"Unverzichtbarer Systempartner"

Die Binnenschifffahrt galt lange Zeit als der vergessene Verkehrsträger. Ist dieser Ausspruch aktueller denn je? Schwanen: Nein, im Gegenteil, diese Behauptung war nach meiner Überzeugung noch nie richtig und sie ist es immer noch nicht: Die langanhaltende Niedrigwasserperiode im Jahr 2018 hat gezeigt, wie „systemrelevant“ dieser Verkehrsträger ist. So hat die Chemieindustrie, die stark auf die Logistik über den Rhein angewiesen ist, wegen der niedrigen Pegelstände massive Probleme bekommen. Ähnliches gilt für die Stahlindustrie, die im Herbst nicht mehr ausreichend Rohstoffe erhielt, deshalb die Produktion zurückfahren musste und ihren Kunden „force majeure“, also höhere Gewalt, erklärte. Mineralölprodukte an den Tankstellen wurden knapp. Die Binnenschifffahrt ist alles andere als ein vergessener Verkehrsträger. Sie ist unverzichtbar und ein unverzichtbarer Systempartner, gerade in der Großindustrie. Und trotzdem: Die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von ihr, selbst in der Transportbranche ist der Aufmerksamkeitsgrad eher gering. Dieser Verkehrsträger ist ausgesprochen unauffällig. Es gibt keine Berührungen zum Individualpersonenverkehr. Anders als beim Lkw steht wegen eines Schiffs niemand morgens im Stau, es macht keinen Lärm und verursacht keine Unfälle. Deshalb wird die Schifffahrt von der Bevölkerung häufig nur am Rande wahrgenommen. Anders sieht es in der Industrie aus, die sehr wohl von der Schifffahrt Notiz nimmt: Kohle, Baustoffe, Steine, Sand, Erden, Stahl, Schrott, Futtermittel, Getreide, Chemie- und Mineralölprodukte und Container – das sind unsere typischen Transportgüter, immerhin rund 230 Mio. Tonnen im Jahr. Noch ein Einwand: Die amtlichen Zahlen zeigen, dass der Anteil der Binnenschifffahrt am gesamten Güterverkehr in Deutschland von Jahr zu Jahr sinkt. Das ist kein Widerspruch zur Bedeutung der Schifffahrt: Die Notwendigkeit, gerade für die Großindustrien, steht außer Frage. Aber richtig ist, dass die Schifffahrt sich im Vergleich zu Straße und Schiene in den letzten Jahren nicht so dynamisch entwickelt hat. Was sind die Gründe dafür? Da gibt es verschiedene Ursachen. Durch das Niedrigwasser 2018 sind Mengen an Straße und Schiene verloren gegangen. Die kommen nicht sofort wieder zurück auf das Wasser, auch wenn die Statistik für 2019 wohl wieder ganz ordentlich sein wird. Der Zustand des Wasserstraßennetzes ist ein weiterer Grund. Die Infrastruktur ist über Jahrzehnte „auf Verschleiß“ gefahren worden. So etwas geht eine ganze Zeit lang gut. Doch gerade in den letzten zwei bis drei Jahren spüren Schifffahrt und Kundschaft, dass es an verschiedenen Punkten des Wasserstraßennetzes zu Einschränkungen kommt. Gibt es da ein hervorstechendes Beispiel? Wir haben Ausfallzeiten an Schleusen, wir haben ungeplante Sperrzeiten, und zwar bundesweit. Nehmen Sie das Schiffshebewerk Scharnebeck mit seinen zwei Trögen. Ich kann mich nicht erinnern, wann beide dauerhaft in Betrieb gewesen sind. Oder es erfolgt eine Bauwerksanierung und während der Sanierung stellt man fest, dass der Schaden größer ist als angenommen. Dann dauert die Sperrung ein halbes Jahr länger. Da reden wir noch gar nicht über Ausbaumaßnahmen, sondern nur über Erhaltungsinvestitionen. Und anders als bei Straße und Schiene gibt es im Fall einer Sperrung längs der Flüsse und Kanäle praktisch keine Umfahrungsmöglichkeiten. Das zeigt, wie sorgsam eigentlich mit der Wasserstraßeninfrastruktur umgegangen werden sollte. Dann ist die Binnenschifffahrt zumindest der vergessene Verkehrsträger in der Politik gewesen. Das kann man so sagen. Dieser Verkehrsträger ist gerade im Vergleich zur ebenfalls recht umweltschonenden Schiene stiefmütterlich