Über Nacht zum Transportbetrieb

Ein Anruf hat Immo Warnecke, Geschäftsführer der IW-Firmengruppe (siehe Kasten), ins Transport- und Logistikgeschäft gebracht. 1992 erkundigte sich ein Nutzfahrzeuge-Händler telefonisch bei ihm, ob er jemanden kenne, der für den Paketdienst DPD mit Wechselbrücke von Stuttgart nach Leipzig fahren könne. Nachdem ihm kein passendes Unternehmen einfiel, besuchte Warnecke den DPD spontan in Stuttgart, um sich über die genauen Konditionen zu informieren. Danach stand für ihn fest: "Das musst du selber machen." Die Entscheidung war für Warnecke nicht selbstverständlich. "Ich hatte nie den Drang, mit Lkw einen Betrieb zu organisieren", verrät der Geschäftsmann. Seine berufliche Laufbahn begann er in der DDR mit einer Ausbildung zum Verkehrskaufmann. Im Fernstudium erlangte er den Diplom-Betriebswirt und wagte sich 1990 - kurz nach der Wende - im Alter von 27 in die Selbstständigkeit. Sein Tätigkeitsbereich war damals die Abrechnung für private Fuhrbetriebe. "Allerdings begannen immer mehr Unternehmen das selbst zu organisieren", erinnert sich Warnecke. Der Anruf und die damit verbundene Möglichkeit, ins Transportgeschäft einzusteigen, kamen für ihn somit genau zur rechten Zeit. Kurzerhand stellte er einen Kraftfahrer ein, der bereits Wechselbrücke fahren konnte, und kaufte seinen ersten Lkw. Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor Derzeit beschäftigt Warnecke 103 Mitarbeiter in seinem Transportunternehmen. Davon sind 98 Fahrer, die restlichen arbeiten in der Disposition beziehungsweise in der Verwaltung. Der Fuhrpark besteht aus Lkw der Marken Scania, MAN sowie Mercedes-Benz. Die Anzahl der Fahrzeuge ist auf 69 gestiegen, von denen 66 Wechselbrücken-Lkw und drei Sattelzugmaschinen sind. Die Fahrzeuge sind zu 65 Prozent geleast und zu 35 Prozent Eigentum der Firma. Das Ziel ist ein Verhältnis von 50 zu 50. Für DPD fährt Warneckes Unternehmen nach wie vor. Inzwischen kann IW-Transport aber auch Hellmann Worldwide, Cargonetwork, DB Schenker und weitere Unternehmen zu seinen Geschäftspartnern zählen. Mit der Bezeichnung "Geschäftspartner" verbindet der Unternehmer mehr als nur ein Wort. Für ihn bedeutet es "gegenseitiges Geben und Nehmen". "Das Ziel ist, dass man gemeinsam den Transportkunden zufriedenstellt und nicht nur maximales Geld in der Kasse hat", erklärt Warnecke. Diese Unternehmensphilosophie scheint sich für sein Unternehmen zu lohnen. "Im Jahr 2020 werden wir mit unserer Transport-Firma voraussichtlich 12,7 Millionen Euro Umsatz erzielen", prognostiziert der Chef. Das ist eine deutliche Steigerung zum Vorjahr mit einem Umsatz von 11,8 Millionen Euro. Die Corona-Krise, mit der der Online-Handel und damit auch das Paket-Geschäft deutlich an Fahrt gewonnen haben, trägt dazu bei. "Wir haben für DPD viel Überhang fahren dürfen", sagt Warnecke und fügt hinzu: "Wir hatten aber auch immer das nötige Personal." Das ist in der heutigen Zeit, in der die Branche mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen hat, nicht selbstverständlich. Sein Unternehmen bildet deshalb eignen Nachwuchs aus. "Im Schnitt haben wir zwei bis drei Lehrlinge", sagt der Chef und fügt zufrieden hinzu: "Es bleiben dann auch Gott sei Dank Lehrlinge übrig, die nach der Ausbildung bei uns arbeiten." Zusätzlich macht IW-Transport seit Mitte der 1990er-Jahre