Urbane Logistik: In den Startlöchern

Das Team der Last Mile City Logistics (LMCL) um Tobias Wittmann ist begeistert: Das Event für die bunte Community rund um das Thema "letzte Meile" in Berlin Ende Juni war ein voller Erfolg. Und vor allem: "Dieser bisher so nie durchgeführte Switch vom Online-only zum Live-Event hat im Motorwerk Berlin bestens funktioniert", zieht der 29-Jährige zufrieden Bilanz. Wittmann ist Product Owner und Mitorganisator der LMCL, eines Neuprodukts des Veranstalters Hinte Expo & Conference. LMCL will in 2023 Kommunen einbinden 50 Speaker, 750 Besucher, 70 Industrie-Partner und rund 50 Aussteller an zwei Tagen sowie der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) als Competence-Partner und das Informationsportal "Urban Digital" als Stage-Support - das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Für Wittmann und Team ist deshalb schon klar: "Auch im kommenden Jahr wird es eine LMCL geben (28. bis 29. Juni 2023) - wieder im Motorwerk, das durch die Bank super ankam." Sicher sei für 2023 auch bereits: "Wir werden noch stärker Städte und Kommunen mit einbinden, aber auch Anbieter rund um das E-Commerce-Segment und den Handel mit ins Boot holen." Initiiert und entwickelt worden war die Last Mile City Logistics vor zwei Jahren von Wittmanns ehemaligem Kollegen Tobias Plegge, zusammen mit der Unternehmensberaterin Juliane Jähnke und Daniel Katzer, Bereichsleiter Expo & Conference bei Hinte. Ihre Idee dahinter: Logistiker, Stadtgestalter, Start-ups, Jungunternehmen und etablierte Player zu einer Community zusammenzubringen, um mit diesen über Lösungsansätze für die letzte Meile zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Pandemiebedingt fand das Event in 2020 und in 2021 bislang ausschließlich digital statt. In diesem Jahr nun traf sich die Community erstmals zum Live-Austausch im Motorwerk in Berlin. Inspirierende bunte Mischung Und nach dem Besuch der LMCL steht fest: Das Konzept der Macher geht auf. Der besondere Reiz der Veranstaltung war in der Tat eine inspirierende Mischung aus kleinen Start-ups und Jungunternehmen, etablierten Marken sowie anerkannten Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Alle mit dem Ziel vor Augen: Lösungen und Produkte für die letzte Meile zu entwickeln. Gerade vor dem Hintergrund wachsender Paket- und Sendungsmengen im Zeitalter des E-Commerce, da sich pandemiebedingt das Konsumverhalten vieler Endverbraucher in den letzten zwei Jahren stark verändert hat. So wurden in 2021 im Schnitt pro Tag 12,33 Millionen Pakete in Deutschland zugestellt. Und im Jahr 2026 könnten es laut dem Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) im Schnitt sogar 15, 61 Millionen KEP-Sendungen täglich sein. Dies setzt nicht nur die Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) unter Druck, die diese Mengen zustellen müssen, sondern auch den Verkehr in den Städten. Wobei dort KEP-Fahrzeuge im innerstädtischen Verkehr nach wie vor nur knapp rund zwei Prozent am gesamten Verkehrsaufkommen ausmachen - das Gros des Verkehrs entfällt immer noch auf Individualverkehre und auf die Baustellenlogistik, wie die Studie "Logistik auf der Letzten Meile" der Initiative Logistikimmobilien (Logix) in Zusammenarbeit mit LNC LogistikNetwork Consultants, MRU Unternehmensberatung und Drees & Sommer, zeigt. Die Schwierigkeit sei, dass aktuell in den Städten alles in einem sehr verdichteten Zeitraum passiere, und zwar am Vormittag, erläuterte Michael Kuchenbecher, Prokurist und Senior Consultant von LNC, auf dem Workshop zu diesem Thema mit Janine Zimmermann, Head of Logistics der Bauund Immobilien-Beratung Drees & Sommer. "Lieferdienste, Pflegedienste, Handwerker sowie Pendler und Individualverkehre - sie alle streben da mehr oder minder gleichzeitig in die Stadt", so Kuchenbecher. "Das überschneidet sich. Das kumuliert sich, und dadurch haben wir, salopp formuliert, Druck auf dem Kessel - befeuert durch den E-Commerce, der in den kommenden Jahren weiter deutlich wachsen soll." Nur bedingt oder gar nicht umgesetzt Immerhin: Es gibt mittlerweile - das zeigte auch die LMCL eindrücklich - unfassbar viele Lösungen und Konzepte, die den ökologischen Fußabdruck von Lieferverkehren in Städten reduzieren können. Angefangen bei dutzenden von Anbietern von Lastenrädern wie etwa OnoMotion, Paketboxen wie etwa Myflexbox bis hin zum innovativen Gesamtkonzept des Anbieters RMS Moove, das die Prozessabläufe rund um die letzte Meile ab Depot optimieren will. Und durch die Digitalisierung kommen viele neue Lösungen dazu, die vor fünf Jahren noch undenkbar waren, wie etwa der "Battery-as-a-Service"-Anbieter Swobbee für Mikrodepots zum Aufladen von Lastenrädern und "Packsize", eine Lösung, die On-Demand-Packing ermöglicht und damit Verpackung