behandelt worden. Nehmen Sie den Wesel-Datteln-Kanal. Dort sind die Nischenpoller, die benötigt werden, um das Schiff beim Schleusen festzumachen, gesperrt worden mit der Begründung, die Poller halten die Zugkräfte der heutigen Schiffe nicht mehr aus. Dadurch können keine zwei Schiffe gleichzeitig mehr geschleust werden und die Kapazität des Kanals wurde „mal eben“ um 50 Prozent reduziert. Menschen mit Tauen, sog. Festmacherdienste, ersetzen nun die Poller. Das ist ein Drama, denn bei dem Kanal handelt es sich nach dem Rhein um eine der wichtigsten Verkehrsadern. Rund 20 Mio. Tonnen Güter werden dort pro Jahr befördert. Er ist unter anderem die Rennstrecke für die Rohstoffversorgung der Chemie- und Kraftwerksindustrie im Ruhrgebiet. Als Begründung für die Einschränkung wurde der Verschleiß genannt. Ich habe nachgefragt, seit wann das bekannt ist. Antwort der Verwaltung: Seit den 1990er Jahren. Das heißt, der Schaden ist volljährig geworden. Das kann doch nicht sein. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat mehrfach geäußert, er will die Binnenschifffahrt stärken. Sind das nur Ankündigungen oder passiert auch etwas? Der BDB hat zu Beginn der Wahlperiode für einen „Masterplan Binnenschifffahrt“ geworben, in dem Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit und zur Steigerung der Attraktivität der Schifffahrt sauber aufeinander abgestimmt in einem Maßnahmenbündel in Angriff genommen werden. Es hat mich sehr gefreut, dass die Bundesregierung unsere Idee im Koalitionsvertrag aufgenommen und sich auch sogleich an die Umsetzung begeben hat. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Minister nicht nur ankündigt, sondern auch aktiv wird. Werden sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren die infrastrukturell bedingten Sperrungen oder Ausfälle tatsächlich verringern? Die Umsetzung solcher infrastrukturellen Maßnahmen dauert natürlich. Aber ich registriere eine deutlich höhere Aufmerksamkeit. Ein Beispiel dafür ist die Bewilligung von über 100 zusätzlichen Stellen für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung. Jahrelang ist dort Personal abgebaut worden und damit Planungspersonal verloren gegangen. Jetzt steht erstmals wieder Geld für neue Fachkräfte zur Verfügung. Die müssen gesucht, eingestellt und eingearbeitet werden und dann kann geplant und gebaut werden. Es wird also noch etwas dauern, bis Verbesserungen spürbar werden. Ich bin zuversichtlich, dass entsprechendes Personal gefunden und dann mit Hochdruck an den Problemen arbeitet wird. Andererseits wissen wir alle, dass Infrastrukturvorhaben in Deutschland extrem viel Zeit brauchen. Wunder sind nicht zu erwarten. Steht genügend Geld für zur Verfügung? Momentan ja. Das war jahrelang nicht der Fall. Doch jetzt gibt es offenbar die Bereitschaft und das Geld, in das Netz zu investieren. Wobei in die Schiene deutlich mehr Geld fließt. Da reibt man sich manchmal schon verwundert die Augen. Nehmen wir die wichtigste Wasserstraße Deutschlands, den Rhein. Wie lange müssen die Anrainer noch warten, bis das Problem des extremen Niedrigwassers behoben ist? Das ist eine schöne Frage für die Kristallkugel (Gelächter). Die lässt sich nicht seriös beantworten. Die Fahrrinnenvertiefung am Mittelrhein, der Beamte nennt es „Sohlstabilisierung“, soll im Jahr 2030 fertig sein. Schaunmermal. Mit einer solchen Antwort wird sich die dort ansässige Industrie nicht zufrieden geben – oder auf die Bahn oder den Lkw ausweichen. 