Man sehe, dass die „Transportleistung im Schienengüterverkehr nach einem zwischenzeitlichen Hoch 2023 eingebrochen ist“, sagte Ingo Wortmann, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes am 30. Januar in Berlin.
Dieser Rückgang hat nach Ansicht des Verbandes „handfeste Gründe“: steigende Stromkosten, gestörte Lieferketten, schlechte Qualität der Infrastruktur – und keinerlei Planungssicherheit, zählte der VDV-Präsident auf. Er warnte, dass das Ziel des Bundes, den Marktanteil der Güterbahnen auf 25 Prozent in einem insgesamt wachsenden Markt zu steigern, in weite Ferne gerückt ist und sich die Aussichten weiter eintrüben.
Nach Angaben des VDV ist die Transportleistung im Schienengüterverkehr (SGV) im Jahr 2023 auf 126 Milliarden Tonnenkilometern erheblich gesunken – nach einem Vorjahreswert von 133. Neben den direkten Auswirkungen wie die Störung der Lieferketten und indirekten Treibern, wie die Preise für fossile Brennstoffe, gebe es weitere, sich überlagernde Effekte – etwa die starke Nachfrage nach Kohle- und Getreidetransporten oder die zunehmende Bevorratung von Mineralöl. Die negativen Auswirkungen machen sich nun stärker bemerkbar.
Schienengüterverkehr als Verlierer im Haushalt 2024
„Die Branche steht bereit, ihren Anteil zu leisten. Doch ohne den Bund geht es nicht: Der Schienengüterverkehr ist einer der Verlierer im Bundeshaushalt 2024, wichtige Förderungen – Trassen- und Anlagenpreise, NE-Infrastruktur und ETCS – wurden gekürzt“, so die Einschätzung Wortmanns. „Bei der für die Branche elementaren Einführung des digitalen Zugsicherungssystems ETCS kommt hinzu, dass alle wesentlichen finanziellen, organisatorischen und zeitlichen Fragen offen sind – und infolge der Generalsanierung der Hochleistungskorridore im Schienennetz wettbewerbsverzerrende Effekte auftreten – zulasten der Güterbahnen.“
Die Sparmaßnahmen der Bundesregierung würden den „überaus preissensiblen und margenschwachen Schienengüterverkehr zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt“ treffen, so Wortmann. „Die Unternehmen bekommen so kein glaubhaftes Signal der Planungssicherheit, dass die Bundespolitik hinter ihnen steht.“
Deutschland ohne tragfähige ETCS-Planung
Besonders besorgniserregend ist aus Sicht des VDV die Entwicklung bei der Einführung des Zugsicherungssystems ETCS. Hierfür stehen im neuen Bundeshaushalt 250 Millionen Euro weniger zur Verfügung.
Deutschland fehle „eine tragfähige ETCS-Einführungsplanung“, kritisierte Wortmann. „Wir unterstützen die Überlegungen des Bundes ausdrücklich, dieses komplexe und für Deutschland so wichtige Modernisierungsvorhaben aktiv per koordinierender Systemführerschaft zu steuern und finanziell auszustatten. Nur so können sachgerechte Finanzierungs- und Zeitpläne aufgestellt, nur so können Infrastruktur und Fahrzeuge aller betroffenen Unternehmen mit ETCS ausgerüstet werden.“
Bislang bleibt bei der Ausrüstung von Strecken mit ETCS auch die herkömmliche Zugsicherung parallel erhalten. Doch die im Rahmen der Generalsanierung der Hochleistungskorridore sollen erstmals Streckenabschnitte ausschließlich mit ETCS ausgerüstet werden. „Mit der Konsequenz, dass ab 2028 alle Eisenbahnen – im Güter- wie Personenverkehr – dort komplett ETCS-fähig sein müssen“, erklärte Wortmann.
Es brauche ein verlässliches Förderszenario für die Um- und Ausrüstung der Lokomotiven mit ETCS. Andernfalls würden den Unternehmen, vor allem den NE-Bahnen, deutliche Wettbewerbsnachteile entstehen, so der VDV.
Ohne Förderung „droht ein Szenario, in dem viele Güterbahnen die ETCS-Strecken nicht mehr befahren können, wodurch der Transport auf der Schiene unattraktiver, komplizierter und teurer – und 25 Prozent Marktanteil des Schienengüterverkehrs illusorisch werden“, sagte Wortmann.