reduzieren hilft. "Das Problem ist nur, dass die Kommunen diese Ideen bislang nur bedingt oder gar nicht umsetzen." Das bemängelte Janine Zimmermann von Drees & Sommer. Und fallweise sei es auch so, dass die Kommunen bestimmte Lösungen pilotieren, auch weil sie finanziell von Bund und Ländern finanziell gefördert werden. Fließen diese Gelder aber nicht mehr, werden die Projekte oft auch schnell wieder eingestellt. Logistik muss künftig mit an den Tisch Das Interessante am LMCL-Format: Den Besuchern wurden fallweise bewusst keine fertigen Studien präsentiert. Stattdessen suchten die Referenten im Zusammenspiel mit den Zuhörern den Austausch, um mit diesen gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. So auch auf dem Workshop von Kuchenbecher und Zimmermann, die Kommunen im Oktober gemeinsam mit Logix einen Leitfaden an die Hand geben wollen, um diese bei der Umsetzung neuer Mobilitäts- und Logistikkonzepte zu unterstützen. Fest steht aber auch, und das bestätigten die Vorträge und Diskussionen auf der LMCL: Die eine Lösung, um die Städte verkehrlich und CO2-mäßig zu entlasten, gibt es nicht. Stattdessen wird an vielen Schräubchen gedreht werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. So fehlen nach wie vor vielerorts Flächen in den Städten, etwa für Mikrodepots für die Zustellung per Lastenrad auf der letzten Meile. Ebenso gibt es noch zu wenige sogenannte Mixed-used-Immobilien wie Parkhäuser, die sich zum Beispiel mehrere Verkehrsträger teilen könnten, um so den Mobilitätsumstieg zu ermöglichen. Wünschenswert aus Sicht vieler Anbieter wäre auch, wenn sie in den Kommunen einen zentralen festen Ansprechpartner hätten - anstatt mit vielen unterschiedlichen Ämtern verhandeln zu müssen. Beklagt wird zudem, dass die Genehmigungs- und Umwidmungsverfahren hierzulande zu lange dauern. Dies bremse neue Lösungen aus. Entscheidend ist aber eines, hieß es unisono in Berlin: Bei der Neuplanung von Immobilien oder gar von Stadtvierteln muss in Zukunft die Logistik immer mit an den Tisch. Mehr zum Thema finden Sie unter #KEP www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wollen Städte in Zukunft verkehrlich nicht kollabieren, braucht es neue Lösungen. Präsentiert wurden diese auf der Last Mile City Logistics (LMCL), die nun erstmals als Präsenzveranstaltung in Berlin stattfand - in Kooperation unter anderem mit dem Bundesverband der Kurier-, Express- und Postdienste (BdKEP). Branchentreff für kleinere und mittlere KEP-Betriebe: der IKEP-Innovationstag Der Druck auf kleinere und mittlere KEP-Dienste, die auf der letzten Meile KEP-Sendungen zustellen, ist hoch. Personalmangel, Dieselpreis, ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf Euro, neue Auflagen durch das EU-Mobilitätspaket und den Klimaschutz - alles das stellt die Unternehmen vor Herausforderungen, wie der iKEP Innovationstag des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) anlässlich des LMCL-Events in Berlin zeigte, der rege besucht war und viel Lob erhielt.Bessere Vernetzung gefordertHelfen kann hier, davon ist der BdKEP-Vorsitzende Andreas Schumann überzeugt, eine bessere Vernetzung der KEP-Unternehmen, etwa über konsolidierte Touren. Dass dies vor allem in der Fläche außerhalb der Ballungsräume sinnvoll ist, zeigten zum Beispiel die Ausführungen von Bernd Rademann, Chief Product Officer der Nordkurier-Gruppe, die nicht nur Zeitungen und Briefe zustellt, sondern mittlerweile auch Pakete - unter anderem im Auftrag der Hermes Logistik Gruppe. Trotzdem schloss Christian Scheffler, Director von Zalando Premium Logistics, konsolidierte Touren eher aus - zumindest für Premiumlieferungen in Städten."Wenn wir das öffnen und das mit anderen zusammen machen, geht bei uns die Differenzierung verloren", begründete er seine Skepsis. Auf dem Land könne er sich dagegen konsolidierte Zustellungen durchaus vorstellen - auch aus Effizienzgründen. Man müsse sich nur sehr genau überleben, mit wem man konsolidiert. Immerhin betonte der Zalando-Mann auch, dass ihm die Zusammenarbeit mit kleineren KEP-Betrieben wichtig sei. Lob, das sicherlich so mancher KEP-Dienst gerne gehört hat. Denn die Unternehmen treiben derzeit viele Sorgen um. So fürchten gerade die Kleinbetriebe aktuell aufgrund der Fahrzeugengpässe überhaupt an keine Fahrzeuge mehr zu kommen. Sorge bereiten derzeit auch die hohen Dieselkosten und die fehlenden Fahrer, vor allem aber das Verbrenner-Aus für leichte Nutzfahrzeuge ab 2035. Last, but not least drückt die Firmen die neue Lizenzpflicht im grenzüberschreitenden Verkehr für KEP-Dienste mit Fahrzeugen mit einem maximalen Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen - mit entsprechenden fachlichen und finanziellen Anforderungen.eh

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