2018 war ein Ausnahmejahr, was die extrem langanhaltende Niedrigwasserperiode angeht. Es gibt keine Veranlassung davon auszugehen, dass dies nun der Dauerzustand wird. Außerdem wird es bei den hier in Rede stehenden Gütermengen sehr schwer bis unmöglich sein, das noch zusätzlich auf die bereits gut ausgelastete Straße oder Schiene zu packen. Es gibt Prognosen, die sagen: Das wird uns die nächsten Jahre immer öfter ereilen. Niedrige Pegelstände im Sommer sind normal, weil der Rhein nicht staugeregelt ist. Gleiches gilt für Hochwasserphasen im Herbst/Winter. Damit können die Binnenschiffer und deren Kunden gut umgehen. Was 2018 nicht normal war, war die Dauer: Die Niedrigwasserperiode zog sich über Monate. Es gab Aussagen, die uns für 2019 das gleiche Schicksal wie 2018 prophezeit haben. Tatsächlich waren die Pegelstände 2019 recht moderat, und jetzt im März 2020 haben wir am Rhein Hochwasser. Sie sehen daran: Wie die nächsten Jahre werden, lässt sich nicht mit Gewissheit vorhersagen. Was man aber sagen kann, und das ist vielleicht für die Industrie viel interessanter als irgendwelche „Wetterfrösche“ zu befragen: In der Politik hat man verstanden, dass man Vorsorge treffen muss. Deshalb haben im letzten Jahr die Akteure und der Bundesverkehrsminister einen Acht-Punkte-Plan unterschrieben, der eine so extreme Lage wie 2018 verhindern soll. Wie soll das gelingen? Manchmal können Kleinigkeiten helfen. Zum Beispiel eine deutlich präzisere Pegelstandsvorhersage, die den Unternehmen eine deutlich bessere Planung ermöglicht. Der Acht-Punkte-Plan beinhaltet aber natürlich auch Ausbaumaßnahmen, zum Beispiel am Mittelrhein. An dem Projekt wird bereits gearbeitet. Dann gibt es den Bereich Schiffbau. Flachgängigere Schiffe, die mit Niedrigwasserperioden besser umgehen können. Ist das ein Trend, auf den sich die Binnenschiffer einstellen müssen? Neue, flachgängigere Schiffe können eine Antwort auf niedrige Pegelstände sein. Binnenschiffe sind aber extrem langlebige und teure Wirtschaftsgüter. Ein Binnenschiff kostet, je nach Ausstattung, drei bis fünf Mio. Euro. Da diese in der Regel von familiengeführten Unternehmen betrieben werden, vollzieht sich ein Austausch der Flotte nicht „von heute auf morgen“. Es sind aber durchaus auch Verbesserungen am bestehenden Schiff möglich, so dass es bei niedrigen Pegelständen länger in Fahrt gehalten werden kann. Wie lange sind Binnenschiffe im Durchschnitt im Einsatz? Bei guter Pflege können Schiffe problemlos 50 oder 60 Jahre im Einsatz sein. Sie können permanent modernisiert, mit neuen Motoren und Abgasnachbehandlungsanlagen oder mit neuen Steuerhäusern ausgestattet werden. Verfügen die Unternehmen über ausreichend Geld, um die Modernisierungen zu finanzieren? Der weit überwiegende Teil der Binnenschiffe ist in der Hand von Partikulieren. Das sind in der Regel Einzelunternehmer, die zusammen mit ihrer Familie das Schiff betreiben. Die müssen genau rechnen, wie viel Geld sie investieren können. Aber die Bereitschaft hierzu besteht definitiv. Denn der Ruf, ein besonders umweltfreundlicher Verkehrsträger zu sein, ist ja kein Selbstläufer. Dafür muss man etwas tun. Da haben die anderen Verkehrsträger – allen voran der LKW – deutlich aufgeholt. Die Modernisierung der Binnenschifffahrtsflotte wird jedoch ohne staatliche Hilfe nicht gelingen. Gewährt der Staat diese Unterstützung? Es gibt ein Förderprogramm seitens des Bundesverkehrsministeriums zur Modernisierung der Flotte. Da sind nahezu alle Fördertatbestände enthalten, die benötigt werden. Was an dem Programm nicht optimal ist, ist die Höhe der Förderquote. Diese liegt z.B. bei einer Neumotorisierung nur bei etwa 15 Prozent der tatsächlich anfallenden Kosten. Das ist besser als nichts, aber es ist definitiv zu wenig für denjenigen, der nicht das Eigenkapital besitzt, z.B. die Neumotorisierung durchzuführen oder Filter und Katalysatoren einzubauen. Und was umweltpolitisch betrachtet noch viel schlimmer ist: Es bietet auch keinen echten