Berlin. Die Läden in den Fußgängerzonen machen am Mittwoch dicht, die Lieferdienste der Online-Händler arbeiten am Limit: Wer jetzt noch nicht alle Weihnachtsgeschenke zusammen hat, ist in Schwierigkeiten. Erste Politiker empfehlen bereits auf selbstgebastelte Gutscheine als Präsente umzusatteln. Doch der Handel hat noch eine andere Idee. Die Geschäfte von Ikea, Media Markt, Saturn und Co. sollen zu Abholstellen für online bestellte Waren werden.
Klassischer Handel: „Click and Collect“ soll helfen
Der Handelsverband Deutschland (HDE) dringt darauf, den Einzelhändlern im Shutdown die Übergabe von im Internet bestellter Ware - im Fachjargon Click and Collect genannt - in den eigentlich geschlossenen Läden zu erlauben. „Click and Collect kann ein wichtiger Beitrag für viele Händler sein, besser durch diese Krise zu kommen“, sagte am Montag HDE-Sprecher Stefan Hertel der Deutschen Presse-Agentur. Den Weg dazu müssten die Bundesländer in ihren Corona-Verordnungen freimachen.
Unterstützung bekam der Verband von den Elektronikketten Media Markt und Saturn und dem Möbelhändler Ikea. Ein Sprecher der Elektronikketten betonte, schon in der ersten Corona-Welle habe sich gezeigt, dass es möglich sei, beim Abholen von vorab bestellter Ware den Gesundheitsschutz für Kunden und Mitarbeiter durch speziell eingerichtete Abholstationen zu gewährleisten.
Gleichzeitig biete Click and Collect den stationären Händlern die Möglichkeit, sich in der Krise besser im Wettbewerb gegen reine Onlinehändler zu behaupten. Und es entlaste die Lieferdienste, die vor Weihnachten ohnehin am Anschlag arbeiteten. Auch Deutschlands größter Möbelhändler Ikea wünschte sich die Möglichkeit, seine riesigen Verkaufshäuser im Shutdown zumindest als Abholstationen nutzen zu können.
Politik ist sich nicht einig
In der Politik stieß der Vorschlag allerdings auf ein geteiltes Echo. Die baden-württembergische Landesregierung hält nach den Worten eines Regierungssprechers überhaupt nichts von Abholangeboten im Handel. „Abholmöglichkeiten jenseits der Gastronomie wären kontraproduktiv“, sagte er der dpa am Montag. „Je mehr Ausnahmen wir machen, desto länger brauchen wir, bis die Infektionszahlen deutlich runter sind, desto länger dauert das Elend des Lockdowns, desto länger müssen die Geschäfte zu bleiben.“
Der Beschlussvorschlag des Bundeslandes Bremen für die Corona-Verordnung sah dagegen am Montag vor, dass Click and Collect möglich sein soll, wenn die Abholung unter Beachtung von Schutzmaßnahmen kontaktfrei erfolgen kann. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) signalisierte im WDR 5, dass er zumindest im Buchhandel für eine solche Lösung offen sei.
Onlinehandel: Die Paketbranche rechnet mit noch mehr Arbeit
Während der stationäre Handel sich auf die Schließung vorbereitete und an den letzten beiden Verkaufstagen noch einmal massiv mit Sonderangeboten lockte, bereitete sich die Paketbranche auf zusätzliche Arbeit vor. „Aufgrund der zahlreichen Geschäftsschließungen rechnen wir damit, dass noch einmal mehr Menschen online bestellen und die Paketmengen entsprechend steigen werden“, erklärte ein DPD-Sprecher am Montag.
Trotz der gewaltigen Mengen sehen sich die Firmen gut gerüstet. „In den vergangenen Wochen haben wir gezeigt, dass wir auch extrem hohe Paketmengen bewältigen können“, erklärte der Paketvorstand des Marktführers Deutsche Post DHL, Tobias Meyer. Schon jetzt würden die Menschen sehr viel im Internet bestellen - es lasse sich nicht verlässlich voraussagen, „ob ein kurzfristiger Lockdown nochmals deutlich mehr Menge bedingt“. Seine Firma werde „jede verfügbare und mobilisierbare Kapazität bereitstellen“. Die Logistiker empfehlen, die Geschenke so früh wie möglich zu bestellen und zu verschicken.
Streit um Hilfen für den Handel
Der HDE warnte angesichts des verschärften Shutdowns bereits vor einer möglichen Pleitewelle in den Innenstädten. Bis zu 250.000 Jobs könnten verloren gehen, wenn der Staat den Händlern nicht massiv unter die Arme greife. Die bisher angekündigten Hilfen reichten bei weitem nicht aus, um ein solches Szenario zu verhindern. Der Handelsverband Textil sprach von einem Fiasko. In der Modebranche werde sich bis zum voraussichtlichen Ende des Shutdowns am 10. Januar „ein riesiger Berg von 300 Millionen Teilen unverkaufter Modeartikel auftürmen“.
Ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz wies die Kritik des Einzelhandels an den staatlichen Finanzhilfen am Montag allerdings zurück. Die Hilfen für Unternehmen seien seit Beginn der Krise großzügig und umfassend. Firmen bekämen mit der Verlängerung der Überbrückungshilfe III bis Ende Juni eine klare Unterstützungsperspektive, um Arbeitsplätze zu erhalten und ihren Betrieb fortzuführen.
Das englische Wort Lockdown bedeutet Ausgangssperre, unter Shutdown wird die Schließung oder Stilllegung etwa von Betrieben oder Geschäften verstanden. (dpa/sn)