Praktikantenumschulungen. "Die werden bei uns an das Wechselbrückengeschäft geführt", erklärt Warnecke. "Wenn es passt, steigen sie bei uns ein." Dass all diese Maßnahmen nicht genügen und in Deutschland ein ernst zu nehmender Fahrermangel herrscht, verdeutlicht der Anteil an 25 Prozent polnischen Fahrern, die "das Defizit auffüllen" sollen. Bei der Verständigung gibt es dank eines polnisch sprechenden Disponenten keine Probleme. "Der ist Gold wert, weil er genau weiß, was er übersetzt und wie es der polnische Fahrer versteht", sagt Warnecke. Der Fahrer im Fokus des Unternehmens Generell schreibt der Unternehmer seinem Personal - insbesondere den Fahrern - einen hohen Stellenwert zu. "Ich war schon immer der Meinung, der Fahrer ist der wichtigste Mann in einem Unternehmen. Der verkörpert das Unternehmen beim Kunden. Wenn der nicht funktioniert und wenn der nicht ordentlich und pünktlich ist, dann kann der Rest noch so gut sein", sagt Warnecke. Um diese Wertschätzung auch zu zeigen, haben Fahrer seit jeher viele Mitentscheidungs-Möglichkeiten, was die Ausstattung ihrer Fahrzeuge betrifft. Dafür hat der Unternehmer die Gesellschaft IW-Truckstyling gegründet. Diese beschäftigt sich mit Truckzubehör sowie der Gestaltung von Fahrzeugen und ist aus der Idee entstanden, dass er seinen Fahrern etwas Besonderes bieten wollte. "Was möglich ist, versuchen wir auch umzusetzen", sagt der Firmengründer. Das Wohl und die Sicherheit der Fahrer stehen dabei an oberster Stelle. Deshalb bekommen die Lkw von Anfang an die beste Ausstattung. Zudem plant sein Betrieb derzeit einen Außensportplatz - ein Wunsch einiger Fahrer. "Es soll mehrere Stationen geben, an denen unterschiedliche Muskelgruppen trainiert werden können", erläutert Warnecke, der sich selbst in seiner Freizeit mit Rennradsport fit hält. Diese Wertschätzung, die Warnecke seinen Mitarbeitern entgegenbringt, dürfte mitverantwortlich dafür sein, dass es in seinem Unternehmen keinen Betriebsrat gibt. "Grundsätzlich kann man den ab fünf Mitarbeitern gründen", erklärt Warnecke und fügt hinzu: "Das hätte bei uns schon ewig sein können." Stattdessen gibt es bei IW-Transport eine Mitarbeitervertretung, die aus sogenannten Fahrer-Teamleitern, dem Speditionsleiter und der kaufmännischen Leitung besteht. Warnecke hofft, dass er in seiner Firma bis zum Ende seines persönlichen beruflichen Schaffens keinen Betriebsrat benötigen wird. Solange seine Mitarbeiter keinen Betriebsrat wollen, ist es für ihn ein Zeichen dafür, dass er in der Lage ist, sein Unternehmen "sozial richtig zu organisieren". Neben all diesen Punkten soll sich die Anerkennung gegenüber seinen Fahrern am Ende des Monats allerdings auch auf ihren Gehaltszetteln widerspiegeln. Dafür hat Warnecke eine mehrseitige Betriebsvereinbarung entworfen, in der sich unter anderem Gehaltsstufen nach Betriebszugehörigkeit, Zuschläge für Dauernachtarbeit und Bonus-Zahlungen für wirtschaftliches Fahren finden. Letzteres soll sich mit dem Ansporn zu einer spritsparenden Fahrweise auch positiv auf die Umwelt auswirken. Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit Warnecke engagiert sich auch sonst für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Für ihn kommen alternative Antriebe, beispielsweise Elektromotoren, derzeit allerdings nicht infrage. "Es muss insgesamt für uns einen Nutzen bringen. Sowohl einen Umweltnutzen - einen richtigen aber - als auch wirtschaftlich vertretbar sein", sagt Warnecke und verdeutlicht damit die aus seiner Sicht derzeitige Problematik. Sein Unternehmen hatte bereits in der Vergangenheit Gas- und Diesel-Lkw im Mischbetrieb im Einsatz. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd: "Es passt nicht zu dem, was wir tun. Weder zur Infrastruktur noch zum eigentlichen Geschäft", sagt der Chef, der auf künftige Entwicklungen in diesem Bereich hofft: "Wir sind für alles offen, aber wir wollen nicht irgendeine Modeerscheinung mitmachen, die am Ende nur viel Geld kostet." Bis es so weit ist, will er mit seinem Unternehmen auf jene Hersteller setzen, die in seinen Worten "exzellente Antriebsstränge zur Verfügung stellen". "In Verbindung mit einem gut geschulten Fahrer, der auch belohnt wird, wenn er sparsam fährt, kann man damit aktuell am umweltverträglichsten Güter befördern", sagt der Unternehmer. Mit einer umweltschonenden Fahrweise kann ein Betrieb auch Geld sparen, weiß Warnecke, dem die negative Preisentwicklung im Transportmarkt derzeit Sorgen macht. "Das ist schon eine schwierige Zeit, in der leider auch ein heftiger Preiskampf bei Touren ausgefochten wird", sagt der Chef. "Da werden Frachtpreise und alle möglichen Bedingungen diktiert", erklärt er und kritisiert damit das Vorgehen mancher Firmen. Er findet es zudem schade, dass es viele Fuhrbetriebe gibt, die sich auf diese Geschäfte einlassen, die "absolut unwirtschaftlich" sind. "Da wird häufig nicht richtig kalkuliert", vermutet der Kaufmann und rät abschließend seinen Branchenkollegen, "sich nicht alles gefallen zu lassen und stattdessen lieber eine gute, partnerschaftliche Verbindung zu organisieren". Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Seit rund 30 Jahren gibt es IW-Transport. Immo Warnecke, Chef des Leipziger Transportunternehmens, beschäftigen derzeit besonders der Fahrermangel und die negative Preisentwicklung im Transportmarkt. Durch die Corona-Krise, die vielen Unternehmen zusetzt, kommt sein Betrieb bislang gut. Zahlen, Daten, Fakten 1990 machte sich Immo Warnecke mit einem Abrechnungsbetrieb für private Fuhrunternehmen in Leipzig selbstständig. 1992 erfolgte die Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunktes zur Erbringung von Transportleistungen. Das Transportunternehmen hat 2019 einen Umsatz von 11,8 Millionen Euro gemacht. Aktuell werden 103 Mitarbeiter beschäftigt. Die Transportdienstleistung des Unternehmens umfasst Liniengüterfernverkehre sowie Regionalverkehre mit Wechselbrückengliederzügen und in geringem Umfang mit Sattelzügen. Vorwiegend werden Pakete und Sammelgut im 24-Stunden-Dienst transportiert. Zu den größten Auftraggebern des Unternehmens zählen DPD, Hellmann Worldwide und Cargonetwork. Die Firma ist Teil der IW-Gruppe, die aus fünf Gesellschaften mit jeweils eigenen Geschäftsbereichen besteht: IW-Transport ist auf den Gütertransport spezialisiert. IW-Truckstyling hat den Schwerpunkt der Herstellung von Edelstahl-Nutzfahrzeugzubehör. IW-Classic beschäftigt sich mit Oldtimerreparatur und -restauration. Das Truck-Service-Center ist ein Komplettservice für Pkw sowie Nutzfahrzeuge und IW-Styling bietet Laserschneid- und Gravurarbeiten an. ja

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