Anreiz, vorzeitig in neue Technologien einzusteigen. Das Verkehrsministerium hat das Problem erkannt und arbeitet gemeinsam mit uns an einer neuen Förderrichtlinie, die ab 2021 bis zu 80 % der Investitionskosten bezuschusst. Dieses neue Programm muss allerdings vorher noch in Brüssel genehmigt werden. Die Zahl der Beschäftigten in der Binnenschifffahrt sinkt, von 7715 im Jahr 2012 auf 6812 im Jahr 2017. Hat die Branche ein strukturelles Problem? Ganz klar: Wir sind dringend auf Nachwuchs angewiesen und brauchen „frisches Blut“ in der Branche. Das hat auch die Politik erkannt: Das Förderprogramm für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen wurde komplett überarbeitet und den heutigen Marktbedingungen angepasst und wird vom Gewerbe sehr gut angenommen. Hilft so ein Programm? In der Binnenschifffahrt sind die jungen Leute tagelang unterwegs und damit weg von Familie und Freundeskreis. Das ist ein grundsätzliches Problem, das es ja auch im Straßengüterverkehr gibt. Der Binnenschiffer, der z.B. 14 Tage an Bord ist und nicht nach Hause kommt, muss sein Leben darauf einstellen, damit er Familie und Beruf unter einen Hut bekommt. Auf der anderen Seite bietet dieser Beruf viele Freiheiten und Möglichkeiten. Man ist sein eigener Chef, kann seine Zeit gut einteilen und Verantwortung für Schiff und Ladung übernehmen. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass angehende Binnenschiffer dringend gesucht werden und in der Regel nach der Ausbildung sofort übernommen werden. Die Vergütung ist bereits für die Schiffsjungen und Schiffsmädchen attraktiv: „Binnenschiffer“ ist einer der am besten bezahlten Ausbildungsberufe in Deutschland. Kaputte Schleusen, Niedrigwasser, lange Liegezeiten in den Seehäfen: Lässt sich angesichts dieser Widrigkeiten mit einem Binnenschiff überhaupt Geld verdienen? Allen Problemen zum Trotz: Die Binnenschifffahrt ist zukunftsfähig und es gibt in dieser Branche erfreulich wenige Insolvenzen. Und das, obwohl unsere Unternehmen einem harten Konkurrenzkampf, z.B. gegenüber den Güterbahnen, ausgesetzt sind, den wir aufgrund der deutlich höheren staatlichen Zuwendungen für die Bahn als nicht immer ganz fair empfinden. Mit dem Kohleausstieg muss die Binnenschifffahrt einen kräftigen Rückschlag hinnehmen: Es bricht ein wichtiges Transportgut weg. Ich finde es erschreckend, dass sich in der Politik bisher keiner Gedanken gemacht hat, wie stark unsere Branche davon betroffen ist. Die Binnenschifffahrt befördert pro Jahr rund 220 Mio. Tonnen Güter, davon 35 Mio. Tonnen Kohle. Es gibt Unternehmen, die als Systempartner für die Kraftwerke tätig sind. Und jetzt wird ab 2022 damit begonnen, die Steinkohleverstromung zu reduzieren. Während die Kraftwerksbetreiber Milliarden Euro als Entschädigung erhalten, geht unsere klein- und mittelständisch geprägte Branche leer aus. Das ist nicht in Ordnung. Auf der einen Seite soll der Modal Split laut Masterplan erhöht werden. Gleichzeitig wird aber ein wesentliches „Brot-und-Butter“-Geschäft der Branche abgeschafft. Das passt nicht zusammen. Hierzu sind wir nun in Berlin im Gespräch. Laut Masterplan soll der Modal Split 2030 12 Prozent betragen. Vor dem Krisenjahr 2018 lag dieser Wert bei 8,2 Prozent, bevor er dann auf 6,8 Prozent abgestürzt ist. Sind die 12 Prozent realistisch? Ich halte diese 12 Prozent für erreichbar, auch wenn sie sehr „sportlich“ sind. Es hängt davon ab, wie der Staat neben der zügigen Sanierung der Wasserstraßen die gewerblichen Rahmenbedingungen definiert. Nehmen Sie z.B. den Transport von schweren oder übergroßen Stückgütern wie etwa Transformatoren oder Anlagenbauteile. Die gehören nicht auf die Straße, wo die Bevölkerung belästigt wird, Ampelanlagen abgebaut oder sogar