Gangwechsel zur Folge, die sich schon fast mit einem Doppelkupplungsgetriebe messen können. Denn der eine Motor kann noch im niedrigeren Gang beschleunigen, während der andere schon in der folgenden Fahrstufe parat steht. Auch Lastschläge beim Schalten konnten wir nicht feststellen. Das, gepaart mit der direkten Lenkung, dem sicher auch wegen des ellenlangen Radstands besten Fahrkomfort und einer vorbildlich gedämmten R-Kabine, hat zur Folge, dass der Scania auch in der Elektro-Version einen souveränen Eindruck hinterlässt und bei der Fahrerwertung viele Punkte sammelt. Dicht auf den Fersen ist ihm der Volvo FH Electric. Okay, sein Set-up mag nicht das fortschrittlichste sein, der Person hinter dem Lenkrad kann diese Tatsache, vielleicht mit Ausnahme der niedrigen Reichweite, herzlich egal sein. I-Shift wechselt die Fahrstufen sanft wie schnell, die serienmäßig luftgefedert ausgeführte Vorderachse trägt zu einem fast schon reisebusartigen Fahrkomfort bei und bei der Geräuschdämmung fährt der Göteborger ebenfalls Bestnoten ein. Was keinesfalls bedeuten soll, dass in den vier anderen Wettbewerbern nicht ebenfalls eine Ruhe herrschen würde, an die kein Verbrenner der Welt auch nur im Ansatz herankommt. Aber die beiden Schweden sind eben noch mal einen Tick besser gedämmt. Gefallen findet beim Volvo auch die Möglichkeit, die Rekuperation alternativ einleiten zu können, ohne eine Hand vom Lenkrad nehmen zu müssen. Einmal im Rollzustand das Bremspedal angetippt und die Software stellt 50 Prozent der möglichen Rekuperations-Stärke bereit. Tippt man zweimal kurz hintereinander, bremsen die vollen 400 Kilowatt, was nicht nur im Volvo den Einsatz der Betriebsbremse in vielen Fällen überflüssig macht. Eine ähnliche Funktion hat neuerdings auch der MAN eTGX, die hier über einen Schalter am rechten Lenkstockhebel gesteuert wird. Einmal gedrückt, aktiviert die Elektronik einen der Schubabschaltung eines Verbrenners nachempfundenen Modus, sprich dem Rollen mit eingelegtem Gang. Das kann in langen Rollphasen, beispielsweise vor einer noch weit entfernten roten Ampel, die richtige Wahl sein. Noch einmal auf den Knopf gedrückt, steht dann die volle Rekuperations-Bremsleistung (330 kW) zur Verfügung. Droht die aktuelle Tour an der maximal möglichen Reichweite zu kratzen, kann man über den Drehregler am Lenkstock rechts das „Range“-Programm anwählen. Dann erlaubt die Software unter anderem nur noch Höchsttempo 80 oder verordnet dem Gaspedal ein bewusst trägeres Ansprechverhalten, was die Leichtfüßigkeit des Elektrolöwen spürbar beschneidet. Dafür soll aber die Kilometerleistung um bis zu zehn Prozent steigen, die im Fall eines Falles durchaus wertvoll werden können. Das wertvollste Kapital jedes Lastwagens ist seit jeher die Nutzlast. Eine Disziplin, die keinem der sechs Stromer wirklich liegt, denn unter die Zehn-Tonnen-Marke schafft es keiner. Batteriekapazität wiegt eben schwer, was auch erklärt, dass MAN und Volvo Trucks mit ihren 10,8 beziehungsweise 10,7 Tonnen noch vergleichsweise im Rahmen bleiben, aber eben auch entsprechend weniger Strom bunkern können. Wer plant, seinen E-Laster auf kürzeren Strecken einzusetzen, sollte daher über eine Reduzierung der Batteriepakete nachdenken, die alle Hersteller anbieten werden. Dann könnte man mit der Nutzlast ungefähr hinkommen, denn schweren E-Lkw gesteht der Gesetzgeber ein Gesamtgewicht von bis zu 42 und bald vielleicht sogar bis zu 44 Tonnen zu. Nur einer von vielen Punkten, die noch zu klären sind, bis die Stromer vollends in den Wettbewerb mit den Dieseln treten können. Besonders drängt die Frage nach dem wo, wie schnell und womit (möglichst mit Ökostrom) unterwegs geladen werden soll. Doch das ist weniger ein Thema der Hersteller als vielmehr für unsere Politik.

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