Zwischen den Jahren 2010 und 2020 wurde fast eine Milliarde Euro – vieles davon aus EU-Mitteln – für den Bau neuer Autobahnen ausgegeben, die nun durchschnittlich sogar unter 10 Prozent ihrer maximalen Kapazität genutzt werden. Sogar 2,4 Milliarden Euro wurden in Autobahnen gesteckt, die weniger als 20 Prozent ihrer Kapazität nutzen. Das ergibt eine Analyse der ungarischen Publikation G7.hu. Die Zahlen überraschen besonders deswegen, weil inzwischen 70 bis 80 Prozent aller Gütertransporte in Ungarn, die in den Neunziger Jahren noch über die Schiene liefen, inzwischen auf die Straße verlagert wurden.
Corona ist nicht der einzige Grund
Der Untersuchung zufolge werden fast 700 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen so wenig genutzt, dass ihr Bau entweder komplett unnötig oder zumindest verfrüht war. Die Covid-Pandemie kann auch nicht als ausreichende Ursache angeführt werden, weil diese laut dem EU-Statistikamt Eurostat nur zu einem Rückgang um 10 Prozent im Straßenverkehr geführt hat. Vielmehr liegt die mangelnde Nutzung laut G7.hu an der Prestige-Sucht der ungarischen Regierung, die alle Regionalhauptstädte an Autobahnen anbinden wollte – unabhängig von der Wirtschaftlichkeit. Ungarn besitzt jetzt 1723 km Autobahnen und Schnellstraßen – sogar mehr als das weit größere Polen oder die wirtschaftlich viel weiter entwickelten Länder Schweiz, Dänemark und Norwegen.
Straßentransport dominiert in Ungarn
Für Spediteure ist die großzügige Autobahndichte dennoch eine gute Nachricht – vorausgesetzt, dass sich genug Handelspartner in Ungarn finden. Die Straße macht aktuell fast 80 Prozent aller Gütertransporte auf ungarischem Boden aus. Im Jahr 2020 ging das Volumen in dieser Branche deutlich zurück und lag 2021 trotz deutlicher Erholung, gerechnet in Tonnenkilometern, immer noch leicht unter dem Wert von 2019. Für 2022 gibt es noch keine endgültigen Zahlen, es wird aber erwartet, dass der Ukrainekrieg der Bilanz geschadet hat. Ungarns Regierung hält einen neutralen, teils sogar russlandfreundlichen Kurs in der Ukrainefrage.