Bäume gefällt werden müssen, damit der Transport durchgeführt werden kann. Auf dem Wasser ist reichlich Platz und das rund 6000 km lange Wasserstraßennetz ermöglicht es, solche Güter über weite Strecken ohne Behinderungen und großen Aufwand zu transportieren. Wo das Schiff nicht hinkommt, bieten Häfen Umschlagplätze für die „letzte Meile“. Hier könnte der Staat ordnungspolitische Weichenstellungen vornehmen, damit solche Güter auf das Wasser gehen. Da sind auch die Spediteure als die Architekten der Verkehrskette noch stärker gefordert. Auch wenn immer mehr Container per Binnenschiff befördert werden: Warum passiert hier nicht mehr? Der Containertransport auf dem Wasser ist eine Erfolgsstory, und es gibt in dem Bereich noch weiteres Potenzial. Von den über zwei Mio. TEU, die auf den Wasserwegen befördert werden, entfallen etwa 1,8 Mio. TEU auf den Rhein. Es gibt durchaus Überlegungen, jenseits des Rheins aktiv zu werden. Da stehen uns nur leider häufig ein paar Brücken im Weg. Zwei- oder gar dreilagig sollten Container auf dem Schiff schon gestapelt werden können. Leider ist die Infrastruktur hier – mal wieder – eine Wachstumsbremse. Doch es sind nicht nur die niedrigen Brücken: Wenn die Schleusenkammern im Schiffshebewerk Scharnebeck nur 100 Meter lang sind, die Standardlänge eines Binnenschiffes aber mittlerweile 110 Meter beträgt, ist das ein limitierender Faktor. So lange es an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen einen 70 Kilometer langen, nicht ausgebauten Streckenabschnitt gibt, der dazu führt, dass im Sommer Schiffe geleichtert werden müssen, damit es nicht zu Grundberührungen kommt, behindert das den Transport. Unvorhergesehene Streckensperrungen wegen dringender Reparaturarbeiten beeinträchtigen die Planbarkeit und Verlässlichkeit, die das A und O für die Kunden sind. Warum spielt das Binnenschiff im Hinterland der deutschen Seehäfen eine so geringe Rolle? Liegt das nur daran, dass es keine so leistungsfähigen Wasserstraßen haben? Die Binnenschifffahrt ist im Hinterland der ARA-Häfen (Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen) deshalb besonders stark, weil es dort mit dem Rhein eine hervorragende Infrastruktur gibt. Weser und Elbe bieten diese Möglichkeiten nicht so ohne Weiteres. Hamburg ist auch über den Elbeseitenkanal, Mittellandkanal und Dortmund-Ems-Kanal mit dem Hinterland verbunden. Dort gibt es aber Einschränkungen in Netz, z.B. am erwähnten Schiffshebewerk Scharnebeck. Eine gewisse Rolle spielt aber vermutlich auch, dass die Güterbahn im Hinterland der deutschen Seehäfen traditionell eine dominierende Funktion hat. Der stärkere Einsatz des Binnenschiffes erfordert im Norden häufig noch ein Umdenken. Diese 80 Prozent Förderquote statt derzeit 15 Prozent: Ist das der Wunsch von Herrn Schwanen oder sind das Zahlen, die auch von der Politik in Erwägung gezogen werden? Beides. Zum einen haben wir als BDB eine solche Quote gefordert. Zum anderen ist eine solche Förderung nicht ungewöhnlich. Sie gibt es z.B. im Bereich der Förderung von Umschlagsanlagen für den Kombinierten Verkehr. Was mich freut: Das Bundesverkehrsministerium hat unseren Vorschlag aufgegriffen und arbeitet nun an einem komplett neuen Flottenmodernisierungsprogramm mit deutlich höheren Fördersätzen. Allerdings muss die EU eine solche Förderung aus Wettbewerbsgründen genehmigen. Scheuer hat aber auch gesagt, es kommt eine Pkw-Maut. Stimmt. (Gelächter). Aber unser Förderprogramm ist nicht Gegenstand einer Klage vor dem EuGH. Wir werden abwarten, was da kommt und messen die Arbeit des Ministers an den erzielten Ergebnissen. Die Bereitschaft, für diesen Verkehrsträger etwas zu tun, ist auf jeden Fall größer geworden. Der Masterplan, den wir mit initiiert haben, ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg gewesen. Dabei handelt es sich nicht nur um Papier. Da werden die Maßnahmen tatsächlich jetzt auch abgearbeitet und umgesetzt. Auch wir als Verbände sind da gefordert und müssen unsere „Hausaufgaben“, die wir im Masterplan übernommen haben, erledigen. Das betrifft nicht nur die Binnenschifffahrtsverbände, sondern auch die Häfen, also den BÖB, die Spediteure im DSLV und die verladende Wirtschaft, d.h. den BDI. Ist Andreas Scheuer der beste Verkehrsminister, den Sie jemals erlebt haben? Bei Superlativen bin ich vorsichtig, zumal die Handlungsmöglichkeiten der Verkehrsminister sehr häufig durch gesellschaftliche, haushalterische und europäische Rahmenbedingungen und dem Willen des jeweiligen Koalitionspartners bestimmt werden. Sagen wir es mal so: Wolfgang Tiefensee haben wir bereits einiges zu verdanken. Mit Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt ist die Aufmerksamkeit für die Binnenschifffahrt weiter gestiegen. Wenn es nun gelingt, nach dem Masterplan auch noch eine echte Gewerbeförderung mit den eben genannten Fördersätzen aufzulegen, ist Scheuer aus Sicht der Schifffahrt mit Sicherheit ganz weit an der Spitze! Wenn jetzt die nächste Bundesregierung Schwarz-Grün wird und wir einen Verkehrsminister namens Anton Hofreiter haben, das muss doch für Sie der Traum sein. Mit dem Binnnschiff lassen sich in besonders umweltschonender Weise Güter transportieren. Das wird auch von den Grünen anerkannt. Probleme gab es in der Vergangenheit aber immer wieder bei erforderlichen Flussausbaumaßnahmen. Da wurde dann gerne die Parole verbreitet „Das Schiff hat sich dem Fluss anzupassen“, was aber physikalisch nur bedingt möglich ist: Archimedes lässt sich nicht überlisten. Bei einem „grün“ geführten Verkehrsministerium wird sich zeigen müssen, ob bestimmte Ausbaumaßnahmen akzeptiert werden. In Baden-Württemberg haben wir mit dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann durchaus positive Erfahrungen gesammelt, Stichwort Neckar-Ausbau. Daher mache ich mir nicht so viele Gedanken, wer Verkehrsminister wird: Bisher haben wir sie noch alle von den Vorteilen der Binnenschifffahrt überzeugen können. Bei manchem dauert es halt nur etwas länger. In Kürze Die Binnenschifffahrt wird immer wieder als der vergessene Verkehrsträger bezeichnet. Der Geschäftsführer des BDB, Jens Schwanen, wehrt sich vehement gegen diese Einschätzung. Große Hoffnungen setzt er im Interview in den Masterplan Binnenschifffahrt. Dessen Umsetzung könnte für seine Branche einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Vita Jens Schwanen ist seit 2001 gesamtverantwortlicher Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Er wurde am 27. September 1968 in Düsseldorf geboren und ist verheiratet. Der ausgebildete Jurist und Rechtsanwalt war von 1996 bis 2001 als Referent im Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure (BDVI) tätig, bevor er zum BDB kam. Schwanen ist zudem Mitglied des Verwaltungsrates des europäischen Dachverbandes EBU (Europäische Binnenschiffahrts-Union). Der BDB Der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt (BDB) wurde 1974 als Zusammenschluss mehrerer Stromgebietsverbände gegründet. Der BDB mit Sitz in Duisbrug vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen der Unternehmen in der Güterschifffahrt und in der Fahrgastschifffahrt gegenüber Politik, Verwaltung und sonstigen Institutionen. Zudem berät er seine Mitglieder, zu denen Partikuliere, Genossenschaften, Reedereien und Fördermitglieder gehören. Mehr zum Thema finden Sie unter #Binnenschifffahrt www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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